Die Kongregation Unserer Lieben Frau von der Heimsuchung von Gent (Belgischer Originaltitel: Congregatie Onze-Lieve-Vrouw-Visitatie van Gent), kurz Heimsuchung von Gent genannt, ist eine Ordensgemeinschaft bischöflichen Rechtes innerhalb der katholischen Kirche. Sie wurde 1682 gegründet und widmet sich vor allem der Erziehung von Mädchen und der Altenpflege.
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Der Ursprung der Kongregation der Heimsuchung von Gent geht zurück auf das Jahr 1665, als der „Schwarze Tod“ in der Region Flamen wütete. Damals arbeiteten drei Frauen im „Pesthaus“ von Gent und sehnten sich nach einem gemeinsamen religiösen Leben. 1669 begannen dann die beiden anderen Frauen die Leiterin des Pesthauses, Marie Vanden Bossche, als „Oberin“ ihrer „Familie“ zu nennen. Sie starb 1671. In der Zwischenzeit hatten sich aber schon weitere Frauen angeschlossen. Darunter war auch Isabella Stoop. Sie ernannte man zur Nachfolgerin der verstorbenen Bossche.
Wahrscheinlich wurde die kleine Gruppe von Anfang an von Ignace Gillemans (+ 1674), einem diözesanen Archediakon und Rektor des Pesthauses, geistlich betreut. Dieser entwarf und schrieb jedenfalls der kirchlichen Tradition gemäß ein erstes Regelwerk für die Gruppe. Diese erste Regel machte die Frauen auch bekannt mit der Spiritualität des heiligen Franz von Sales, der in dieser Zeit (1665) gerade heilig gesprochen wurde. Das Lesen von Leben und Werk des heiligen Franz von Sales wird nämlich in dieser ersten Regel wärmstens empfohlen.
Die Mitglieder fassten dann die wesentlichen Grundzüge ihre Lebensweise in einem Dokument zusammen, das die Gemeinschaft am 30. April 1682 notariell beglaubigen ließen. Dieses Datum gilt seither als offizielles Gründungsdatum der Gemeinschaft.
Nach der Pestzeit widmeten sich die Frauen der Erziehung von Kindern, besonders der Kinder der Armen. 1707 entstand dann das sogenannte „Buch der Verträge“, in dem Isabella Stoop noch einmal das Wesentliche der Lebensweise der Frauen zusammenfasste. Jede Schwester war eingeladen, in dieses Buch freiwillig ihre Unterschrift zu setzen. Dadurch verpflichtete sie sich, solange ganz im Sinne der Gemeinschaft zu arbeiten, solange sie in der Gemeinschaft bleiben möchte. Diese freiwillige Verpflichtung wurde bis 1835 treu befolgt.
Den größten Teil des 18. Jahrhunderts lebte die Gemeinschaft in Brabantdam in der „Saletschole“, also der „Salesschule“, benannt nach dem heiligen Franz von Sales. Die Gemeinschaft zog wahrscheinlich nach dem Tod von Isabella Stoop dorthin. In dieser „Saletschole“ betreuten und unterrichteten sie etwa 40 Mädchen, die dort auch wohnten. In den Räumen einer ehemaligen Brauerei unterrichteten sie noch einmal etwa 50 Kinder, die aus armen Verhältnissen kamen. 1798 wurde der gesamte Besitz der Gemeinschaft von der französischen Regierung beschlagnahmt. Innerhalb von 24 Stunden mussten sie ihre Häuser und ihre Schule verlassen. Die Gebäude wurden zu Privathäusern umfunktioniert. Völlig mittellos fanden die Frauen dann ein neues Heim in der „Großen Beguinage“ („Bürgerliches Hospiz Nr. 2“).
1805 erreichte sie dann die Bitte des Stadtrates von Gent und des Generalvikars Maximiliaan Demeulenaere, der seit 1780 ihr geistlicher Begleiter war. Sie baten die Schwestern, Ordnung in das sehr vernachlässigte und wenig attraktive städtische Waisenhaus der „Traurigen Mädchen“ in der Onderstraat zu bringen (der Generalvikar war der Leiter dieses Waisenhauses!).
In den Dokumenten, in denen diese Angelegenheit verhandelt wurde, nannte man die Gemeinschaft erstmals offiziell „Töchter der Heimsuchung Mariens des hl. Franz von Sales“. Die Gemeinschaft entsprach schließlich der Bitte von Gent und übersiedelte in das Waisenhaus. Nur wenige Schwestern erhielten von der Stadt eine sehr bescheidene Entlohnung, der Rest der Schwestern musste für ihren Aufenthalt sogar bezahlen.
Von dieser Zeit an lebten die Frauen wie Nonnen in einer Gemeinschaft, in der allerdings nicht mehr als dreißig Schwestern leben durften. Es gab jedoch noch keine „echten Gelübde“. Deshalb war es ihnen in Gent auch nicht erlaubt, weitere Gemeinschaften zu gründen. Sie hielten sich in ihrer Regel an die Evangelischen Räte und nannten sich „geistliche Töchter“. Sie sprachen jedoch nie von einem Konvent oder einer Kongregation, sondern immer nur von einer „Familie“, „Gemeinschaft“ oder „Vereinigung“.
1830 wurde Belgien unabhängig und ein blühendes religiöses Leben begann. 1832 kauften die Schwestern mit geborgtem Geld ein Herrenhaus gleich neben dem Waisenhaus. Heute ist dieses Haus das Kloster in der Onderstraat. Hier konnten sie nun mit einer eigenen Schule beginnen.
1835 wurde Henri Bracq, ein junger Lehrer im Priesterseminar, zum Geistlichen Leiter der Gemeinschaft ernannt. Er wandelte die Gemeinschaft in eine Kongregation bischöflichen Rechtes um. Er nahm dabei auf den besonderen Charakter der Gemeinschaft Rücksicht, der ihr durch die schon über hundert Jahre alte Tradition eingeprägt war. Er schrieb neue Satzungen und Regeln, die so weit als möglich jenen ähnelten, die der heilige Franz von Sales seiner Ordensgemeinschaft der Heimsuchung Mariens gegeben hatte, die er 1610 zusammen mit der heiligen Johanna Franziska von Chantal in Annecy, Frankreich, gründete.
Mit dieser Umwandlung zu einer Kongregation bischöflichen Rechtes, festgeschrieben in der so genannten „Heiligen Regel“ des Jahres 1836, wurden auch die Ewigen Gelübde eingeführt. Die Schwestern mussten einen eigenen Ordensnamen annehmen. Hinzu kam eine strengere Klausur, vorgeschriebene Tage der Besinnung und jährliche Exerzitien. Schule und Erziehung wurden zum einzigen Apostolat der Kongregation. Die Zahl der Schwestern war nun aber nicht mehr länger auf 30 begrenzt. Weitere Gemeinschaften durften gegründet werden.
Henri Bracq wurde unter den Schwestern sehr geschätzt. Er half ihnen auch bei deren Erziehungsauftrag. Er gab nützliche Ratschläge, unterrichtete sie in Pädagogik und versorgte die Schwestern mit passenden Lehrbüchern.
Ende 1864 erlitten dann die Schwestern einen doppelten Verlust: Der liberale Stadtrat schloss das Waisenhaus der „Traurigen Mädchen“ und Henri Bracq wurde Bischof von Gent.
Die nachfolgenden Geistlichen Leiter setzten allerdings ihr Amt ganz im Sinne Henri Bracqs fort. Die so genannte „Heilige Regel“ diente bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts als Grundlage zur Ausbildung der Schwestern. Sie trug sehr viel zur Vertiefung der salesianischen Spiritualität in der Gemeinschaft bei, ebenso wie das „Geistliche Direktorium“ des hl. Franz von Sales. Dennoch ist die „Kongregation der Heimsuchung von Gent“ kein Zweig der Ordensgemeinschaft der Heimsuchung Mariens. Diese bezeichnen aber die Genter Schwestern als wahre „Töchter des hl. Franz von Sales und der hl. Johanna Franziska von Chantal“. Die Heimsuchung von Gent ist demnach zur salesianischen Familie zu zählen.
Auf seinen bischöflichen Visitationen stieß Bischof Bracq auf eine neue Not. 1872 bat er daher die Schwestern der Heimsuchung von Gent, ein Heim für alte Menschen zu eröffnen. Damit begann in der Kongregation ein neues Apostolat: die Sorge um die Alten.
Die Zahl der Schwestern nahm zu, ebenso die Zahl der Gründungen, besonders während der für Schulen sehr schwierigen Zeit nach 1879. Zunächst blieb die Heimsuchung von Gent in ihrer eigenen Diözese, später wurden sie aber auch in andere Diözesen gesandt und 1889 wurde das erste Kloster in England gegründet.
Als Antwort auf den Aufruf von Papst Pius XII. in seiner Enzyklika „Fidei Donum“ im Jahre 1957 gründete die Heimsuchung von Gent ihre erste Missionsstation in Ruanda. 1981 begann die Belgische Kongregation auf Bitte von Bischof Vincent, dem Erzbischof von Kigali, mit der Ausbildung junger Frauen für eine eigenständige afrikanische Kongregation der Heimsuchung von Gent.
Die Heimsuchung von Gent passte nun genau zu jenem Bild, das Papst Johannes XXIII. für Ordensgemeinschaften entwarf, die der Kirche in dreifacher Weise dienen sollten, nämlich pastoral (Kindererziehung, Altenpflege), ökumenisch (besonders in England) und missionarisch (besonders in Ruanda).
1965: Die Schwestern erhielten ein „neues Aussehen“: Kleid und Mantel ersetzen den langen Habit und den Umhang.
1968: Als Folge des Zweiten Vatikanischen Konzils hielt die Kongregation ihr erstes Generalkapitel ab. Dort wurden neue Satzungen und Regeln erarbeitet, die auf den Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils aufbauten. Die Schwestern dürfen von nun an wieder ihren Taufnamen und Familiennamen behalten.
1978: Ein weiteres Generalkapitel setzte sich mit der Spiritualität des hl. Franz von Sales auseinander. Als Ergebnis wurden einige Anthologien (in Niederländisch) aus dem Gesamtwerk des Heiligen an die Schwestern erarbeitet und weitergegeben. Der Hauptzweck dieser Aktion war es, die salesianische Spiritualität unter den Schwestern wieder besser bekannt zu machen und zu vertiefen.
Die Satzungen aus dem Jahre 1991 wurden dann an das neue Kirchenrecht angepasst, das 1983 erschien.
Die belgische Kongregation der Heimsuchung von Gent besteht derzeit aus etwa 80 Schwestern. Diese leben in Belgien in vier Gemeinschaften. Eine Schwester unterstützt weiterhin die neu gegründete Kongregation der Heimsuchung von Gent in Ruanda. Die meisten Schwestern aus England kamen nach Belgien zurück, zwei von ihnen bekamen die Erlaubnis, zu bleiben.
Einige Schwestern sind Mitglieder eines diözesanen Beraterkreises (Erziehung / Altenpflege), einige helfen in Pfarrgemeinden (Sekretariat, Liturgie, kirchliche Sozialarbeit für Kranke …). Einige Schwestern unterstützen die ambulante Altenpflege, andere sind Wallfahrtshelferinnen in Banneux, Oostakker (Gent) und Kerselare (Oudenaarde) und helfen dort in der Liturgie, beim Empfang der Pilger und in der Krankenstation. Eine Schwester ist Assistentin in „Poverello“ (eine caritative Einrichtung für Arme und an den Rand Gedrängte). In der Urlaubszeit helfen einige Schwestern mit, Touristen in den Genter Kirchen zu betreuen.
Inspiriert vom Geheimnis der Heimsuchung im Geist des heiligen Franz von Sales aktualisiert die Heimsuchung von Gent ihre Sendung in der Kirche immer wieder neu. Die Gründerinnen damals hatten wahrscheinlich nie daran gedacht, dass ihre „Familie“ mehr als drei Jahrhunderte später immer noch existieren würde. Diese Aussage aus dem Psalm 131 passte sehr gut zur Heimsuchung von Gent:
"Herr, mein Herz ist nicht stolz,
nicht hochmütig blicken meine Augen.
Ich gehe nicht um mit Dingen,
die mir zu wunderbar und zu hoch sind."
1682 brachten die Schwestern ihren Wunsch zum Ausdruck, dass sie mit klarem und selbstlosem Geist für arme Kinder dasein wollen.
Die Zukunft gehört Gott und die Geschichte als „Lehrerin des Lebens“ lehrt uns, dass das Leben manchmal ganz überraschende Wendungen bereithält. Die Kongregation der Heimsuchung von Gent in Afrika wächst: ein neuer Zweig beginnt auf einem alten Stamm zu erblühen.
"Geborgen im Heiligsten Herzen unseres Erlösers,
mit der Freude des Magnificats,
vereint in der Spiritualität des heiligen Franz von Sales
gehen wir in Treue unseren Weg in Richtung vollkommene Liebe."
Herbert Winklehner OSFS mit freundlicher Unterstützung von Sr. Lucy Boddaert, Archivarin der Heimsuchung von Gent
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