Die Blätter eines Baumes haben an sich keinen besonderen Wert; trotzdem tragen sie nicht nur zur Schönheit des Baumes bei, sondern schützen auch die Früchte, solange diese noch zart sind. So ist auch der gute Ruf an sich nichts besonders Begehrenswertes, aber er ist doch sehr nützlich, nicht nur als Zierde unseres Lebens, sondern weil er auch unsere Tugenden schützt, besonders wenn sie noch zart und schwach sind. Die Verpflichtung, unseren Ruf zu wahren und das zu sein, wofür man uns hält, übt auf ein hochherziges Gemüt einen mächtigen, wenngleich milden Zwang aus. (DASal 1, Seite 126)
Kommentiert: Das Achten auf den guten Ruf dient gleichzeitig dem Schutz der Tugenden
Thema: Urteil, Tugenden, Anerkennung
Der gute Ruf ist nur ein Wahrzeichen, das anzeigt, wo die Tugend wohnt; die Tugend selbst muss ihm in allem und überall vorgezogen werden. Wenn man also sagt, du seist ein Heuchler, weil du fromm sein willst, wenn man dich für feige hält, weil du Beleidigungen verzeihst, so lache darüber! Denn erstens werden solche Urteile von albernen und dummen Leuten gefällt, zweitens darf man nicht von der Tugend lassen, selbst wenn der gute Ruf verloren ginge; die Frucht ist doch den Blättern, das innere und geistige Gut den äußeren Gütern vorzuziehen. Wir müssen für unseren Ruf sorgen, dürfen ihn aber nicht vergöttern; gewiss sollen wir den Augen der Guten nicht missfallen, wir dürfen aber nicht darnach fragen, ob wir den Schlechten gefallen. (DASal 1, Seite 127)
Kommentiert: Die Tugenden üben, auch wenn man über uns lacht.
Erst wenn die Glut der Sonne die Blatthüllen sprengt, zeigt die Palme ihre Blüten und dann kommen auch schon die Früchte. Die gerechte Seele macht es nicht anders: Sie hält ihre Blüte, das heißt ihre Tugenden unter der Hülle der Demut verborgen, bis zum Tode. Dann aber sprengt der Heiland die Hülle, die Blüten öffnen sich, werden sichtbar und schon zeigen sich auch die Früchte. (DASal 2, Seite 296)
Kommentiert: Demut schützt die Tugenden
Alle tugendhaften Werke eines in der Freundschaft mit Gott lebenden Herzens sind Gott geweiht; denn wenn ein Herz sich selbst hingegeben hat, hat es damit nicht auch alles hingegeben, was von ihm abhängt? Wer den Baum ohne Vorbehalt gibt, gibt er nicht auch die Blätter, die Blüten und die Früchte? "Der Gerechte aber sprosst wie die Palme, gleich der Zeder vom Libanon wächst er empor. Eingepflanzt im Hause des Herrn werden sie aufsprießen in unseres Gottes Höfen" (Ps 91,13 f). Da der Gerechte eingepflanzt ist im Hause des Herrn, wachsen seine Blätter, seine Blüten und Früchte dort und sind dem Dienst seiner Majestät geweiht. Er ist "wie ein Baum an Wasserbächen gepflanzt, der zur rechten Zeit seine Frucht bringt; selbst sein Laub welkt nicht, und was auch immer er tut, es gedeiht" (Ps 1,3 f). Nicht nur Früchte der Liebe und die Blüten der Werke, die sie anordnet, sondern selbst das Laub der sittlichen und natürlichen Tugenden erhalten eine ganz eigene Güte von der Liebe des Herzens, die sie hervorbringt. (DASal 4, Seite 228)
Kommentiert: Wer sich hingibt schenkt sich selbst.
Thema: Vollkommenheitsstreben, Schwachheit
Gnädige Frau, Ihr Verlangen nach Vollkommenheit gleiche den Orangenbäumen an der Küste von Genua. Sie tragen fast das ganze Jahr hindurch Früchte, Blüten und Blätter zugleich. So soll auch Ihr Streben Früchte bringen in den vielen Gelegenheiten des Alltags; es muss aber auch stets neue und höhere Ziele ins Auge fassen: dies sind die Blüten des Baumes; den Blättern vergleichbar ist das häufige Bewusstsein der eigenen Schwäche, das unseren guten Werken und Wünschen immer Bestand gibt. (DASal 5, Seite 44)
Kommentiert: Um die eigene Schwachheit wissen gibt Bestand.
Gott spricht, wenn er wirkt, und er wirkt, indem er spricht (Ps 32,9; 148,5). Damit zeigt er uns, dass wir uns nicht damit begnügen dürfen, gut zu sprechen; vielmehr müssen wir unseren Vorsätzen die Wirkungen folgen lassen und unseren Worten die Taten, wenn wir ihm wohlgefällig sein wollen. Wie sein Wort Tat ist, ebenso will er, dass unserem Wort unverzüglich die Tat folgt und unserem guten Vorsatz die Ausführung. Wenn man deshalb im Altertum den guten Menschen vorstellen wollte, bediente man sich des Vergleichs mit einem Pfirsich, auf den man ein Blatt des Pfirsichbaums legte, weil der Pfirsich die Form eines Herzens hat und das Blatt des Pfirsichbaums die Form der Zunge. Damit drückte man aus, dass der gute, tugendhafte Mensch nicht nur eine Zunge hat, um viel Gutes zu sagen; da diese Zunge auf seinem Herzen liegt, spricht er vielmehr nur, insofern sein Herz es will. Das heißt: er sagt nur Worte, die zuerst aus seinem Herzen hervorgehen, das ihn zugleich zur Ausführung und zur Verwirklichung seiner Worte führt. Aus dem gleichen Grund hatten die vier Wesen (Ez 1,5-8) nicht nur Flügel, um zu fliegen, sondern unter ihnen auch Hände. Das soll zu verstehen geben, dass wir uns nicht damit begnügen dürfen, Flügel zu haben, um durch heilige Wünsche und Erwägungen zum Himmel zu fliegen, wenn wir nicht zugleich Hände haben, die uns zur Verwirklichung und Ausführung unserer Wünsche bringen. Es ist ja sicher, dass uns gute Vorsätze und heilige Entschlüsse allein nicht in das Paradies führen, wenn sie nicht von Wirkungen begleitet sind, die ihnen entsprechen. (DASal 9, Seite 301)
Kommentiert: Unsere Vorsätze in die Tat umsetzen
Das Kreuz gehört Jesus Christus an, die Verehrung des Kreuzes gehört zur Verehrung Jesu Christi; die Verehrung Jesu Christi heißt gerechterweise Latrie, die Verehrung des Kreuzes gehört zur Latrie, sie ist ein Blatt dieses großen Baumes, sie ist eine Feder dieses Adlers, der geradewegs zur Sonne der Gottheit strebt. (DASal 11, Seite 208)
Kommentiert: Verehren wir das Kreuz, verehren wir Jesus Christus.