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Am Dienstag der 2. Fastenwoche

Grenoble, 13. März 1618 (OEA VIII,364-369; DASal 9,189-192)

6. Predigt: Über die wirksame Gnade.

Der hl. Bernhard (Sermo 76): „Wir brauchen einen dreifachen Segen: zuvorkommend, helfend, vollendend. Der erste ist jener des Erbarmens, der zweite der Gnade, der dritte der Glorie.“ Ich ändere die Einteilung ein wenig, denn ich führe die vollendende Gnade auf die wirksame zurück.

(1.) Das zuvorkommende Erbarmen bewirkt in uns, daß wir uns bekehren wollen (Phil 2,13). Das genügt aber nicht, denn wie oft sagen wir: Ich will mich bekehren, und wir bekehren uns doch nicht! Deshalb tadelt Jesaja (21,11f) die Edomiter: Drückende Last über Duma, das ist der Teil Edoms, der sich nach Süden erstreckt; man ruft mir aus Seir zu. Seir ist ein Gebiet von Edom; der Name kommt von Esau, der auch Edom heißt, das bedeutet rothaarig; Seir bedeutet dicht behaart (Gen 25,25). Das Volk von Seir also ruft: Wächter, welche Nachtstunde? Der Wächter sagte: Es kommt der Morgen; es ist Morgengrauen, und doch dauert die Nacht noch an. Das ist ein Bild der Sünder, dicht behaarter, tierischer Menschen wie Nebukadnezzar. Wie weit ist die Nacht? Ich möchte mich dem Tag zuwenden. Seht, die zuvorkommende Gnade leuchtet auf und die Nacht weicht zurück, wie die Trägen, die die Augen öffnen (Spr 6,9f: Wie lange noch, du Fauler, schläfst du und willst du schlummern?), dann schließen sie die Augen wieder und machen den hellen Tag zur Nacht. Warum Tag und Nacht vermengt? (Jes 21,12: Wenn ihr fragt, dann fragt ernsthaft.) Weil ihr nicht ernsthaft fragt; weil ihr wollt und doch nicht wollt (Spr 13,4). Bekehrt euch von ganzem Herzen (Jer 29,13). Es gibt manche, die zwar die Augen, nicht aber den Körper denen zuwenden, die ihnen zurufen. Siehe oben: Tobias, Betuel, Lazarus, der an Händen und Füßen gebunden aus dem Grab kommt.

2. Zum Heil des Sünders ist daher die helfende Gnade notwendig, von der wir das letzte Mal gesprochen haben. Sie besteht darin, daß wir von ganzem Herzen alle Mittel zur echten Buße anwenden. Ein schönes Beispiel bietet Gen 24,15-53. Nichts ahnend trifft Rebekka am Brunnen Elieser; der bittet sie, etc. Das ist die erste Eröffnung; sie hört den Boten, sie hört sein Wort. Dann gibt er ihr goldene Ohrgehänge, d. h. Lieblichkeit und Annehmlichkeit des Hörens; er gibt ihr Armreifen, d. h. die Möglichkeit, das Gehörte auszuführen. Die Seele lädt die Gnade, diese gute Regung, ein zu bleiben. Das ist ja die Wirkung der zuvorkommenden Gnade, das Gehör, d. h. den Verstand zum Hören bereitzumachen und den Willen zu bewegen, daß sie wünschen, diese Gnade und diese Freude möchten andauern. Dann verlangt die eingelassene Gnade Zustimmung. Sobald sie diese erhält, gibt sie silberne Gefäße, d. h. die Furcht, und goldene, d. h. die Liebe. Bald darauf bekleidet sie die Seele mit dem festen Vorsatz, d. h. führt sie von der beginnenden zur starken Liebe, die sich vornimmt, bis zum Tod auszuharren. Der verschwenderische Sohn geht in sich durch die Anregung der Gnade; Wieviele Taglöhner im Haus meines Vaters haben Brot im Überfluß; ich will mich aufmachen (Lk 15,17f). Sogleich kehrt er heim. So wird Lazarus von den Binden befreit. Glückselige Buße in Magdalena! Als sie erfuhr, daß Jesus beim Gastmahl war ... (Lk 7,37); das ist die zuvorkommende Gnade. Da brachte sie sogleich; das ist die helfende, mitwirkende Gnade.

Die mitwirkende Gnade besteht in dreifacher Hilfe, wie Rafael sie dem Tobias leistete: in mittelbarer oder unmittelbarer Führung, innerlich oder äußerlich (beachte: wenn du die äußere, d. h. den menschlichen Führer vernachlässigst, wirst du kaum einen inneren haben; höre auf den Hahn, und der Herr wird dich ansehen). Die helfende Gnade kann im Schutz und in der Verteidigung gegen Übel bestehen, gegen den Fisch (Tob 6,2-6); ebenso in der Unterstützung wie durch Rafael, der auch Nahrung beschafft. So berichtet Elieser, daß er geschickt wurde, um seinem Herrn die Frau zuzuführen; das ist die Führung; schließlich im Schutz, indem sie Kleidung gibt, die gegen die Unbill des Wetters schützt. Drittens kann sie darin bestehen, daß sie hilft, wie die Kamele zu tränken (Gen 24,34-38). So half sie Paulus: Geh zu Hananias; das ist die Führung; ihm gab sie den Geist der Führung und ließ die Schuppen von den Augen fallen; dann vertrieb sie die Sünde durch die Taufe, darauf aß Paulus (Apg 9,7; 17-19).

3. Zum Heil der Sünder ist also die Beharrlichkeit notwendig. Mt 10,22: Wer ausharrt bis ans Ende, der wird gerettet werden. Origines, Tertullian, Hosius, Salomo, Judas waren nicht beharrlich. Der Wille des Menschen ist wandelbar bis zum Tod. Gal 5,7: Ihr seid gut gelaufen; wer hat euch aufgehalten? Das Konzil von Trient: Die Gnade der Beharrlichkeit ist die höchste und geheimnisvollste Gabe. 1 Kor 10,12: Wer steht, sehe zu, daß er nicht falle. 1 Kor 9,24: Alle laufen zwar, aber nur einer gewinnt den Preis. Es gibt eine zweifache Beharrlichkeit: die eine im engeren Sinn und die äquivalente. Die sich beim Tod bekehren, wie der Schächer und ganz wenige andere, haben eine äquivalente Beharrlichkeit; sie sind ja nicht eigentlich beharrlich, aber ihre Bekehrung gilt soviel wie die Beharrlichkeit und ist nichts anderes als die Bekehrung. Die Beharrlichkeit im engeren Sinn besteht darin, daß wir lange Zeit durchhalten. Daher ist die Gabe der Beharrlichkeit nichts anderes als eine bestimmte Folge von leitenden, schützenden und helfenden Gnaden (vgl. Tr. 3,4).

Über das Gesagte erhebt sich aber ein zweifacher Zweifel. Der erste: Wenn wir aus uns nichts vermögen, wird also jemand, der verdammt wird, deshalb verdammt, weil Gott ihm nicht geholfen hat? Ri 15,18: Darum sterbe ich vor Durst. Doch dieses Argument ist so nichtig wie kein anderes. Denn obwohl wir die Gnade brauchen, fehlt sie uns dennoch nicht. Ijob 24,13: Sie lehnten sich gegen das Licht auf. Die Gnade fehlt dir so wenig wie die Natur. Beispiel des Mannes, der die Augen schloß, im Buch von der göttlichen Liebe (Tr. 4,4). Beispiel der Israeliten in der Wüste: nicht das Manna fehlte, sondern sie fehlten gegen das Manna (Ex 16,13-29); sie hatten die Wolkensäule am Tag und die Feuersäule in der Nacht (13,31). Beispiel der Arche Noachs: sie hätten ebenso leicht hineingehen als draußen bleiben können, sie wollten aber nicht (Gen 7,7; 1 Petr 3,20).

Der zweite Zweifel: ob die Akte der Buße fühlbar sind. Das Gefühl kann auf zweifache Weise angeregt werden: innerlich vom vernünftigen Seelenteil her oder im niederen Teil. Die Töchter Jerusalems weinten, im niederen Teil bewegt, daher sagte der Herr: Weint nicht über mich (Lk 23,28), nämlich im niederen Teil. Tränen sind also etwas Gutes, denn sie sind die Wirkung der Reue; da aber das Gefühl nicht immer der Vernunft gehorcht, sind äußere Tränen nicht erforderlich, sondern nur innerliche.

Nun fragen wir noch: Wie war die Buße des Petrus beschaffen? Sie erstreckte sich 1. auf den ganzen Menschen; sein Weinen entsprang ja dem Verstand, erfaßte das Herz und vom Herzen her die Augen, wie bei Magdalena. Hier löse den zweiten Zweifel. 2. Sie erstreckte sich auf alle Fähigkeiten oder Empfindungen der Seele; so heißt es 1 Sam (10,6): Der Geist des Herrn durchdringe dich, und du wirst ein anderer Mensch. 3. Sie erstreckt sich auf das ganze Leben, das er ob der Bekehrung von zwei Frauen beendete, wie zwei Frauen ihn zur Verleugnung veranlaßt hatten. Siehe die Geschichte bei Baronius.


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