"Das Stress-Evangelium" (Mk 6,30-34)
Liebe Schwestern und Brüder,
wollte man eine griffige Überschrift über die eben gehörte Evangeliumsstelle finden, könnte man es das Stress-Evangelium nennen: Jesus und die Apostel im pastoralen Stress. Sie finden nicht einmal Zeit zum Essen. Jesus reagiert darauf mit einem Fluchtvorschlag: Kommt, wir hauen ab, verschwinden an einen einsamen Ort, wo wir allein sind und uns ausruhen können. Leider hat diese Flucht nicht ganz funktioniert, da man sie abfahren sah, und als sie an jenem Ort der Ruhe aus dem Boot stiegen, war wieder eine Menschenmenge da und der Stress ging weiter. Das Anliegen Jesu blieb jedoch gültig: Zeiten der Erholung, des Ausruhens sind wichtig, gerade wenn der Stress am größten ist. Bei anderen Gelegenheiten funktionierte das auch. Jesus verschwindet immer wieder einmal, um sich zu besinnen, zu beten, zur Ruhe zu kommen, gerade auch dann, wenn es wichtige Dinge zu entscheiden gibt oder die Arbeit immer mehr wird.
Interessanterweise hat Gott selbst von Anfang an für die Menschen in sein Schöpfungswerk ein solches Anti-Stressprogramm eingebaut. Sechs Tage sollst Du arbeiten, der siebte Tag aber, der Sabbat oder der Sonntag ist Ruhetag. Es ist ein göttlicher Befehl, dass man an diesem Tag nichts arbeiten soll. Es ist der Tag der Besinnung, der Ruhe, der Erholung. Natürlich funktioniert das in der Praxis nicht immer, was aber den Sinn dieses göttliche Anliegen deshalb nicht aufhebt.
Mittlerweile ist auch bekannt, dass die Aussage: „Der Sonntag mit seinem Gottesdienstbesuch und der göttlich gebotenen Ruhe bringt doch nichts“ auch statistisch gesehen falsch ist. Eine Untersuchung in Amerika hat jetzt das Gegenteil bewiesen. Wer sonntags regelmäßig in die Kirche geht, ergab diese Untersuchung, der leistet nicht nur einen entscheidenden Beitrag für sein ewiges Leben, er verlängert auch sein irdisches Dasein. Regelmäßige Kirchgänger haben eine höhere Lebenserwartung als andere Menschen, so die Analyse. Die Studie gibt auch Auskunft über die Gründe: Der regelmäßige Kirchgänger ist viel besser eingebettet in ein soziales Gefüge, er erhält dadurch Halt in einer Gemeinschaft und ist damit zufriedener und ausgeglichener. Und er hat eben einen Ort, wo er zur Besinnung und zur Ruhe kommen kann.
Zum Schluss noch ein salesianischer Gedanke zum heutigen Evangelium. Der hl. Franz von Sales rät seinen frommen Seelen, über den Sonntag hinaus sich jeden Tag eine halbe Stunde zu besinnen und bewusst auf Gott zu horchen. „Außer“ - so sagt er dann - „außer sie haben sehr viel zu tun, dann ist nicht eine halbe, sondern eine ganze Stunde notwendig.“ Das entspricht übrigens in etwa der modernen Management-Beratung, die den stressgeplagten und überarbeiteten Managern folgendes rät: „Sollten sie vor lauter Arbeit keine Zeit mehr haben, nicht einmal zum Essen, und nicht mehr wissen, ob sie das oder jenes zuerst tun sollen, dann machen sie am besten ein paar Tage Urlaub.“ Natürlich funktioniert dieses Antistressprogramm nicht immer - nicht einmal bei Jesus und seinen Apostel - das Anliegen ist aber trotzdem berechtigt: „Kommt mit an einen einsamen Ort und ruht ein wenig aus.“ Amen.
Herbert Winklehner OSFS
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