(Entwurf) Grenoble, 23. Februar 1617 (OEA VIII,296-300; DASal 9,170-172)
Vom reichen Prasser
Von den Reichen und den Reichtümern
Wenn Nebel die Erde bedecken, kann niemand recht unterscheiden, ob ein Ort schön oder häßlich, wo ein Garten oder ein Misthaufen ist. Solange die Menschen leben, kann keiner leicht beurteilen, ob die Reichen unglücklich und die Armen glücklich sind.
Als der Herr den jungen Mann traurig sah (Mk 10,21-27; die ganze Begebenheit ist beachtenswert), blickte er sich um und sagte zu den Jüngern: wie schwer ist es für jene, die Reichtümer besitzen, in das Reich Gottes zu gelangen! Die Jünger wunderten sich über seine Worte. Jesus aber sagte von neuem zu ihnen: Kindlein, wie schwer ist es für jene, die ihr Vertrauen auf Geld setzen, in das Reich Gottes einzugehen! Leichter geht ein Kamel ... Darüber wunderten sie sich noch mehr und sagten zueinander: Wer kann dann gerettet werden? Jesus blickte sie an und sagte: Bei den Menschen ... So sage ich, wenn ich heute das Evangelium (Lk 16,19-31) lese: Wie schwer ist es ... Um aber der Reihe nach vorzugehen: es gibt vier Arten von Reichen, sowohl guten als schlechten; es gibt auch die Irrlehre der Armen von Lyon, der Apostoliker, der Manichäer und des Julian Apostata.
1. Im Erwerben des Reichtums. Ex 20,15: Du sollst nicht stehlen. Hos 8,4: Sie haben Könige eingesetzt, die nicht von mir kommen. Lk19,8: Wenn ich jemand übervorteilt habe, erstatte ich es vierfach. Ps 15,15: Herr, wer wird in deinem Zelt wohnen? Wer sein Geld nicht gegen Zinsen leiht und keine Bestechung gegen einen Redlichen annimmt. Lk 16,9: Der ungerechte Mammon. Sie gleichen Ahab, der den Weinberg haben wollte, der an den seinen angrenzte (1 Kön 21,2). Sie sind wie Eselinnen, wenn sie ihre Fohlen säugen; denn da lieben sie ihre Jungen überaus, sagt Plinius. Wenn jedoch ein kleiner Bach zwischen ihnen und ihren Jungen ist, kommen sie nur sehr schwer hinüber und wollen keinen Fuß ins Wasser setzen. Sie scheuen sich aber nicht, durchs Feuer zu gehen. So kommen auch viele Väter in das Feuer der Hölle wegen ihrer (falschen) Liebe zu den Kindern. Sie möchten für diese aber nicht einmal das Wasser der Armut oder der Aufwendungen berühren, d. h. nichts ausgeben, um sie in guter Lebensart und in den Wissenschaften auszubilden. Sie gleichen den Kaninchen, die sich die Haare an der Brust ausrupfen, um für ihre Jungen das Nest oder Lager zu bereiten; sie entblößen ihr Gewissen. Auch brauchen sie viel Platz zum Schlafen (ich denke an Packesel), denn im Schlaf kommen ihnen tausend Einfälle und sie wälzen sich hin und her. So verbringen diese Reichen ihren Schlaf (Ps 76,6); den einen berauben sie seiner Habe, jenen verzehren sie ... Ruades. Und wehe euch, die ihr Haus an Haus baut und Feld an Feld reiht, bis kein Platz mehr bleibt. Wohnt ihr etwa allein im Land? (Jes 5,8).
Die nach der Ordnung Gottes erworbenen Güter sind gut. Deshalb sagt Isaak beim Segen über Jakob: Der Herr gebe dir vom Tau des Himmels und von der Fruchtbarkeit der Erde, Überfluß an Korn und Wein (Gen 28,28). Und Ijob (1,21): Gott gab ...
2. Im Festhalten (des Reichtums); wie Söhne und Erben bei schlechten Verträgen, die sie selbst nicht als solche erkennen. Ebenso fromme Vermächtnisse. (Halietus, Seeadler*). Fremdes Gut zurückbehalten, darüber verfügen.
3. Den Reichtum zwar rechtmäßig erwerben, aber zu habsüchtig erwerben. Appian von Alexandria berichtet, daß die Parther, als sie in die Flucht geschlagen wurden (vgl. similitudes), vom Hunger gepeinigt, ein Kraut aßen, das sie alles vergessen ließ; ihre Sinne wurden verwirrt, sie erbrachen sich und starben. Nun, nun, was tut ihr? Große Gefahr. 1 Tim 6,5: Die reich werden wollen, geraten in Versuchung und in die Schlingen des Teufels, in viele schädliche Wünsche, die den Menschen in Untergang und Verderben stürzen.
4. Durch Geiz im Besitz. Götzendienst (Kol 3,5; Eph 5,5). Menschen der Reichtümer (Ps 76,6). Glückselig der Reiche, der ohne Schuld erfunden wird, der dem Geld nicht nachjagt, noch seine Hoffnung auf Geld und Reichtum setzt. Wer ist es, wir wollen ihn loben (Sir 31,8f). Dem Geizigen fehlt ebenso, was er hat, wie das, was er nicht hat.
5. Wer beim Ausgeben wie der reiche Prasser die Reichtümer nur für sich, für Vergnügungen und eitlen Ruhm verwendet, Vergleich der ägyptischen Hunde (Plinius), der Hirsche, Schiffe, Kleider.
6. Grausamkeit gegen Arme. Die Armen haben ihre Würde und müssen geachtet werden; deshalb muß man sie anstelle des Herrn besuchen.
Die Geschichte Belschazzars (Dan 5) lebendig und eindringlich schildern: Mene, du bist gezählt, tekel, gewogen, phares, geteilt. Hüten wir uns.
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