From Franz von Sales

Lexikon: A-Z :: Geistliches Direktorium

Das geistliche Direktorium des hl. Franz von Sales


für Christen
in der Welt

Hrsg: L.S. Fiorelli

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  1. 1. Leben in und mit Gott als unser Ziel
  2. 2. Fundament
  3. 3. Lebensregel von Padua
  4. 4. Das geistliche Direktorium
  5. 5. Nicht Zwang sondern Wegweisung


1.  Leben in und mit Gott als unser Ziel

Das Lebensziel des hl. Franz von Sales war – so denke ich - die Vereinigung mit Gott, das Leben in und mit Gott. Er sehnte sich von ganzem Herzen nach diesem Gott und war gleichzeitig davon überzeugt, dass Gott sich genauso und bereits viel früher nach der Liebe des Menschen gesehnt hat. Er war davon überzeugt, dass Gott uns entgegenkommt und sich mit uns vereinigen will, und dass es unsere Aufgabe ist, uns dafür bereit zu halten – jeden Tag neu.

Wie hört sich das an für uns Menschen: „Vereinigung mit Gott“? Ein hehres Ziel könnte man sagen. Ein unmögliches Ziel. Für Franz von Sales ist es das nicht. Denn er weiß, dass nicht wir mit unserer Leistung es schaffen können, sondern dass Gott es bewirkt, wenn wir uns dafür öffnen. Die Frage, die sich Franz von Sales stellte, war also nicht so sehr: Geht das überhaupt? Sondern seine Frage war: „Wie gelingt es mir, mich Tag für Tag dafür bereitzuhalten.“


2.  Fundament

Seine persönliche Antwort auf diese Frage beinhaltet einige Fundamentsteine:


3.  Lebensregel von Padua

Während seiner Studienzeit in Padua in den Jahren1588-1592 – er studierte dort Rechtswissenschaft – überlegte er für sich selber eine „Lebensregel“, nach der er sich ausrichten wollte, und die ihm helfen sollte, sich Tag für Tag auf Gott hin auszurichten, sich für Gott zu öffnen. Es finden sich darin Elemente, die er auch in einem seiner Hauptwerke, der Philothea nennt: Die Vorbereitung auf den Tag, die tägliche Messe, der Umgang mit Beziehungen und mitmenschlichen Begegnungen, aber auch Vorsätze für gute Gedanken beim morgendlichen Aufwachen und für die Nacht.

Franz von Sales muss gute Erfahrungen damit gemacht haben, denn er empfiehlt es auch anderen im Rahmen der geistlichen Begleitung, sich durch bewusste tägliche Übungen auf Gott hin auszurichten. Aus dem Jahr 1604 gibt es z.B. Briefe an Johanna Franziska von Chantal und Frau Brulart, in denen solche Anleitungen zu finden sind. In der Philothea finden sich dann einige der Ratschläge wieder.


4.  Das geistliche Direktorium

Nach der Gründung des Ordens der Heimsuchung schreibt Franz von Sales gemäß den Bedürfnissen dieser Schwestern das sogenannte „Geistliche Direktorium“. Die Wortbedeutung „dirigere“ hinlenken, hinwenden, ausrichten sagt bereits aus, dass dieses Direktorium den Schwestern helfen sollte, sich Tag für Tag auf Gott hin auszurichten.

Im Laufe der Jahrhunderte haben auch andere salesianische Gemeinschaften – so z.B. die Oblatinnen und Oblaten, und das Säkularinstitut den zentralen Wert des Direktoriums erkannt. Und so ist es - angepasst an die verschiedenen Lebenssituationen der einzelnen Gemeinschaften - zur Grundlage ihrer Spiritualität geworden. Im Buchhandel ist das Direktorium unter dem Titel „Leben in Gott“, hrsg. und erläutert von Lewis S. Fiorelli, dem früheren Generaloberen der Sales-Oblaten, erhältlich.

Was bietet uns der hl. Franz von Sales nun an Ratschlägen, den Tag zu gestalten?

Am Morgen aufzuwachen und aufzustehen, ist etwas ganz Alltägliches, nichts Besonderes möchte man meinen. Für Franz von Sales jedoch ist es die Gelegenheit, mein Leben als Geschenk Gottes zu sehen und mich an die Auferstehung Jesu zu erinnern. Während des Ankleidens empfiehlt er, Gott zu bitten, er möge mich bekleiden mit der Liebe.

Diesen Ratschlag finden wir auch in der Philothea. Franz von Sales misst der Vorbereitung auf den Tag eine sehr große Bedeutung bei. Und er empfiehlt, sich nicht nur zu überlegen, was mir an diesem Tag alles begegnen wird und was ich zu tun habe, sondern er rät dazu, sich genau zu überlegen, was ich mir zurecht legen kann, um das alles gut zu machen. Denn alles, was an diesem Tag geschehen wird, ist eine Gelegenheit, in der ich Gott begegnen und ihm dienen kann.

Sie kennen vielleicht den immer wieder zitierten Rat des hl. Franz von Sales: Nimm Dir jeden Tag eine halbe Stunde Zeit für die Betrachtung, und wenn Du viel zu tun hast, dann nimm Dir eine ganze Stunde Zeit. Ich denke, wir können daran ablesen, wie wichtig ihm das Verweilen bei Gott, das Hören auf Gottes Wort war. Dennoch glaube ich, geht es dabei nicht um ein Abmessen der abgeleisteten Minuten und Stunden. Sondern es geht einfach darum, sich bewusst im Alltag Zeit zu nehmen, um mich auf das Wort Gottes einzulassen und dieses Wort mit in meinen Alltag zu nehmen. So empfiehlt Franz von Sales z.B. auch sich einen in der Betrachtung wichtig gewordenen Satz in den Tag mitzunehmen. Dies nennt Franz von Sales den „geistlichen Blumenstrauß“.

Die Eucharistie bezeichnete Franz von Sales als die „Sonne des geistlichen Lebens“ – und er rät zum – wenn möglich – täglichen Besuch der Eucharistiefeier. Wichtig dabei ist ihm, sich auch hier (wie bei jedem Gebet, das wir sprechen), sich der Gegenwart Gottes bewusst zu werden und die einzelnen Schritte im Ablauf der hl. Messe innerlich mit zu vollziehen. Damit will er vermeiden, dass die tägliche Eucharistiefeier zur stereotypen Routine gerät.

Franz von Sales hat die Menschen ermutigt, häufig die Kommunion zu empfangen und damit die Vereinigung mit Gott in der dichtest möglichen Weise zu vollziehen. Er legt Wert auf eine gute Vorbereitung, er möchte also nicht, dass täglicher Kommunionempfang zum gedankenlosen und herzlosen Kommunionempfang wird. Aber er zerstreut auch Ängste, wir seien nicht würdig genug, Gott auf diese Weise zu begegnen.

Den Ordensleuten – für die das Direktorium zunächst ja geschrieben wurde – legt Franz von Sales ans Herz, sich auch beim kirchlichen Stundengebet in die Gegenwart Gottes zu versetzen. Ob nun beim Stundengebet oder bei anderen mündlichen Gebetsformen - Franz von Sales geht es immer wieder darum, nicht einfach einen Text zu lesen, wie einen Roman oder Krimi, sondern auch das mündliche Gebet bewusst in der Gegenwart Gottes zu vollziehen.

Diesen Ratschlag kann man zusammenfassen mit dem Begriff der „Guten Meinung“. Franz von Sales sagt immer wieder: Jede Tätigkeit – egal ob das Schälen von Kartoffeln oder das frömmste Gebet, ob das Verfassen von Schriftstücken oder das Schneeschaufeln kann ich zur Ehre Gottes und in seinem Namen tun. Das sind also ganz kleine und unscheinbare Dinge, die aber ihren Wert aus der Liebe gewinnen, mit der ich sie tue. Und er sagt auch: alles, was mir an einem Tag begegnet und widerfährt darf ich aus Gottes Hand annehmen. Ich denke, dieser Punkt bereitet uns oft die massiveren Schwierigkeiten, denn nicht alles, was geschieht, kann ich sofort mit der Liebe Gottes in Verbindung bringen. Wesentlich bei den Widrigkeiten des Alltags, so denke ich jedenfalls, ist das Bemühen, nicht sofort zu urteilen: „Das ist jetzt eindeutig schlecht für mich und die anderen, was hier geschieht.“ Franz von Sales weiß aber auch, dass dieses Annehmen all dieser Widrigkeiten einiges kostet. Und er sagt auch immer wieder: Sucht euch nicht noch Kreuze dazu. Die Kreuze genügen, die in deinem Alltag ohnehin auf Dich zukommen.

Den Ratschlag vom Schweigen können wir zunächst durchaus auf dem Hintergrund des Ordens der Heimsuchung verstehen. Aber ich denke, es geht Franz von Sales dabei um eine hörende Haltung. Also offen sein und hören auf das Wirken Gottes und die Begegnung mit Gott in unserem Alltag.

Ich darf auch meinem Leib Gutes tun, auch das ist Gottes Wille. Auch hier möchte er, dass wir diese Dinge bewusst und in der Gegenwart Gottes tun. Vielleicht ist gerade hier auch ein Hinweis zu lesen, dem Alltagsstress ein wenig entgegenzuwirken. Ob ich schnell das belegte Brot aus der Tüte ziehe und neben meiner Arbeit verschlinge, oder ob ich bewusst eine kleine Stärkung einnehme, kann ein Unterschied sein. Ebenso, ob ich zu meiner Freizeitbeschäftigung rase, sie schnell absolviere, ohne zu bemerken, wer da um mich herum noch seine Bahnen im Schwimmbad zieht – oder ob ich mir bewusst Zeit nehme und auch die Menschen um mich herum wahrnehme, auch das mag einen Unterschied ausmachen, der letztlich mir selbst gut tun kann.

Unser Leben läuft nicht glatt ab. Immer wieder geschieht es, dass ich schuldig werde an mir selbst, an Mitmenschen, an Gott. Franz von Sales Sichtweise ist eine sehr schöne: Unsere Unvollkommenheit, sagt er, ist der Thron der Barmherzigkeit Gottes. Und er wirbt oft dafür, sich die Vergebung Gottes schenken zu lassen. Er hat in der Philothea die wöchentliche Beichte empfohlen. Wahrscheinlich ist für viele von uns diese Häufigkeit eher fremd. Ich denke, Franz von Sales geht es jedenfalls darum, die Beichte nicht als lästiges Übel sondern als Geschenk Gottes an uns zu sehen, und empfiehlt daher die regelmäßige Übung. Aber nicht nur das Sakrament der Beichte legt Franz von Sales uns ans Herz – er empfiehlt uns auch, einen geistlichen Begleiter zu wählen, dem man sich auf dem persönlichen geistlichen Weg anvertrauen kann. Wichtig dabei ist ihm, dass der Begleiter klug ist. Und er rät, Gott um einen solchen zu bitten.

Am Ende jeden Tages empfiehlt uns Franz von Sales einen Rückblick auf den Tag zu halten. Den Tag mit den liebenden Auges Gottes zu sehen, zu danken für das Gute und seine Verzeihung zu erbitten für das, was nicht gelungen ist. Franz von Sales hält dies für eine wertvolle Übung, um aufmerksam zu werden für das Wirken Gottes in meinem Leben und für die bewusste Ausrichtung auf ihn hin. So wie ich den Tag aus der Hand Gottes empfange, lege ich ihn zurück in seine Hand.

Die Nacht ist für Franz von Sales eine Gelegenheit, sich daran zu erinnern, dass unser Leben vergänglich ist. Geschieht es, dass wir nachts aufwachen, und nicht mehr schlafen können, empfiehlt er außerdem, die Nacht wie den Advent – das große Warten auf die Ankunft Gottes – zu erleben und sich zu erinnern, dass Gott uns die Wachsamkeit für diesen Tag seiner Ankunft ans Herz legt.


5.  Nicht Zwang sondern Wegweisung

Bei all diesen Ratschlägen und Empfehlungen liegt es Franz von Sales sehr am Herzen, dass es dabei nicht um Zwang und Reglementierung geht. Es sind keine fest zementierten Mauern, innerhalb derer wir uns zu bewegen haben, sondern es sind Wegweiser, Richtungsweiser und hilfreiche Möglichkeiten. So möchte ich mit einem Zitat des hl. Franz von Sales schließen, das er an André Frémyot schreibt. Ihm hat er auf dessen Wunsch eine ähnliche Lebensregel gegeben:

„Ich weiß aber aus eigener Erfahrung, dass man sich den Notwendigkeiten der Zeit, des Ortes, des Anlasses und unserer Aufgaben anpassen muss. Ich gestehe Ihnen, dass ich keine Bedenken habe, von meiner Lebensordnung abzuweichen, wenn mich der Dienst meiner Herde festhält; denn dann muss die Liebe stärker sein als unsere eigenen Neigungen, so gut sie unsere Eigenliebe uns auch erscheinen lässt. Als ich diese Schrift verfasste, die ich Ihnen sende, war meine Absicht nicht, mich einzuengen, sondern vielmehr, mir eine Ordnung zu geben, ohne mich zu irgendwelchen Gewissensskrupeln zu verpflichten, denn Gott hat mir die Gnade verliehen, die hochheilige Freiheit des Geistes ebenso zu lieben wie die Zügellosigkeit und Leichtfertigkeit zu hassen.“ (DASal 12,22)

Monika Rauh


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