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Franz von Sales: Christsein für alle

Liebe Schwestern und Brüder,

„bei der Schöpfung befahl Gott den Pflanzen, Frucht zu tragen, jede nach ihrer Art. So gibt er auch den Gläubigen den Auftrag, Früchte der Frömmigkeit zu tragen, jeder nach seiner Art und seinem Beruf. Die Frömmigkeit muss anders geübt werden vom Edelmann, anders vom Handwerker, Knecht oder Fürsten, anders von der Witwe, dem Mädchen, der Verheirateten. Mehr noch: die Übung der Frömmigkeit muss auch noch der Kraft, der Beschäftigung und den Pflichten eines jeden angepasst sein. Wäre es denn in Ordnung, wenn ein Bischof einsam leben wollte wie ein Kartäuser? Oder wenn Verheiratete sich so wenig um Geld kümmerten wie die Kapuziner? Kann ein Handwerker den ganzen Tag in der Kirche verbringen, wie die Mönche es tun? Dürfen andererseits Mönche aus beschaulichen Orden jedermann zur Verfügung stehen, wie es der Bischof muss? Eine solche Frömmigkeit wäre doch lächerlich, ungeordnet, ja unerträglich. Nein, echte Frömmigkeit verdirbt nichts; im Gegenteil, sie macht alles vollkommen. Verträgt sie sich nicht mit einem rechtschaffenen Beruf, dann ist sie gewiss nicht echt. Die echte Frömmigkeit schadet keinem Beruf und keiner Arbeit; im Gegenteil sie gibt ihnen Glanz und Schönheit. Es ist ein Irrtum, ja sogar eine Irrlehre, die Frömmigkeit aus den Kasernen, aus den Werkstätten, von den Fürstenhöfen, aus dem Haushalt verheirateter Leute verbannen zu wollen. Gewiss, die beschauliche und klösterliche Frömmigkeit kann in diesen Berufen nicht geübt werden. Aber es gibt ja außerdem noch viele Formen eines frommen Lebens, die jene zur christlichen Vollkommenheit führen, die in einem weltlichen Stand leben.“

Diese Worte des hl. Franz von Sales, die er in seinem Buch „Anleitung zum Frommen Leben“ der „Philothea“ schrieb, waren am Beginn des 17. Jahrhunderts ohne Beispiel und progressiv. Sie führten dazu, dass dieses Buch eines Bischofs von manchen Priestern öffentlich auf der Kanzel als „Teufelsbuch“ verurteilt und vor den Augen der Zuhörer zerrissen wurde. Diese Worte waren aber auch eine befreiende Erlösung für hunderttausende Christen, die in der Welt fromm sein wollten, nach den christlichen Grundsätzen leben wollten, denn endlich sagt ihnen ein Bischof: Ja, ihre könnt eine christliches Leben führen, welchen Beruf auch immer ihr ausübt, denn die Frömmigkeit muss sich an euer Leben anpassen. Vorher hieß es: Nur der, der ins Kloster geht und den die Klostermauern vor den weltlichen Einflüssen der schlechten Außenwelt schützen, nur der kann ein wirklich guter Christ sein. Für Franz von Sales aber gibt es keinen Zweifel: Vollkommenes Christsein ist für alle möglich. Sein Buch „Philothea - Anleitung zum frommen Leben“ ist bis heute eines der meistgelesenen Bücher der religiösen Weltliteratur, rotz der heftigen Angriffe, denen dieses Buch am Beginn ausgesetzt war. Und ich frage mich, ob nicht auch heute wieder eine Meinung bei den Gläubigen wächst, die besagt, dass der Normalchrist im Alltagsleben für verschiedene christliche Aufgaben nicht fähig ist, ja nicht würdig ist, weil er so vielen unchristlichen Einflüssen ausgesetzt ist. Heute reden wir in diesem Zusammenhang von der Mündigkeit des Laien und von der Entmündigung des mündigen Christen. Immer häufiger werden die Stimmen, die sagen: der Laie soll den Mund halten, der versteht doch nicht, wenn es um Glaubensfragen geht - und das obwohl die Lehre der Kirche den Begriff des „Sensus fidei“ kennt, „den Glaubenssinn“, den jeder Christ besitzt und aufgrund dessen es im vatikanischen Dekret „Dei Verbum“ heißt: „Die Gesamtheit der Gläubigen kann im Glauben nicht irren.“ Aufgrund dessen also die Gesamtheit der Gläubigen die Unfehlbarkeit besitzt. Und wie oft in der Geschichte der Kirche ist es schon geschehen, dass gerade die Volksfrömmigkeit, dass gerade die Laien in der Kirche am wahren Glauben festhielten und diesen retteten, während die Amtskirche in die Irre ging. Das war so in den ersten Jahrhunderten der Kirche, als die ganze damalige Welt arianisch wurde und das war so in der Zeit der Reformation, deren Ausbreitung letztlich doch nur durch die tiefe Gläubigkeit des Volkes Gottes gebremst werden konnte. Und sehr häufig waren es gerade die Laien, die entscheidende Impulse für die Entwicklung der Kirche gaben, von den Aposteln über Franz von Assisi bis zu den heutigen Erneuerungsbewegungen. Ein jeder von uns, ob ich als Diakon oder Priester, oder sie als Laie, ein jeder von uns ist aufgerufen am Aufbau des Reiches Gottes mitzuarbeiten. Und ein jeder von uns hat auch die Möglichkeit dies mit einer ganz besonderen, seinem Beruf, seinem Stand und seiner Persönlichkeit entsprechenden Frömmigkeit zu tun. Und jeder Christ, ob Priester, Ordensmann oder Laie ist dazu berufen, vollkommen zu werden, also ein Heiliger zu werden. Werdet also nicht mutlos, („Lasst euch nicht aus der Fassung bringen“ Johannes Paul II.) Euren Weg in der Kirche weiterzugehen, den euch Gott vorgegeben hat. Bedenkt dabei immer, was der hl. Franz von Sales schrieb: „Es ist eine Irrlehre, die Frömmigkeit aus der Kaserne, aus den Werkstätten, von den Fürstenhöfen, aus dem Haushalt verheirateter Leute verbannen zu wollen. Verträgt sich eine Frömmigkeit nicht mit einem rechtschaffenen Beruf, dann ist diese gewiss nicht echt.“ Amen.

Herbert Winklehner OSFS


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