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Zum 4. Fastensonntag

Annecy, 20. März 1594 (Fragment) (OEA VII,153-156; DASal 9,50-52)

Gott ist Geist, und die ihn anbeten, müssen ihn anbeten im Geist und in der Wahrheit (Joh 4,24).

Nachdem Elija Rache an den Propheten Baals am Bach Kischon genommen und das große Gemetzel gemacht hat, wie es (1 Kön 18,40) heißt, sagte er Ahab einen großen Regen voraus. Er befahl seinem jungen Diener, vom Berge Karmel siebenmal gegen das Meer auszuschauen. Beim siebenten Mal sah er eine Wolke kommen, klein wie die Fußspur eines Mannes, und kurz darauf kam eine regenschwere Wolke, ein Wind und ein großer Regen (18,41.45). Wenn ihr die sieben Worte betrachten wollt, die Unser Herr zur Samariterin gesagt hat, werdet ihr in ihnen eine kleine Wolke erkennen, schwer von heiliger Buße. Sie wird dann größer und läßt eine große Schar von Samaritern kommen (Joh 4,30). Ihr seid schon beim fünften Wort, da Unser Herr die Samariterin ihre Sünde bekennen läßt.

Ich glaube, ihr kennt die Geschichte der Auferweckung des Kindes der frommen Schunemitin durch Elischa. Wie es (2 Kön 4,8-35) heißt, wohnte Elischa bei ihr. Als Gegenleistung erbat er ihr ein Kind, aber es starb jung. Sie wandte sich an den Propheten auf dem Berg Karmel, damit er ihrem Kind das Leben erwirke. Elischa kam selbst zur Schunemitin, schloß die Tür hinter sich und dem Knaben, betete zu Gott und legte sich zweimal über den kleinen Knaben; schließlich gähnte das kleine Geschöpf siebenmal, öffnete die Augen und erwachte zum Leben. So paßt sich Unser Herr dermaßen der Samariterin an, als er allein mit ihr ist, daß sie siebenmal gähnte und vom Tod der Sünde zum Leben der Gnade erstand; das sind die sieben Worte, die sie sprach; wir waren beim fünften: Du bist ein Prophet. Ihr müßt euch aber an zwei Dinge erinnern, die ich am Freitag sagte: 1. daß die Umstände die Samariterin Unseren Herrn als Propheten erkennen ließen; 2. daß die Juden die Samariter als Häretiker und Heiden ansahen; ich will mich aber bei den Gründen nicht aufhalten.

Der Ursprung der Samariter ist folgender: Nach der Teilung des Reiches Israel durch Jerobeam (1 Kön 12), die der Schilonite Ahija (1 Kön 11,31) vorhergesagt hatte (es wäre zu lang, sie zu schildern), fürchtete Jerobeam, daß die zehn Stämme seiner Untertanen wieder Liebe zu ihrem ursprünglichen König Rehabeam faßten, wenn sie den Tempel und die ordentliche Nachfolge der Priester in Jerusalem anerkannten. Deshalb errichtete er einen Tempel falscher Götter in Samaria und machte Leute aus dem niedrigen Volk zu Priestern, die nicht in der legitimen Nachfolge Levis waren (1 Kön 12,27-31). Von dieser Spaltung kam nur Unheil nach Israel. Unter Hosea führte schließlich Salmanassar von Syrien alle diese Schismatiker in Gefangenschaft, wie es der Türke mit unseren Schismatikern gemacht hat. Um einer Rebellion vorzubeugen, ließ er sie nach Assyrien ziehen und setzte an ihre Stelle Skythen und Babylonier; das waren böse Leute. Gott sandte Löwen; zur Abhilfe sandte man ihnen einen Priester von den Gefangenen, der sie das Gesetz Gottes lehren sollte. Diese Leute konnten sich aber nicht entschließen, ihren Götzendienst aufzugeben, folglich beteten sie Gott an und verehrten ihn und die falschen Götter (2 Kön 17). Nun darf man annehmen, daß nicht alle abfielen, sondern einige von ihnen aushielten, andere zurückkehrten; so waren die Samariter. Dann kommt ein Betrüger, ein Abtrünniger, der ihnen verschiedene Irrlehren in den Kopf setzt.

Unter dieser Voraussetzung haßten nun die Juden die Samariter, 1. weil sie ihre Besitzungen innehatten, denn Samaria gehörte den Hebräern; 2. weil sie zum Volk der Assyrer gehörten, die die Juden sehr gequält hatten; 3. weil bei ihnen das Heidentum neben der wahren Religion herrschte und jeder sich verhielt, wie es ihm gefiel. 4. Die Samariter hinderten die Juden, die zur Zeit des Artaxeres aus der Gefangenschaft zurückkehrten, die Stadt und den Tempel wieder aufzubauen (Esra, Kap. 4 u. 5). 5. Sie waren unentschiedene Leute, sagt Josephus (XII,7). 6. Weil sie ihnen Ärgernis gaben und ihre Übeltäter zurückhielten, sagt Josephus (XI,8); 7. vor allem aber, weil sie Schismatiker waren und einen Gegenaltar errichtet hatten, indem sie einen Tempel auf dem Berg Garizim bauten und Priester außerhalb der ordentlichen Nachfolge einsetzten. Darüber kam es zum Streit vor dem König von Ägypten, der den Hebräern rechtgab (Josephus XI,XIII); und weil sie nur die fünf Bücher Mose, den Pentateuch, annahmen, die übrigen verspotteten. Das war die hauptsächliche Streitfrage.

In unserem Fall hatte der Herr die Samariterin ihre Sünde bekennen lassen und sie ihr enthüllt; dadurch erkannte sie, daß er ein Prophet sei: Herr, ich sehe, daß du ein Prophet bist. Weil es ihr aber mißfiel, bei diesem Gespräch zu bleiben, lenkte sie es auf eine Streitfrage der Religion. Das ist ja bei den falschen Religionen das Gewöhnliche, die Streitgespräche sehr zu fördern, an denen sich das Volk ebenso beteiligen kann wie die anderen. So wird also diese Frau zur Theologin, will ihr Heil suchen und sagt: Unsere Väter haben auf diesem Berg angebetet; ihr sagt, Jerusalem ist der Ort, an dem man anbeten muß. Jakob hat auf diesem Berg angebetet, als er aus Mesopotamien zurückkehrte (Gen 33,18-20); ebenso Abraham (Gen 12,7). Wenn also unsere Väter hier angebetet haben, warum sagt ihr ...

Ihr müßt aber wissen, daß anbeten hier für opfern steht. Was die persönliche Anbetung betrifft, kann sie überall geschehen; nicht aber das Opfern, außer am Ort, den der Herr erwählt hat (Dtn 12,5f). Das war die Frage, die zwischen den Juden und den Samaritern stand, die diese Frau aufwirft. Und ich glaube eine Frau in Genf sagen zu hören: Warum eßt ihr kein Fleisch? Die Apostel haben doch davon gegessen. – – –


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