"Das Fest der Kleinigkeiten" (Lk 2,1-14)
Liebe Schwestern und Brüder,
es ist Weihnachten, es ist der Heilige Abend, die Zeit der Bescherung liegt hinter uns. Wir sind hoffentlich alle genau in jener Stimmung, die wir und eigentlich die ganze Welt mit Weihnachten verbinden. Ein wenig Romantik und Idylle, Stille Nacht – Heilige Nacht. Ich denke, es ist nun wieder Zeit für eine kleine Weihnachtsgeschichte – diesmal eine echte, selbsterlebte und eine, die bei uns ganz in der Nähe spielte.
Vor einer Woche, am 3. Adventsonntag, saß ich am Nachmittag gemütlich in meinem Büro, nicht um zu arbeiten, sondern um endlich meine persönliche Weihnachtspost zu erledigen. Als Ordensmann ohne Familie kann ich mir diesen Luxus leisten. Also ich so dahinschreibe, läutet das Telefon. Wer um alles in der Welt kommt denn da auf die Idee, am Sonntag Nachmittag in einer Firma anzurufen? Denke ich. Vielleicht ein Mitbruder oder Bekannter, der weiß, dass ich manchmal auch außerhalb der Geschäftszeiten im Büro bin. Ich wittere also ein Geschäft, eine große Weihnachts-Buchbestellung und hebe ab. „Franz Sales Verlag – Grüß Gott!“ –
„He, hast du die Telefonnummer der Frau Soundso?“ – höre ich auf der anderen Seite der Leitung, und weiß momentan nicht, was ich sagen soll.
„Weißt du sie oder weißt du sie nicht?“
Ich erkenne die Stimme eines Kindes und frage: „Weißt Du, wo die Frau wohnt, dann kann ich nämlich im Telefonbuch nachschauen, vielleicht finde ich dann die Nummer.“
Das Kind nennt einen Ort aus der Eichstätter Umgebung und ich bin froh, dass ich im Büro bin und das entsprechende Telefonbuch griffbereit habe. Ich sehe nach und tatsächlich entdecke ich die Nummer.
„Ja, ich hab die Nummer gefunden.“ Sage ich dem Kind, und das Kind ist spürbar erleichtert.
„Kannst du schon schreiben“, frage ich –
„Natürlich!“ sagt das Kind etwas ärgerlich, „ich bin doch schon fast sieben und hab’ das Schreiben schon im Kindergarten gelernt!“
„Mensch“, antworte ich, „dann haben wir ja keine Probleme. Also schreib auf ... Und ich gebe die Nummer durch.
„Nein!“ protestiert da das Kind. „Das ist ja die Nummer von mir Zuhause! Ich will die Nummer meiner Mutter haben!“
Jetzt kenne ich mich überhaupt nicht mehr aus.
„Heißt das,“ frage ich nach, „dass die Frau, die du anrufen willst, deine Mutter ist?“
„Ja!“ – sagt das Kind, so als wäre das ohnehin völlig klar.
Ich frage weiter: „Und du bist jetzt Zuhause und deine Mutter ist nicht da und du möchtest sie anrufen.“
„Ja!“ – bestätigt das Kind wieder.
Und dann begreife ich: „Das heißt, deine Mutter hat ein Handy und du weißt die Handynummer nicht.“
„Ja!“ – sagt das Kind wieder. „Weißt du die Nummer?“
„Leider nein,“ muss ich zugeben. „Die Handy-Nummer deiner Mutter steht bei mir nicht im Telefonbuch. Aber warum ist deine Mutter nicht zuhause?“
„Das weiß ich nicht,“ sagt das Kind. „Ich war bei einer Kinderfeier, bin nach Hause gekommen und niemand war da.“
„Und wie bist du dann überhaupt ins Haus gekommen?“
„Ich weiß, wo der Schlüssel versteckt ist.“
„Aha,“ sage ich und überlege, was ich jetzt weitermachen soll.
Da sagt das Kind: „Weißt du die Telefonnummer von Bremen?“
„Wie kommst du auf Bremen?“ frage ich nach.
„Dort sind wir manchmal auf Besuch, vielleicht ist meine Mutter dort?“
„Nein, sage ich, von Bremen habe ich keine Telefonnummer, aber ich glaub auch nicht, dass deine Mutter dort ist. Das ist zu weit weg. Kennst du denn niemanden in der Nähe.“
„Ja,“ sagt das Kind. „die Oma, dort sind wir auch öfters.“
Ich bin erleichtert und frage nach dem Namen der Oma. Jetzt hoffe ich nur noch, dass ich auch die Telefonnummer finde. Und glücklicherweise finde ich sie wirklich im Telefonbuch.
Ich gebe sie dem Kind durch. Um sicher zu gehen, dass es auch wirklich alles richtig geschrieben hat, lasse ich mir die Nummer wiederholen.
„Sehr gut!“ – „und jetzt rufst du einmal bei deiner Oma an. Und ich werde dich in einer Viertel Stunde wieder anrufen und nachprüfen, ob alles geklappt hat. – Ok?“
„Ja, OK, Tschüss“ –
Das Kind hat aufgelegt. Als ich eine Viertel Stunde später anrufe, war alles klar. Die Oma ist bereits unterwegs. Ich konnte also beruhigt wieder an meiner Weihnachtspost weiterschreiben.
Worauf kommt es an, wenn wir Weihnachten feiern – ja, worauf kommt es in unserem Glauben überhaupt an, die wir als Christen davon überzeugt sind, dass Gott Mensch geworden ist? Ich glaube, es kommt auf die Kleinigkeiten an. Auf die ganz alltäglichen Wunder, die uns zeigen, dass Gott wirklich und spürbar unter uns wohnt. Im Prinzip ist es überhaupt nicht schwer, Christ zu sein – oder es ist deshalb so schwer, weil wir die Kleinigkeiten nicht beachten. Franz von Sales meint: „Die Möglichkeit, christliche Heldentaten zu vollbringen, sind eher selten. Aber gewöhnliche Gelegenheiten, seinen Glauben zu leben, begegnen uns täglich sehr viele. Und darauf kommt es an: Nicht dass wir Außergewöhnliches leisten, sondern dass wir das Gewöhnliche außergewöhnlich gut tun.“
Die Betrachtung des göttlichen Kindes – dieses Kind im Stall – verhalf Franz von Sales zu dieser Sichtweise: „Ich weiß gar nicht, was ich von diesem göttlichen Kind sagen sollte, denn es spricht kein Wort; sein Herz, so voll von Liebe, gibt sich nur in Wimmern, Tränen und lieben Blicken kund. Mein Gott, welch große Dinge sagt mir dieses Schweigen!“ Auf die Kleinigkeiten kommt es an, das ist die Botschaft von Weihnachten. Amen.
Herbert Winklehner OSFS
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