Wie man die Morgendämmerung Tag nennen kann, so kann man auch das erste Wohlgefallen des Herzens am geliebten Wesen als Liebe bezeichnen, weil es ja dessen erste Regung ist. Wie man aber eigentlich unter Tag nur die Zeit vom Ende der Morgendämmerung an bis zum Sonnenuntergang versteht, so ist auch das eigentliche Wesen der Liebe das Bewegtsein und Überströmen des Herzens, das dem Wohlgefallen sofort folgt und in der Vereinigung zur Vollendung kommt. (DASal 3, Seite 65)
O wie freudig, wie schön, lieblich und freundlich ist doch diese Morgendämmerung! Aber es ist doch wahr, dass sie noch nicht der volle Tag ist, oder wenn man sie Tag nennen will, so ist sie ein beginnender Tag, ein werdender Tag, eher die Kindheit des Tages als der Tag selbst. Und ebenso sind auch zweifellos jene Liebesregungen, die dem zu unserer Rechtfertigung erforderlichen Glauben vorangehen, noch keine eigentliche, sondern erst eine beginnende und unvollkommene Liebe. Es sind die ersten grünen Knospen, welche die von der himmlischen Sonne erwärmte Seele gleich einem mystischen Baum im Frühling hervorbringt, eher fruchtverheißend als schon eigentliche Frucht. (DASal 3, Seite 133)
Kommentiert: Der zarte Anfang der Liebe wächst hin zur Vollendung