Ende 1598
reiste Franz von Sales im Auftrag seines Bischofs Claude de Granier zum
vorgeschriebenen Ad-Limina-Besuch nach Rom. Bis heute ist jeder
Diözesanbischof verpflichtet, in regelmäßigen Abständen beim Papst
Bericht über die Situation in seiner Diözese zu erstatten.
Das war
jedoch nicht der einzige Grund, warum Franz von Sales diese Reise
anzutreten hatte. Sein Bischof wollte, dass sein Dompropst und
erfolgreicher Chablais-Missionar auch sein Koadjutor, also sein
Stellvertreter mit dem Recht auf die Nachfolge im Bischofsamt werde.
Franz von Sales zögerte einige Monate, bis er sich zu dieser Aufgabe
bereit erklärte. Bevor jedoch der Papst seine Zustimmung erteilte,
musste Franz von Sales in Rom noch eine Bischofsprüfung vor dem Papst
und einem Prüfungskollegium ablegen.
Dies tat Franz von Sales
am 22. März 1599 in so ausgezeichneter Weise, dass nicht nur Papst
Clemens VIII., sondern auch die anwesenden Kardinäle über das Wissen
des Savoyarden in großes Staunen versetzt wurden. Der Papst
beglückwünschte ihn mit den Worten: "Trinke Wasser, mein Sohn,
aus deiner eigenen Zisterne, und was aus deinem eigenen Brunnen quillt.
Nach draußen sollen deine Quellen sich ergießen, auf freie Plätze
deine Wasserbäche!"
Franz von Sales:
"Ich
bekenne Ihnen in aller Einfalt, dass Gott unsere Beschämung beim Examen
nicht zugelassen hat, obwohl ich nichts anderes erwartet hatte ... Aber
was immer meine Freunde schreiben, bedenken Sie, dass unsere Freunde
ebenso oft das Gute an uns übertreiben, wie unsere Feinde unsere Fehler
vergrößern, und dass wir schließlich nur das sind, was wir vor Gott
gelten." (DASal 8,52)
Zum Nachdenken:
Die Freunde machen meine Stärken größer und meine Fehler kleiner. Die
Feinde handeln umgekehrt: Meine Fehler werden zu Tragödien
aufgebauscht, das Gute an mir wird so klein als möglich gemacht. Diese
Erfahrung kennt Franz von Sales und daher hält er sich selbst daran,
dass wir immer nur das sind, was wir vor Gott gelten, nicht mehr und
nicht weniger. Denn Gott allein kennt mein wahres Gesicht und weiß um
meine Schwächen wie um meine Stärken.
Franz von Sales ist diesem Grundsatz aus Bescheidenheit und Demut vor
allem dann treu geblieben, wenn er von allen Seiten aufgrund seiner
hohen Intelligenz, seiner Redebegabung oder Liebenswürdigkeit gelobt
wurde. Er wusste, dass man Gott eben nicht täuschen kann, weder durch
schönes Gerede noch durch harsche Kritik. Im Angesicht Gottes fallen
eben alle Masken, die schönen ebenso wie die hässlichen.
Für Franz von Sales war dies eine sehr beruhigende Erkenntnis, denn es
machte ihn unabhängig vom Urteil anderer. Im Wissen darum, dass
Gott mich so annimmt wie ich bin, erfuhr er ein besonderes Stück
Freiheit mit sich selbst und im Umgang mit anderen Menschen.
Zur Anregung:
* Wie fühle ich mich, wenn ich gelobt oder kritisiert werde?
* Kenne ich meine Stärken und meine Schwächen?
* Ist mir bewusst, dass ich vor allem das bin und sein darf, was ich vor
Gott gelte?
* Fühle ich mich von Gott in allem angenommen?
* Wie urteile ich über andere?
Mein Herzensgebet durch den Tag:
Es lebe
Jesus,
der meine Stärken und meine Schwächen kennt.
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Franz von Sales legt vor Papst Clemens
VIII. in Rom die Bischofsprüfung ab.
(Gemälde in St. Madeleine, Frankreich) |