Zur Demut gehört auch der Gehorsam; wer demütig ist, liebt es über alles, sich unterzuordnen, und deshalb haben die Gehorsamen es überaus gern, wenn man ihnen befiehlt. Bevor der Befehl noch ganz ausgesprochen ist, bevor sie noch wissen, wie er ausfällt, ob nach ihrem Geschmack oder nicht, nehmen sie ihn an, begrüßen ihn, heißen ihn freudig willkommen und er ist ihnen überaus teuer. Ich will euch aus dem Leben des hl. Pachomius ein Beispiel solch raschen Gehorchens erzählen. Pachomius hatte unter seinen Mönchen einen, der Jonas hieß und außerordentlich tugendhaft und vollkommen war. Er hatte den Garten zu besorgen, in dem ein Feigenbaum mit wunderschönen, verlockenden Früchten stand. Dieser Baum war nun für die jungen Ordensleute eine Versuchung und immer, wenn sie daran vorüberkamen, schielten sie ein bisschen nach den Feigen hin. Eines Tages ging Pachomius im Garten spazieren, und als er zu dem Baum hinüberschaute, sah er oben in den Zweigen den Teufel sitzen und so begehrlich auf die Feigen herunterschauen, wie die Ordensbrüder hinaufzuschauen pflegten. Sogleich rief der große Heilige den Bruder Jonas zu sich her und befahl ihm, den Feigenbaum am nächsten Tag in aller Frühe umzuhauen; denn er wollte seine Mönche zur Abtötung der Sinne nicht weniger sorgfältig erziehen als zur Ertötung der ungeordneten Leidenschaften und Neigungen. Da sagte Jonas: "Ach, habt ein wenig Nachsicht mit den jungen Leutchen, mein Vater! Was wollen Sie, es sind ja gute Kinder, die schließlich auch eine Freude haben müssen. Für mich will ich den Baum gewiss nicht stehen lassen." Und damit sagte er die Wahrheit, denn schon 75 Jahre war er im Kloster und hatte noch nie eine Frucht verkostet, den Mitbrüdern gegenüber war er aber damit sehr freigebig. Darauf sagte der hl. Pachomius in aller Ruhe: "Nun gut, mein lieber Bruder, du hast weder einfach noch sofort gehorchen wollen; ich will wetten, dass der Baum gehorsamer ist als du." Und wirklich, am nächsten Tag war der Baum ganz dürr und trug nie mehr Früchte. (DASal 2, Seite 154)
Kommentiert: Gehorsam, ohne zu zögern
Thema: Verschiedenheit, Vielfalt
Würde man nicht lachen über einen, dem es einfiele zu fragen, warum Gott die Melone größer als die Erdbeere, die Lilie größer als das Veilchen schuf? Warum der Rosmarinstrauch nicht eine Rose, die Nelke nicht eine Ringelblume ist, warum der Pfau schöner ist als die Fledermaus, warum die Feige süß, die Zitrone säuerlich ist? Würde man ihm nicht sagen: Du armer Mensch, die Schönheit der Welt erfordert ja gerade die Mannigfaltigkeit. Deshalb müssen die einzelnen Dinge mit verschiedenen und ungleichen Vollkommenheiten bedacht sein und keines darf dem anderen gleichen; es muss kleine und große, süße und sauere, schönere und minder schöne Dinge geben. (DASal 3, Seite 117)
Kommentiert: Zur Vollkommenheit gehören auch die kleinen Dinge.
Man sagt, dass die mit Feigen beladenen Maultiere und Pferde sofort unter dieser Last zusammenbrechen und ihre ganze Kraft verlieren. Süßer als Feigen ist das Gesetz des Herrn; aber der vertierte Mensch, der gleichsam zum Pferd und Maultier geworden ist, die keinen Verstand haben (Ps 31,9), verliert den Mut und findet nicht die Kraft, diese liebenswürdige Last zu tragen. (DASal 4, Seite 89)
Kommentiert: Das Gesetz Gottes ist ein Gesetz, das zum Leben führt, nicht zum Tod
Thema: Heimsuchung, Charisma, Orden
Die Heimsuchungsklöster mit Praktiken zu belasten, die von dem Zweck wegführen, für den Gott sie bestimmt hat, ich glaube nicht, dass man dies zulassen darf. Oliven von einem Feigenbaum oder Feigen von einem Olivenbaum haben wollen, geht wider die Natur. Wer Feigen haben will, möge einen Feigenbaum pflanzen; wer Oliven haben will, möge einen Olivenbaum pflanzen. (DASal 7, Seite 106)
Kommentiert: Jede Ordensgemeinschaft hat ihr Charisma und geht daher den ihr bestimmten Weg
Es gibt andere Pflanzen, die wahrhaft gute und liebliche Früchte tragen, die aber keine Blüten haben. Von dieser Art sind die Feigenbäume. Ihr Stamm ist rau und hat nichts Angenehmes; ihre unreifen Früchte sind gewiss sehr herb; sie haben keinen Geschmack, schmecken im Gegenteil fad. Sind sie aber reif, so gibt es nichts so Süßes und Liebliches wie die Feige, die umso angenehmer im Geschmack ist, als sie am Anfang unschmackhaft war. Von dieser zweiten Art sind die Heiligen, zu denen der hl. Augustinus gehörte. So ist es nicht ohne geheimnisvolle Bedeutung, dass er sich ausgerechnet im Schatten eines Feigenbaumes bekehrte. Das sollte zeigen, dass die Früchte seines reifen Lebens, obwohl sein Anfang roh und schlecht war, doch sehr kostbar wurden. (DASal 9, Seite 391)
Kommentiert: Um gute Früchte zu ernten, ist oft viel Geduld nötig
Es gibt nichts Besseres als gute Ordensleute und nichts Schlimmeres als schlechte, sagten die Alten; und die Erfahrung unserer Zeit bestätigt das so klar, dass man mit Jeremias (24, 1-3) von ihnen sagen kann: Wenn die Feigen gut sind, dann sind sie sehr gut; wenn sie verdorben sind, dann ganz schlecht. (DASal 12, Seite 137)
Kommentiert: „Wenn das Salz schal geworden ist, taugt es zu nichts“.