Der Strauß fliegt nie; die Hühner können wohl fliegen, aber nur schwerfällig, selten und nicht hoch; der Adler aber, die Tauben und Schwalben fliegen oft, mit Leichtigkeit und erheben sich hoch in die Lüfte. So schwingt sich auch der Sünder nie zu Göttlichem auf; er lebt nur auf der Erde und für die Erde. Gute Menschen erheben sich, ehe sie die Frömmigkeit erreicht haben, wohl zu Gott durch gute Handlungen, aber selten, langsam und schwerfällig. Fromme Menschen dagegen schwingen sich zu stolzen Höhen empor, sie tun es gern, häufig und schnell. Mit einem Wort: Frömmigkeit ist nichts anderes als Gewandtheit und Lebendigkeit im geistlichen Leben. (DASal 1, Seite 34)
Kommentiert: Frömmigkeit ist Lebendigkeit im geistlichen Leben
Kühn und mächtig erhebt sich der Adler in die Luft, seine Sehkraft jedoch übertrifft noch bei weitem die Schwungkraft seiner Fittiche. Sein Blick reicht weit über seine Flügel hinaus. So hat auch unser Herz, von Natur aus zu Gott hingeneigt, weit mehr Klarheit im Verstand, um ihn als höchst liebenswürdig zu erkennen, als Kraft im Willen, ihn zu lieben; denn die Sünde hat viel mehr den Willen geschwächt, als sie den Verstand verfinstert hat. (DASal 3, Seite 92)
Kommentiert: Der Geist ist willig, das Fleisch aber schwach.
Theotimus, in jedem von uns sind hier zwei Menschen dargestellt und folglich auch zwei Leben, das eine des "alten Menschen", ein altes Leben, wie man es vom altgewordenen Adler erzählt, der seine Schwingen nachschleppt und sich nicht mehr zum Flug erheben kann, - und dann das andere Leben des "neuen Menschen" (Röm 6,6), auch ein neues Leben, wie das des Adlers, der sich seiner alten Schwingen entledigt und sie ins Meer hinabgeschüttelt hat, neue empfangen und sich jetzt verjüngt mit neuer Kraft zum Höhenflug aufschwingt (Ps 102,5). (DASal 4, Seite 53)
Kommentiert: Der Neubeginn wohnt uns bereits inne
Auf der Insel Sestos hatte (nach Plinius H.n. 10,5) ein Mädchen einen jungen Adler mit liebender Sorge aufgezogen, wie es Kinder zu tun pflegen. Der Adler wurde größer, begann zu fliegen und, seinem natürlichen Instinkt nach, Vögel zu jagen. Als er größer geworden war, stürzte er sich auf wilde Tiere und brachte immer treu seine Beute der jungen Herrin, gleichsam zum Dank für die Nahrung, die sie ihm früher gegeben. Nun starb das Mädchen eines Tages, während der Adler auf der Jagd war, und sein Leichnam wurde, dem damaligen Landesbrauch gemäß, auf einen Scheiterhaufen gelegt, um öffentlich verbrannt zu werden. Als aber die Flammen ihn zu erfassen begannen, kam der Adler mit mächtigem Flügelschlag herangeflogen und ließ, da er dieses unerwartete und traurige Schauspiel sah, seine Beute fallen, warf sich voll Trauer auf seine geliebte Herrin und bedeckte sie mit seinen Schwingen, um sie vor dem Feuer zu schützen oder sie mitleidig zu umfangen. Er verharrte so standhaft und unbeweglich und starb mutig in den Flammen; die Glut seiner Liebe sollte den Flammen und Gluten des Feuers nicht nachstehen. So ward er ein Opfer seiner tapferen und wunderbaren Liebe, wie seine Herrin ein Opfer des Todes und der Flammen war. (DASal 4, Seite 56)
Kommentiert: Gottes Liebe ist stark bis in den Tod.
Die Schriftsteller, die über die Natur der Tiere geschrieben haben, sagen, der Adler habe einen so scharfen Schnabel und er wachse so stark, dass er ihn hindert, seine Nahrung aufzunehmen. Sie versichern, dass er nie stirbt, außer weil sein Schnabel zu lang und zu krumm ist. So, scheint mir, machen es manche, die nur einen zu lebhaften Geist aber nicht genügend Urteilsfähigkeit haben; sie wollen trotzdem alles wissen, alles kritisieren, vor allem theologische Fragen; denn die Theologie ist das einzige, sagt der hl. Hieronymus, worin jeder sich einmischen will. Die Spitze ihres Geistes ist zu lang, daher können sie die Nahrung des Glaubens nicht aufnehmen, wie es sich gehört. (DASal 9, Seite 30)
Kommentiert: Theologische Spitzfindigkeiten
Thema: Eitelkeit, Hochherzigkeit
Ich pflege zu sagen, dass zwischen einem schönen und einem gediegenen Geist der gleiche Unterschied besteht wie zwischen dem Pfau und dem Adler. Wie jeder weiß, ist der Pfau ein schöner Vogel und hat schöne Federn, aber er ist sehr eitel und stolz. Er macht ein Rad und spreizt sein Gefieder; was aber sind seine Werke? Er gibt sich nur mit Albernheiten ab; er nährt sich von Fliegen und Mücken; deshalb füttert ihn der Bauer nicht, da er außerdem unnütz in seinem Haus ist. Er verursacht Schaden, denn er steigt auf das Dach und deckt es ab, um Spinnen zu suchen. Die Adler dagegen, die kein so schönes Gefieder haben und nicht dieses schöne Äußere, verrichten trotzdem edlere Werke. Man sieht sie fast nie auf der Erde, sie schwingen sich vielmehr stets in die Lüfte. So sagen die Naturforscher, dass der Adler der König der Vögel ist, nicht wegen seiner Schönheit, sondern wegen seiner Hochherzigkeit. Ebenso verhält es sich mit einem schönen und einem gediegenen Geist. Der eine ist eitel; er beschäftigt sich nur mit eitlen Vorstellungen, und so wenig er tut, bläht er sich doch großartig auf. Ein gediegener Geist dagegen vollbringt gute und gediegene Werke; er bläht sich deswegen nicht auf, sondern wird demütiger und bescheidener. (DASal 9, Seite 355)
Kommentiert: Gutes tun aus Hochherzigkeit, nicht aus Eitelkeit.