"Gottes Wort bringt Frucht" (Lk 1,26-38)
Liebe Schwestern und Brüder,
"Die Lehre der Kirche ist wie ein sanfter Regen, der das unfruchtbare Land zum Sprießen bringt." Wenn wir uns einmal vergegenwärtigen, was so in den Medien, aber auch in unseren eigenen Köpfen über die Lehre der Kirche gedacht und gesagt wird, dann kann ich mir gut vorstellen, dass wir diesen Satz, der vom hl. Franz von Sales vor fast vierhundert Jahren niedergeschrieben wurde, nicht so ohne weiteres unterschreiben werden. Irgendwie löst er in uns spontan Widerspruch aus. Wie kommt Franz von Sales dazu, so positiv über die Lehre der Kirche zu schreiben?
Ich denke, Franz von Sales hat begriffen, dass die Lehre der Kirche zu allererst und vor allem die Aufgabe hat, das Wort Gottes, das zu uns Menschen gesprochen wurde, aufzunehmen, zu bewahren und durch die Jahrhunderte weiterzuverkünden. Und wie ist dieses Wort Gottes? Das heutige Evangelium zeigt uns das:
Gott wendet sich mit seinem Wort durch den Engel Gabriel an den Menschen Maria. Und Maria erschrak vor diesem Wort. Der Engel aber beruhigt Maria: Fürchte dich nicht, denn Gott ist bei Dir. Hab keine Angst, nimm das Wort Gottes in Dir auf und du wirst Frucht bringen, Du wirst den Sohn Gottes, Jesus, gebären.
Wer das Wort Gottes aufnimmt, braucht keine Angst haben, braucht nicht zu erschrecken, denn dieses Wort ist kein Nachteil für die Menschen, sondern verspricht Fruchtbarkeit. Dieses Wort Gottes nimmt dem Menschen nichts weg, sondern beschenkt ihn total. Es ist wie ein sanfter Regen, der unfruchtbares Land zum Sprießen bringt. Das gilt nicht nur für Maria, das gilt ebenso für ihre Tante Elisabeth und das gilt für alle Menschen, die sich auf dieses Wort Gottes einlassen. Der Bürge dafür ist Jesus Christus, der uns versichert: "Die Worte, die ich zu euch gesprochen habe, sind Geist und Leben!" - "Wer an mein Wort festhält, wird auf ewig den Tod nicht schauen." - "Wenn meine Worte in euch bleiben, dann könnt ihr um alles bitten, und ihr werdet es erhalten." Das Wort Gottes zerstört nicht, sondern lässt leben, schafft Leben. Tote werden lebendig, Kranke werden geheilt, Lahme können wieder gehen, Blinde können wieder sehen. Jene aber, die dieses Wort nicht annehmen, können verstummen, so wie Zacharias, der Mann Elisabeths, der die Botschaft Gottes aus dem Mund des Engels über die Geburt seines Sohnes Johannes nicht glaubte. Er wurde stumm und konnte erst wieder reden, als sich das Wort Gottes erfüllte.
Die Kirche hat nun den Auftrag, dieses leben-spendende Wort Gottes durch ihre Lehre über die Zeit hinweg zu bewahren und weiterzugeben. Und weil das Innerste der Lehre der Kirche das Wort Gottes sein muss, daher muss diese Lehre ebenso ein sanfter Regen sein, der unfruchtbares Land zum Sprießen bringt. Tut sie das nicht, dann verrät sie diesen Auftrag und verliert den Anspruch, Lehre der Kirche zu sein. Der heilige Franz von Sales, einer der großen Kirchenlehrer, hat das erkannt und in seiner bischöflichen Arbeit verwirklicht. Das heutige Evangelium gibt ihm und allen Recht, die die Lehre der Kirche auf diese Weise verkünden. Es kritisiert aber auch all jene, die meinen, dass ihr Worte, die Angst verbreiten oder das Leben verkürzen, Lehre der Kirche sei. Hier kann man nur mit den Worten des Engels Gabriel reagieren: "Fürchtet euch nicht, denn ihr habt bei Gott Gnade gefunden. Der Heilige Geist und die Kraft Gottes ist bei Euch." Amen.
Herbert Winklehner OSFS
nach oben | Übersicht Salesianische Predigten | Übersicht Franz von Sales-Predigten