From Franz von Sales

Lexikon: Predigten :: Franz von Sales :: Vom Überzeugten Leben Aus Dem Glauben

PREDIGT zum Fest des hl. Franz von Sales

"Vom überzeugten Leben aus dem Glauben"

Liebe Schwestern und Brüder,

Heilige, das sind doch verstaubte Zeitgenossen aus einer vergangenen Zeit! Die haben doch nur gebetet und standen mit Gott in Verbindung und waren der Welt entrückt. So oder so ähnlich denken heute nicht wenige Leute, auch Christen und Kirchgänger. Was können uns denn die Heiligen heute noch sagen? Wir leben doch in einer ganz anderen Welt. Da geht es um Bilanzen und Karriere, um Geld und Macht, und oft bleiben die Gerechtigkeit und die Mitmenschlichkeit auf der Strecke. – Kann der heilige Franz von Sales, dessen Gedenktag wir heute feiern, uns heute noch etwas sagen oder sogar weiterhelfen?

Franz von Sales hat vor vielen Jahrhunderten gelebt und zwar von 1567 bis 1622. Ist er nicht auch so ein verstaubter Zeitgenosse aus einer vergangenen Zeit? Ich könnte es mir jetzt sehr einfach machen und ein wenig aus seiner Biografie berichten: dass er auf einem Schloss südlich von Genf in Frankreich geboren wurde, dass er in Paris und Padua studiert hat, dass er gegen den Willen seines Vaters Priester, später Bischof von Genf mit Sitz in Annecy, weil Genf von den Calvinisten besetzt war. Er ist in seinem Leben vielen Menschen begegnet, hat viele Bücher und Briefe geschrieben. 1610 gründete er mit Johanna Franziska von Chantal den Schwesternorden von der Heimsuchung Mariens. Er starb 1622 in Lyon, wurde 1661 selig- und 1665 heiliggesprochen. 1877 wurde er zum Kirchenlehrer erhoben und 1923 zum Patron der katholischen Journalisten erklärt. – Diese Daten mögen zwar für einen Historiker ganz interessant sein, aber welche Bedeutung Franz von Sales für seine Zeit hatte und was er uns vielleicht heute noch sagen kann, geht aus dieser Lebensbeschreibung nicht hervor. Deshalb gilt es etwas tiefer in sein Leben und seine Lebenssituation hineinzuschauen.

Durch die Jahrhunderte traten immer wieder zwei verschiedene, ja konträre Haltungen des Menschen im religiösen Bereich auf. Die eine kann als pessimistische, die andere als optimistische Betrachtungsweise bezeichnet werden. Die pessimistische Richtung betont in extremer Weise den unendlichen Abstand zwischen dem allerheiligsten Gott und seiner von ihm abhängigen Kreatur. Eine solche Einstellung gegenüber Gott zieht Distanzgefühl und Furcht nach sich. Der Gedanke an die Gerechtigkeit Gottes beherrscht das Bild und beeinflusst die Religiösität. Angst vor dem furchtbaren Richter ist die Folge. Die optimistische Haltung ist charakterisiert durch liebendes Vertrauen und Freude an Gott. Das Verhältnis zwischen Gott und Mensch wird gesehen wie das zwischen Vater und Kind. Die Liebe ist das verbindende Element.

Franz von Sales war zunächst Anhänger der pessimistischen Haltung, bedingt durch eine schwere seelische Krise als Student in Paris. Doch dann wurde er ein ganz großer Verfechter der optimistischen Gottesvorstellung, die sein ganzes weiteres Leben prägen sollte. Für ihn war Gott die Liebe pur. Diese Einstellung wirkte sich auch auf sein Menschenbild und seinen Umgang mit den Menschen aus. Der Mensch war für ihn das Ebenbild Gottes, und jeder Mensch war für ihn einmalig. Diese seine Haltung wirkte sich auch auf seine Haltung zum Christsein aus. Jede und jeder kann – so seine Meinung, die damals fast revolutionär war – Jesus nachfolgen, allerdings muss das Christsein der jeweiligen Lebenssituation angepasst werden. So schreibt er z. B. einmal in seinem berühmten Büchlein Philothea: „Die Übung der Frömmigkeit (man könnte auch sagen: das Christsein!“) muss den Kräften, der Beschäftigung und den Pflichten eines jeden angepasst sein. Wäre es denn richtig, wenn ein Bischof, statt jedermann zur Verfügung zu stehen, einsam wie ein Kartäuser leben wollte? Wenn ein Handwerker den Tag in der Kirche zubringen wollte wie ein Mönch? … Nein, echte Frömmigkeit verdirbt nichts, sie macht vielmehr alles vollkommen. Wo immer wir sind, können und sollen wir nach dem Guten streben.“ Franz von Sales war auch der Auffassung, dass es nicht darauf ankommt, großartige geistliche Erfahrungen zu machen, sondern er betonte immer wieder die Treue im Alltag. „Es kommt darauf an, dass wir die gewöhnlichen Dinge außergewöhnlich gut tun.“ Menschen, die im religiösen Bereich hoch hinauswollten, schrieb er ins Stammbuch: „Wir bemühen uns manchmal so sehr, gute Engel zu werden, dass wir es unterlassen, gute Männer und Frauen zu werden.“

Zusammenfassend lässt sich über den neuen Akzent, den der Heilige in das Konzept der Nachfolge einbringt, sagen: Jeder muss nach der ihm eigenen Weise den Weg des Christseins gehen. Franz von Sales versteht Frömmigkeit oder Christsein als ein überzeugtes Leben mitten im Alltag des Glaubens, in dem sich der Einzelne gemäß seiner eigenen Berufung zu bewähren hat.

Wenn ich dies alles einmal bedenke, dann macht mir der Heilige sehr viel Mut, gerade in einer Welt der Globalisierung und Individualisierung, in der sich der Einzelne oft einsam und verlassen vorkommt. Wie gehen wir als Christinnen und Christen in der Kirche miteinander um? Was zählt bei uns in der Kirche? Sind es nur die Messbesucherzahlen und die Kollekten oder die Zahl der Kommunionkinder und Firmlinge? Welche Bedeutung hat der Mensch, der Einzelne, auch der, der am Rande steht, weil er eben nicht mit dem Strom schwimmt? Ich denke z. B. an Behinderte, Menschen, die geschieden sind und wieder geheiratet haben, und viele andere. Stehen bei uns der Mensch, der Einzelne im Vordergrund, oder zählen andere Werte? Welchen Stellenwert hat – bei all unseren Planungen, Sitzungen und Gremien – der Mensch? Vor Gott, davon war Franz von Sales zutiefst überzeugt, ist der Mensch einmalig und von ihm geliebt, unabhängig von seiner jeweiligen Lebenssituation. Diese Haltung prägte sein Leben. Prägt sie auch unser Leben, unsere Einstellung zum Mitmenschen?

Für mich ist der heilige Franz von Sales, der Ordensvater der Ordensgemeinschaft der Oblaten des hl. Franz von Sales, der ich seit 1980 angehöre, die personifizierte Menschenfreundlichkeit eines guten und liebenden Gottes. So gesehen ist er kein verstaubter Zeitgenosse aus einer vergangenen Zeit, sondern ein beachtenswerter und sympathischer Heilige.

P. Hans-Werner Günther OSFS


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