Es wäre grober Undank und eine Beleidigung der göttlichen Majestät, wenn wir eine Einsprechung erhielten, uns daran freuten, aber die Zustimmung verweigerten. Das erweckte den Anschein, dass wir die Einsprechung gering schätzen. So geschah es der Braut des Hohen Liedes: obwohl die liebliche Stimme des Bräutigams ihr Herz mit Freude erfüllte, öffnete sie ihm nicht unter einem nichtssagenden Vorwand; darauf verließ sie der Bräutigam in berechtigtem Zorn (Hld 5,6). - Wollte ein Mädchen die Aufmerksamkeit eines jungen Mannes lange Zeit annehmen, schließlich aber seine Werbung abweisen und übergehen, dann hätte er mehr Grund zur Unzufriedenheit, als wären seine Aufmerksamkeiten niemals angenommen und begünstigt worden. (DASal 1, Seite 96)
Kommentiert: Gott wirbt um uns.
Eleazar suchte eine Braut für den Sohn seines Herrn Abraham, war aber sehr besorgt, ob er wohl eine so anmutige und schöne finden würde, wie er es wünschte. Aber dann fand er sie am Brunnen, sah, wie überaus schön und von welch vollendeter Liebenswürdigkeit sie war - und schließlich wurde sie ihm als Isaaks Braut zugesagt. Mit welch unvergleichlich freudigem Dank betete er da zu Gott und pries seine Güte (1.Mos 24). So strebt auch das Menschenherz durch seine natürliche Neigung auf seinen Gott hin, ohne aber recht zu wissen, wie er ist. Findet es ihn aber am Born des Glaubens und sieht ihn so gut, so schön, so lieb und gütig gegen alle, so bereit, sich als höchstes Gut allen hinzugeben, die es wollen, - o Gott, welche Freude, welch heiliges Verlangen, sich auf ewig im Geist mit dieser unvergleichlich liebenswürdigen Güte zu vereinigen! "Ich fand endlich, den ich suchte," spricht die ergriffene Seele, "und wie beglückt bin ich nun!" (Hl 3,4). (DASal 3, Seite 138)
Kommentiert: Unsere Sehnsucht nach Gott findet Erfüllung in der Vereinigung mit ihm.
Die Seele des Gerechten ist die Braut unseres Herrn. Weil aber eine Seele nur dann gerecht ist, wenn sie sich im Stande der heiligen Liebe befindet, so ist sie auch nur dann eine Braut des Herrn, wenn sie zuvor eingeführt wurde in jenes Gemach voll lieblichen Wohlgeruches, von dem im Hohen Lied die Rede ist (HL 1,3). Begeht nun eine Seele, der diese Ehre zuteil war, eine Sünde, so fällt sie in eine geistliche Ohnmacht. Und dieser Unfall kommt wirklich unvermutet. Denn wer könnte sich vorstellen, dass ein Geschöpf seinen Schöpfer, der zugleich sein allerhöchstes Gut ist, um so geringer Dinge willen, wie die Lockungen zur Sünde, verlassen will? Das setzt sogar den Himmel in Erstaunen; ja wäre Gott Leidenschaften unterworfen, so würde er darüber zusammenbrechen, wie er ja in seinem irdischen Leben am Kreuze starb, um uns loszukaufen. (DASal 3, Seite 168)
Kommentiert: Hat jemand Gott in seiner grenzenlosen Liebe erfahren, ist weiter zu sündigen schwer vorstellbar.
Thema: Herz, Gottesbeziehung, Schweigen
Es wird zwischen Gott und der Seele nicht anders als von Herz zu Herz gesprochen, durch eine für andere als die Sprechenden gar nicht mitteilbare Mitteilung. Die Sprache der Liebenden ist von so besonderer Eigenart, dass niemand sie versteht als diese selbst. "Ich schlafe," sagt die Braut im Hohenlied, "und mein Herz wacht; und da spricht mein Geliebter mit mir" (Hl 5,2). Wer hätte je erraten können, dass die Braut sich noch mit ihrem Bräutigam unterhielt, nachdem sie schon eingeschlafen war? Doch wo die Liebe herrscht, bedarf es nicht des Geräusches äußerer Worte, noch des Gebrauches der Sinne, um miteinander zu reden und einander zu hören. (DASal 3, Seite 272)
Kommentiert: Die Liebe zu Gott geschieht von Herz zu Herz und bedarf nicht immer vieler Worte.
Es gibt drei verschiedene Arten des Schauens im beschaulichen Gebet: 1. Zuweilen schauen wir nur auf eine der Vollkommenheiten Gottes, z. B. auf seine unendliche Güte, ohne an seine übrigen Vollkommenheiten und Attribute zu denken - ähnlich dem Bräutigam, der seinen Blick einfach nur auf der schönen Gesichtsfarbe seiner Braut ruhen lässt, dabei wohl ihr ganzes Antlitz ansieht, da ja die Gesichtsfarbe beinahe über alle einzelnen Teile desselben ausgebreitet ist, aber ihren Gesichtszügen, ihrer Anmut und allem anderen, was ihre Schönheit ausmacht, keine Aufmerksamkeit schenkt. Ebenso kommt es vor, dass unser Geist, wenn er die erhabene Güte der Gottheit betrachtet, wohl auch in ihr die Gerechtigkeit, die Weisheit, die Macht sieht, aber dennoch seine ganze Aufmerksamkeit nur der Güte zuwendet, auf welche der einfache Blick der Beschauung gerichtet ist. 2. Zuweilen wieder schauen wir aufmerksam auf mehrere der unendlichen Vollkommenheiten, die in Gott sind, aber mit einem einfachen, unterschiedslosen Blick. Es ist so, wie wenn jemand mit einem einzigen Blick seine reich geschmückte Braut vom Scheitel bis zur Sohle umfängt und wohl das Gesamtbild aufmerksam wahrnimmt, aber nicht die Einzelheiten. Er kann dann nicht sagen, welches Geschmeide und welches Kleid sie trägt, noch welche Haltung sie einnimmt und welchen Blick sie wirft, sondern einfach nur, dass alles an ihr schön und ansprechend ist. So überschaut man zuweilen mit einem einzigen einfachen Blick verschiedene Erhabenheiten und Vollkommenheiten Gottes zusammen; man wäre aber nicht imstande, darüber im einzelnen etwas auszusagen, sondern wüsste nur das Eine, dass alles vollkommen gut und schön ist. 3. Andere Male schauen wir weder auf mehrere noch auf eine einzige der göttlichen Vollkommenheiten, sondern bloß auf irgendeine göttliche Tat, ein göttliches Werk, dem wir unsere Aufmerksamkeit zuwenden. So z. B. blicken wir auf den Akt der Barmherzigkeit, durch welchen Gott die Sünden verzeiht, oder auf den Akt der Schöpfung, oder auf die Auferweckung des Lazarus, oder auf die Bekehrung des hl. Paulus. Wir gleichen da einem Bräutigam, der nicht die Augen, sondern nur die Lieblichkeit des Blickes sieht, den seine Braut auf ihn richtet, der nicht den Mund betrachtet, sondern die Anmut der Worte, die der Mund hervorbringt.. (DASal 3, Seite 287)
Kommentiert: Die verschiedenen Arten der Beschauung.
Alle diese Menschen sind gewöhnlich, wenn sie sich dem innerlichen Gebet hingeben, Störungen unterworfen. Denn wenn Gott ihnen die heilige Ruhe seiner Gegenwart schenkt, so verlassen sie sie freiwillig. um zu sehen, wie sie sich darin verhalten, und um zu prüfen, ob sie wohl Freude dabei empfinden. Sie grübeln unruhig darüber nach, um zu ergründen, ob ihre Stille wirklich still und ihre Ruhe wirklich ruhig ist. Anstatt ihren Willen in aller Ruhe damit zu beschäftigen, die Wonnen der göttlichen Gegenwart zu empfinden, gebrauchen sie ihren Verstand, um über die Empfindungen nachzudenken, die sie haben. Sie handeln wie eine Braut, die sich damit beschäftigt, den Ring zu betrachten, den sie bei der Trauung erhielt, ohne auf den Bräutigam zu schauen, der ihn ihr gegeben. So ist es ein großer Unterschied, Theotimus, ob wir uns mit Gott beschäftigen, der uns Freude verleiht, oder ob wir uns mit der Freude befassen, die Gott uns gibt. (DASal 3, Seite 298)
Kommentiert: In der Beschauung bei Gott verweilen – nicht zum Verstand zurückkehren.
Der glorreiche Vertraute Gottes sagt an dieser Stelle, dass die Kirche eine neue Stadt ist, geschmückt von Gott wie eine Braut für ihren Bräutigam. Denkt nun nach, meine Brüder, wie eine Braut beschaffen sein muss, wenn sie dem Wunsch und dem Verlangen ihres Bräutigams entsprechen soll. Wenn ihr Bräutigam sie nach seinem Willen gestaltete, ich glaube, er würde sie zur Schönsten und Tugendhaftesten machen, zur Gesündesten mit dem längsten Leben, das man sich vorstellen kann. Es gibt ja keine Liebe wie die des Bräutigams zur Braut, wenn auch im Verlauf der Ehe infolge unserer unglücklichen verderbten Natur der Wille sich ändert. Wie wäre doch diese Braut ausgestattet mit so vielen Vollkommenheiten, die ihr Bräutigam ihr wünschte! Überlegt also bitte, wie diese heilige Stadt beschaffen sein muss, die Gott selbst als Braut für sich ausgestattet hat. Sie muss ganz schön (HL 4,7) sein, sie muss ganz weise sein, vor allem aber muss sie von sehr langer Lebensdauer sein, wie man gewöhnlich von den Ehen wünscht, dass sie von langer Dauer sind. Ohne Zweifel hat Gott, der die Kirche gegründet hat, sie so gut und so fest errichtet, dass sie unvergänglich sein muss. (DASal 10, Seite 291)
Kommentiert: Die Kirche – als Braut – wurde von Gott ausgestattet für ein ewiges Bestehen.
Und schließlich sagen wir ihnen, dass das Ordensleben ein Kalvarienberg ist, wo sich die Liebhaber des Kreuzes aufhalten und niederlassen. Die Bienen weisen alle fremden Gerüche zurück und verabscheuen sie, d. h. solche, die nicht von Blumen stammen, aus denen sie ihren Honig sammeln (um zu sehen, dass dem so ist, legt ihnen Moschus oder Zibeth vor, und ihr werdet sehen, dass sie sich sogleich zurückziehen und diesen Geruch fliehen, weil er von Fleisch stammt), ich will sagen, irdische und weltliche Tröstungen, die ihnen der Teufel, die Welt und das Fleisch anbieten, um nie mehr einen anderen Duft einzuatmen als den, der vom Kreuz stammt, von den Dornen, den Ruten und der Lanze Unseres Herrn. Das alles ist der Schmuck und das Geschmeide, das der Bräutigam seiner Braut schenkt, denn das sind die wertvollsten Stücke seiner Schatzkammer. Der irdische Bräutigam schenkt seiner Braut Ketten, Armbänder, Ringe, Samt, Atlas und ähnliche Nichtigkeiten; außerdem veranstaltet er zu seiner Hochzeit ein Festmahl. Unser Herr macht es ebenso; aber wisst ihr, was er anstelle von Fasan und Rebhuhn anbietet? Abtötungen, Demütigungen, Geringschätzung, Schmerzen und innere Peinen, die uns fast zweifeln lassen, ob wir nicht ganz und gar von seiner Güte verlassen sind. (DASal 12, Seite 313)
Kommentiert: Braut Christi zu sein bedeutet Teilhabe an seinem Kreuzweg.