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Zum Fest der Beschneidung

Annecy, 1. Januar 1622 (OEA X,147-163; DASal 9,413-426)

Als acht Tage vorüber waren und der Knabe beschnitten werden mußte, erhielt er den Namen Jesus (Lk 2,21).

Die Tage, die Monate und die Jahre gehören alle Gott, der sie gemacht und geschaffen hat. Ich weiß, das Altertum teilte die Tage und Jahre so ein, daß man sie nach dem Lauf des Mondes benannte und unterschied und ihnen eigene Namen gab, die ihren falschen Gottheiten eigen waren, wie Merkur, Mars, Jupiter und ähnliche. Dieser Aberglaube war bei den Menschen so verbreitet, daß man ihn nur schwer ausrotten konnte. Als ihn daher die heilige Kirche ausmerzen wollte, hat sie die Tage den Heiligen geweiht und wollte lieber jene, auf die kein Fest trifft, von dem sie den Gottesdienst feiert, als Ferie bezeichnen, als sich jener Namen zu bedienen, die das heidnische Altertum gebrauchte. Obwohl man aber die Tage des Jahres den Heiligen weihte, bleiben sie dennoch alle Unserem Herrn geweiht als demjenigen, der sie geschaffen und dem sie alle gehören. Deshalb weiht ihm die Kirche den heutigen Tag als den ersten und mit ihm das ganze Jahr.

An diesem Tag nun begehen wir das Fest der Beschneidung unseres göttlichen Heilands, wobei er nach der Beschneidung den heiligen Namen Jesus erhielt. Die Geschichte der Beschneidung ist sehr schön und bewundernswert; sie ist gleichsam ein Bild oder eine Darstellung der geistigen Beschneidung, die wir alle vornehmen müssen. Das Evangelium (Lk 2,21), das heute gelesen wird, ist zwar das kürzeste des ganzen Jahres, trotzdem aber sehr erhaben und sehr tiefgründig. In ihm wird ja des Blutes und des Namens Jesu gedacht, und in diesen zwei Worten ist die ganze Bedeutung der Beschneidung enthalten. Ich werde also dem Evangelium folgen und die Predigt in zwei Punkte einteilen: im ersten werden wir sagen, was die Beschneidung ist und wie man die geistige Beschneidung vornehmen muß; im zweiten, wie man den heiligen Namen Jesus recht aussprechen muß.

Zum ersten Punkt: Die Beschneidung war eine Art Sakrament im Alten Bund (Gen 17,10-14; Lev 12,3), das die Reinigung von der Erbschuld versinnbildete. Sie war gleichsam ein Bekenntnis des Glaubens und der Erwartung der Ankunft Unseres Herrn, und die Beschnittenen wurden aus Feinden Gottes, die sie vorher waren, zu seinen Kindern und Freunden. Unser göttlicher Heiland hatte es nicht nötig, beschnitten zu werden, denn er war nicht nur der Gesetzgeber, sondern war ohne jeden Rostfleck der Sünde. Er war der Sohn Gottes, folglich ganz heilig und ohne Makel (1 Petr 1,19). Vom Augenblick seiner Menschwerdung an war er infolge der engen Verbindung der menschlichen Natur mit der göttlichen dem Leib wie der Seele nach erfüllt von allen Gnaden und Segnungen. Dadurch war er nicht nur mit der Fülle der Gnaden überhäuft, sondern seine Seele war auch ganz verklärt, da er sich der klaren Anschauung Gottes erfreute. So hatte er in keiner Weise nötig, dem Gesetz der Beschneidung zu gehorchen; er wollte aber trotzdem nicht unterlassen, sich ihm zu unterwerfen. Die Beschneidung war zweitens ein Kennzeichen, an dem das Volk Gottes unter den anderen zu erkennen war. Unser Herr hatte aber nicht nötig, mit diesem Merkmal gekennzeichnet zu werden, da er selbst das Siegel oder Abbild des ewigen Vaters war (Hebr 1,3). Es gibt eine endlose Zahl von Erklärungen und Begründungen, die zeigen sollen, daß der Heiland diesem Gesetz nicht unterworfen war; es würde aber zuviel Zeit beanspruchen, sie wiederzugeben. Es soll also genügen zu sagen, daß er dazu in keiner Weise verpflichtet war. Wenn er sich der Beschneidung unterziehen wollte, dann deswegen, um uns ein vorzügliches Beispiel der geistigen Beschneidung zu geben, die wir vollziehen müssen.

Die Beschneidung geschah an einem Teil des Leibes, der von der Sünde Adams am meisten betroffen und geschädigt wurde. Das ist der erste Hinweis, den die alten Väter geben, wenn ich mich nicht täusche, auch der hl. Johannes Chrysostomus. Sie wollen uns zeigen: wenn wir die geistige Beschneidung vollziehen wollen, müssen wir sie an dem Teil vornehmen, der am meisten von allen krank ist. Es ist gewiß ein großes Mißgeschick, daß viele und fast alle Christen, wenn sie die geistige Beschneidung an sich vollziehen wollen, um am heutigen Fest teilzuhaben, sie an dem Teil vornehmen, der am wenigsten betroffen ist. Da sind jene, die sinnlichen Lüsten verfallen sind (ich nehme dieses etwas derbe Beispiel, bis mir ein anderes einfällt) und diesen tierischen Freuden nachjagen. Sie wollen die geistige Beschneidung vollziehen, entnehmen ihrer Börse Geld und gefallen sich in einigen Almosen. Es ist recht, die Börse zu beschneiden und Almosen zu geben. Das Almosen ist etwas Gutes, sagt der Apostel (1 Tim 6,18; Hebr 13,16), es ist gut zu jeder Zeit und Gelegenheit; aber seht ihr nicht, obwohl ihr die geistige Beschneidung vornehmt, vollzieht ihr sie nicht in der rechten Weise. Beschneidet nicht eure Börse, denn nicht das ist der Teil, ihr Wollüstigen, wo ihr am meisten krank seid, sondern beschneidet das Herz. Beschneidet diese Reden, diese Gesellschaft, diese Unterhaltungen und Freundschaften, diese Liebeleien und ähnliche Torheiten, denn da müßt ihr beginnen, wenn ihr eine gute Beschneidung vornehmen wollt. Aber das tun sie nicht, sie folgen vielmehr ihren tierischen Neigungen und glauben viel zu tun und allem Genüge getan zu haben, wenn sie irgendein Almosen geben.

Andere sind geizig und begierig, Reichtum, Güter und Bequemlichkeiten zu erwerben und zu besitzen. Sie wollen sich gleichwohl beschneiden; deshalb machen sie Nachtwachen, strenges Fasten und Abstinenz; sie besorgen sich Bußhemd, Bußgürtel und was weiß ich; und wenn sie das tun, glauben sie schon halbe Heilige zu sein. O Gott, was macht ihr? Diese Nachtwachen, dieses Fasten sind gut, aber ihr macht die geistige Beschneidung nicht gut, denn ihr beginnt nicht bei dem am meisten betroffenen Teil. Das Übel sitzt im Herzen, und ihr tötet den Leib ab. Ihr müßt eure Börse beschneiden, indem ihr euren Besitz den Armen austeilt. Schneidet alles aus eurem Herzen, was sich in ihm findet an ungeordneter Anhänglichkeit an Reichtum, Ehren und Bequemlichkeit. Setzt das Messer der Beschneidung sicher und kühn an dieses Herz, an diese Neigungen an und beginnt da also an der Stelle, die in euch am schwersten krank ist.

Andere machen große Bußübungen und Strengheiten, kasteien ihren Leib durch Mühen und Anstrengungen jeder Art, sie zögern aber nicht, ihre Zunge in das Blut des Nächsten zu tauchen, indem sie ihn verleumden und herabsetzen. Ihr Bedauernswerten, ihr glaubt recht beschnitten zu sein, wenn ihr ein Bußhemd tragt, euch geißelt und ähnliches. Seht ihr denn nicht, daß die Zunge der Teil ist, der beschnitten werden muß; sie badet sich im Blut des Unschuldigen (Ps 64,4).

Man findet auch solche, die ihre Zunge recht beschneiden und sich entschließen, ein ganz strenges, tiefes Schweigen zu beobachten, aber sie knurren und murren stets in ihrem Herzen und sind ständig voll von Murren und Widerspruch. Ach, meine Lieben, was macht ihr? Das Übel ist versteckt in eurem Herzen; es ist also nicht damit getan, die Zunge zu beschneiden. Man muß die Beschneidung an dem betroffenen Teil vornehmen, in dem das Knurren und Murren und die Empfindungen entstehen, denn die Beschneidung muß an der Stelle geschehen, die am schwersten krank ist.

Darin also besteht die geistige Beschneidung, die Leidenschaften, Strebungen, Launen und Neigungen zu untersuchen, um ihre Auswüchse zu beschneiden und abzutrennen. Dazu ist eine sorgfältige und gediegene Prüfung erforderlich, welcher Teil am meisten betroffen, welche Leidenschaft, Neigung und Laune in uns ist, um hier mit der inneren Beschneidung zu beginnen.

Der zweite Hinweis, den ich gebe, ist der, daß es eine Beschneidung war, nicht ein Einschnitt. Zwischen Beschneidung und Einschnitt ist ein großer Unterschied. Der Einschnitt ist erforderlich bei Kranken, die irgendeine Wunde oder ein Geschwür haben, an die man das Messer oder das Eisen anlegt, um sie zu öffnen und den Schmutz aus ihnen zu entfernen. Die Beschneidung dagegen ist nicht das gleiche. Die meisten Christen machen einen Einschnitt statt der Beschneidung: sie machen wohl irgendeinen Schnitt am betroffenen Glied, aber sie setzen nicht das Messer an, um vom Herzen abzuschneiden und zu trennen, was ein Auswuchs ist. Nun, das mußte ich euch gleichsam als Vorwort sagen: Alle sind verpflichtet, die Beschneidung vorzunehmen, aber auf verschiedene, nicht in gleicher Weise. Denn die Geistlichen, die Priester und Bischöfe, die Ordensmänner und Ordensfrauen haben eine besondere Verpflichtung, es zu tun, und auf andere Art als jene, die in der Welt leben, da sie in besonderer Weise Unserem Herrn geweiht sind.

Es gibt Christen, die alles abschneiden, was sie daran hindert, das Gesetz Gottes zu beobachten. Sie sind sehr glücklich, denn sie werden schließlich das Paradies besitzen; denn um es zu besitzen, muß man nur die Gebote Gottes gut beobachten und befolgen (Mt 19,17). Es gibt andere, die sich damit begnügen, eine sündhafte Leidenschaft oder Gewohnheit zu beschneiden und gegen sie zu kämpfen; sie hören aber nicht auf, in tausend anderen Sünden gegen das Gesetz des Herrn zu verkommen und sich darin zu wälzen. Nun, die machen keine Beschneidung, sondern nur einen Einschnitt, denn sie gehen nicht an den schadhaften Teil heran, um zu entfernen, was wirklich beschnitten werden muß. Sie begnügen sich vielmehr damit, irgendeinem betroffenen Glied einen Schnitt beizubringen, obwohl es gewöhnlich nicht das am schwersten erkrankte ist. Trotzdem glauben sie, auf diese Weise eine richtige Beschneidung vorzunehmen. Daher kommt es, daß ihr in der Welt Leute seht, die sich im Schlamm und Morast unzähliger Sünden wälzen, die mit vielen verderbten Leidenschaften und Neigungen behaftet sind. Wenn ihr sie fragt, was sie tun oder getan haben, werden sie antworten, daß sie nichts Schlechtes getan haben. O, wir haben nicht getötet, nicht gestohlen, werden sie sagen; ich bin kein Räuber, kein Mörder. Das stimmt, aber das ist nicht alles. Es gibt viele andere Sünden als diese, die ihr vielleicht begangen habt, die ebenso gefährlich sind wie jene, von denen ihr sagt, daß ihr sie nicht begangen habt. Gott hat in seinem Gesetz nicht nur zwei Gebote, sondern es gibt noch andere, die man notwendigerweise beobachten muß, um gerettet zu werden; denn gegen ein Gebot Gottes fehlen heißt, sich selbst zu den Peinen der Hölle verurteilen und verdammen. Als der Herr Mose sein Gesetz gab, sagte er nicht nur: Wer tötet, muß sterben, noch: Wer stiehlt, muß sterben, sondern er spricht die gleiche Drohung aus, verhängt die gleiche Qual und dieselbe Strafe bezüglich der anderen Gebote.

Es ist eine unbestreitbare Wahrheit, daß keiner je in den Himmel kommt, der nicht das ganze Gesetz des Herrn befolgt hat (Mt 5,19; Jak 2,10); ich sage, das ganze und nicht nur einen Teil davon. Wer daher nur einen Einschnitt macht, wer sich darauf beschränkt hat, ein oder zwei Gebote zu beobachten, indem er die schlechte Gewohnheit ablegt, dagegen zu verstoßen, ohne sich zu bemühen, die sündhaften Gewohnheiten zu beschneiden, die ihn zum Übertreter der übrigen Gebote werden lassen, der wird verdammt. Seht also, wie notwendig es ist, daß jeder die geistige Beschneidung vollzieht, nicht alle auf gleiche Weise; aber alle insgesamt müssen schneiden und das Messer nicht nur an einer Stelle ansetzen, wie jene, die einen Einschnitt machen, sondern ringsherum, indem sie das ganze Gesetz beobachten und befolgen, ohne etwas davon auszunehmen. Wenn sie das tun, werden sie sehr glücklich sein, denn mit diesem Kennzeichen versehen werden sie als Kinder Gottes erkannt und schließlich in seine Herrlichkeit versetzt werden.

Was jene betrifft, die dem göttlichen Dienst hingegeben und geweiht sind, uns Geistliche und Ordensleute, so sind wir mehr als die anderen zu dieser geistigen Beschneidung verpflichtet. Wir müssen sie nicht nur in der Weise vornehmen wie die Weltleute, sondern noch auf eine andere Art, zu der sie nicht verpflichtet sind, weil sie nicht die dazu geeigneten Mittel haben wie wir und weil sie außerdem nicht so ausschließlich Unserem Herrn geweiht sind. Es genügt nicht, daß Ordensleute sich damit zufriedengeben, ein Laster oder eine schlechte Neigung zu beschneiden und zu bekämpfen; sie müssen vielmehr rings um das ganze Herz vorgehen. Darauf verwenden sie besondere Sorgfalt, damit sie ihre Leidenschaften und Launen, ihre Zu- und Abneigungen und Gewohnheiten beobachten und feststellen, um sie zu beschneiden. Dazu nehmen sie eine besondere Prüfung vor. Es gibt auch heute Ordensleute, die diese Prüfung zweimal am Tag vornehmen, um zu sehen und zu erkennen, in welchem Zustand sich ihr Herz befindet, um dann mit dem Messer der Beschneidung alles abzuschaben, was überflüssig und gefährlich ist; uzw. nicht nur, was krank ist, sondern auch, was das geringste Hemmnis und Hindernis im geistlichen Leben verursachen könnte. Dieses Messer ist nichts anderes als ein guter, fester Entschluß, der sie alle Schwierigkeiten überwinden läßt, um diese innere Beschneidung großmütig vorzunehmen. Deshalb wird das Ordensleben ein Krankenhaus oder Hospital genannt, in dem man nicht nur die gefährlichen und tödlichen Krankheiten behandelt, sondern auch die leichten und ungefährlichen. Ja, man geht noch weiter und gelangt dahin, sich hier von den kleinsten Fehlern zu reinigen, von leichten Dingen, die aber das geistliche Leben hemmen, und sei es nur ein wenig, und die Vollkommenheit verzögern. Man entfernt sogar die Ursachen des Übels und führt das Messer rings um das Herz; es ist ein Teil, den man stets mit dieser inneren Beschneidung reinigen muß. Auf dieses Herz muß man achten und darüber wachen, um seine Gedanken und Wünsche zu sehen, seine Leidenschaften und Neigungen, seine Gefühle, Zu- und Abneigungen, um sie zu stutzen. Wer das tut, ist wirklich sehr glücklich.

Mancher wird mir aber sagen: Das ist wahr, doch ich habe schon öfter das Messer angesetzt, um solche Leidenschaften und Neigungen zu stutzen, solche Widerstände und Abneigungen, die ich in meinem Herzen unbeschnitten entdecke, die mir einen erbitterten Kampf liefern. Obwohl ich bisher alles getan zu haben glaube, was ich konnte, obwohl ich darauf viel Zeit mit aller möglichen Sorgfalt verwendet habe, fühle ich trotzdem noch ständig starke und mächtige Leidenschaften, Abneigungen, Unlust, Widerstände und viele andere Regungen, die mir zu schaffen machen und mich befehden. Gemach, meine Lieben, antwortet man ihnen, wir sind nicht hergekommen, um zu genießen, sondern um zu leiden. Wartet ein wenig; eines Tages werdet ihr im Himmel sein, wo es nur Frieden und Freude gibt. Dort werdet ihr keine Leidenschaften fühlen, keine Regung des Neides, der Abneigung und des Widerstrebens, sondern ihr werdet Frieden und dauernde Ruhe besitzen. Dort also wird man genießen, nicht in diesem Leben, wo man leiden und sich beschneiden muß. Wer hier auf Erden ohne Leidenschaft wäre, der litte nicht, sondern genösse bereits. Nun, das kann und darf nicht sein, denn solange wir leben, werden wir Leidenschaften haben und werden sie bis zum Tod nicht loswerden, denn unser Sieg und unser Triumph beruht auf dem Kampf gegen diese Leidenschaften und Regungen. Das ist die allgemeine Auffassung der Kirchenlehrer, die von der ganzen Kirche übernommen wurde.

Ich weiß wohl, daß es einige Einsiedler und Anachoreten in Palästina gab, die behaupten wollten, der Mensch könne durch sorgsame und häufige Abtötung so weit kommen, daß er frei von Leidenschaften und Regungen des Zornes ist, daß er eine Ohrfeige hinnehmen könne, ohne zu erröten, beleidigt, verspottet, geschlagen werden, ohne es zu fühlen. Ihre Meinung wurde aber von der Kirche als falsch verurteilt und zurückgewiesen. Sie hat als wahr erklärt: solange der Mensch lebt, über diese Erde kriecht und sich hinschleppt, wird er Leidenschaften haben, Regungen des Zornes empfinden, Aufruhr des Herzens, Regungen und Neigungen, Widerwillen, Abneigungen und alle anderen Dinge, denen wir alle unterworfen sind.

Wir dürfen also nicht erstaunt sein, wenn man uns auf unsere Fehler aufmerksam macht oder uns tadelt, daß wir sogleich oder sogar sehr lange diese Erregung fühlen, daß wir Widerwillen gegen etwas empfinden, was uns widerfährt, oder was uns gegen unsere Neigungen geschieht; noch weniger, daß wir mehr Vorliebe für das eine als für etwas anderes haben. Gewiß nicht, denn das sind natürliche Leidenschaften, die an sich keine Sünde sind. Ihr dürft nicht meinen, daß ihr sündigt und Gott im geringsten beleidigt, wenn ihr Regungen und Widerstreben fühlt; keineswegs, denn das geschieht unabhängig von uns. Diese verschiedenen Regungen sind keineswegs sündhaft; nicht da muß man das Messer der Beschneidung ansetzen. Viele täuschen sich, wenn sie sich einbilden, alles beruhe darauf, nichts zu fühlen. Wenn sie irgendeinen Aufruhr der Leidenschaften empfinden, halten sie alles für verloren. Ihr Armen, seht ihr nicht, daß nicht das der Teil ist, der am meisten krank ist, und nicht der, den man beschneiden muß, da ihr keine Gewalt über seine Regungen habt?

Was soll ich also beschneiden? Seht, beschneidet das, was infolge dieser Regungen geschieht, legt das Messer an den Ausdruck des Gefühls. Ihr Weltleute, beschneidet die Gotteslästerungen, die Flüche, die ungerechten und verleumderischen Worte, die aus dem Zorn entstehen; sie sind wirklich eine Sünde und eine tödliche Krankheit. Ihr Lieben, beschneidet die Gedanken des Grolls, die ihr Tage, Wochen und Monate lang im Herzen bewahrt, erwägt und aufrechthaltet, den freiwillig genährten Widerstand gegen den Gehorsam, der eurem Geschmack und eurer Vorstellung widerspricht. Ihr übrigen, sucht euer Herz ab, betrachtet sorgsam eure Leidenschaften, Neigungen und Affekte, dann schabt und stutzt alles sauber und vollständig. Begnügt euch nicht damit, einen Einschnitt zu machen, wie jene, die in der Welt leben, sondern macht eine gute geistige, innerliche Beschneidung. Das ist die zweite Bemerkung, die ich zum Evangelium mache.

Die dritte ist, daß im Alten Bund jener, der beschnitten werden mußte, sich nicht selbst beschnitt, sondern durch die Hand eines anderen beschnitten wurde. Unser Herr nun, der sich in allem und ganz den anderen angleichen und ohne Ausnahme dem Gesetz unterwerfen wollte, wollte auch nicht durch sich selbst beschnitten werden, sondern durch die Hand eines anderen, wer es auch sei. Ich weiß wohl, daß es darüber verschiedene Meinungen der Kirchenlehrer und der alten Väter gibt, aber ich will sie jetzt nicht wiedergeben; ich will nur von einer sprechen. Sie besagt, Unser Herr wollte von der Hand eines anderen beschnitten werden als Vorbild für uns, um uns zu zeigen, daß es zwar eine gute Sache ist, sich selbst zu beschneiden, noch besser aber, durch andere beschnitten zu werden. Gewiß, ich weiß zur Genüge, wie empfehlenswert die alten Einsiedler und Anachoreten sind, die in der Wüste lebten, und wie hoch man sie schätzen muß wegen der bewundernswerten Siege und Triumphe, die sie errungen haben, indem sie selbst ihr Herz und ihre inneren Leidenschaften abgetötet oder beschnitten haben, dabei unterstützt von der Gnade Gottes, angeregt und gedrängt durch die Einsprechung des Heiligen Geistes, der Heiligen und ihrer Schutzengel. Ich weiß aber ebensogut, daß die Beschneidung, die wir von der Hand anderer erdulden, die ihre übertrifft, weil sie schmerzlicher und deshalb verdienstvoller ist.

Alle Christen sind verpflichtet, sich gegenseitig zu beschneiden. Trotzdem gibt es in den Ordensfamilien und Ordenshäusern stets Personen, die sich darüber hinaus bereithalten und ständig über ihr eigenes Herz wachen, um zu erkennen, was unterdrückt und abgetötet werden muß. Folglich haben sie das Messer zur Hand, um sich selbst zu beschneiden. Das hindert sie aber nicht daran, daß sie von anderen beschnitten werden wollen, und ohne Zweifel ist diese Beschneidung schmerzlicher und fühlbarer als die andere. Es gibt stolze, aufgeblasene, hochmütige und ungeschliffene Leute; sie erkennen wohl, daß es unbedingt notwendig ist, diese Leidenschaften zu beschneiden, denn sie sind ein großes Hindernis für die Gnade Gottes. Sie sind beim Gebet und dabei entflammt sich ihr Herz im Verlangen nach dieser Beschneidung. Sie befassen sich tatsächlich mit sich selbst, sie beginnen damit und mit solchem Eifer, daß es ihnen nicht schwerfällt, mit soviel Freude und Trost, daß sie dabei eine Fülle von Tränen vergießen, die mit unvergleichlicher Freude ihren Augen entströmen. Mit einem Wort: was wir selbst ausdenken oder nach unserer eigenen Wahl und aus eigenem Entschluß tun, kostet uns sozusagen nichts; so groß sind die Schliche unserer Eigenliebe. Wenn aber zur gleichen Zeit irgendwer zu ihnen sagt: Du bist ein Tölpel, ein Lümmel oder etwas ähnliches, würde gewiß das Blut in Wallung geraten, man wäre ganz verwirrt und würde sogleich Regungen des Zornes fühlen. Das kann man nicht ertragen und man findet schöne Ausreden, um seine Gründe verständlich und geltend zu machen. Ihr seht also, wie notwendig es ist, daß ein anderer das Messer ergreift, um uns zu beschneiden, denn er weiß viel besser als wir, wo man es ansetzen muß.

Der erste unter den Aposteln, der hl. Petrus, sah im Ölgarten die Soldaten kommen, um seinen guten Meister gefangenzunehmen. Da wurde er plötzlich von einer Wallung des Zornes befallen, wandte sich an Unseren Herrn und fragte ihn, ob er mit dem Schwert zuschlagen sollte, als wollte er sagen: Ich habe zwar nur ein kleines Messer, wenn du aber willst, daß ich dieses Gesindel niederschlage, werde ich ein Blutbad anrichten. Er konnte die Antwort nicht abwarten, denn er war leidenschaftlich und aufbrausend, schlug auf einen der Soldaten ein und hieb ihm das rechte Ohr ab. Unser göttlicher Heiland billigte aber diese Tat nicht; er tadelte und schalt ihn, nahm das Ohr des Malchus und setzte es wieder an seine Stelle; dann sagte er zu Petrus (Mt 26,51f; Lk 22,49-51; Joh 18,10f): Stecke dein Schwert in die Scheide, als wollte er sagen: Du hast das Messer nicht da angesetzt, wo es notwendig ist. Diese Beschneidung ist nicht gut gemacht, denn das ist nicht der Teil, den man abschneiden muß. Du hast ihm das rechte Ohr abgeschnitten; mit dem empfängt und hört man die geistlichen Dinge, die Einsprechungen und guten Regungen. Du hast ihm das linke gelassen, mit dem man die weltlichen und eitlen Dinge vernimmt. Man hätte ihm besser dieses abschlagen sollen als das andere, damit er mehr imstande und bereit wäre, die Einsprechungen, die göttlichen und himmlischen Worte zu vernehmen. Weil du genau das Gegenteil getan hast, ist die Beschneidung nicht gut vollzogen. Seht also, wie wichtig es ist, gut zu treffen und das Messer richtig an der Stelle anzusetzen, die am meisten anfällig und krank ist.

Ich schließe, denn der Tag vergeht, und ich will die Predigt mit einer Geschichte beenden und euch dennoch ein Wort zum zweiten Teil des Evangeliums sagen. Der Prediger, der heute die große Predigt gehalten hat, begann seine Predigt mit einer wundervollen Begebenheit, die ich euch nicht vorenthalten will; sie ist ein Gericht, das auch für zwei Mahlzeiten sehr geeignet ist, ebenso dazu, meine Ansprache zu beschließen. In der Genesis (33,18-20; 34) heißt es: Jakob schlug eines Tages mit seinen Kindern und seinem ganzen Gesinde, das sehr groß war, seine Zelte nahe der Stadt Sichem auf. Jakob hatte nun eine sehr schöne Tochter namens Dina. Da sich diese Tochter in der Nähe der königlichen Stadt befand, war sie neugierig, sie zu besichtigen. Sie beschloß also, ganz allein fortzugehen, um in ihr einen Rundgang zu machen. Seht, das ist der menschliche Geist: sie ging nicht nur hin, um sie anzuschauen, sondern wie ich glaube, gewiß auch, um von anderen gesehen zu werden, denn sie war sehr schön und wußte das sehr wohl. Da ging sie nun ganz allein durch die große Stadt Sichem und besichtigte überall ihre wundervollen Sehenswürdigkeiten. Es geschah aber, daß der Königssohn sie vom Fenster aus erblickte, und da er sie mit so seltener Schönheit begabt sah, erkundigte er sich, wer sie sei. (Der junge Prinz hieß selbst Sichem, sein Vater Hamor.) Da wurde er von solcher Leidenschaft nach ihr erfaßt, daß er sie entführen ließ. Das war für ihn nicht schwierig, denn die Großen finden immer viele Leute, die ihnen helfen und ihre bösen Vorhaben fördern. Das Mädchen wurde also entführt und vom Prinzen Sichem geschändet. Darüber entstand große Aufregung, denn König Hamor und sein Sohn waren von einem anderen Volk als Dina.

Als der Vater erfuhr, was geschehen war, wollte er Abhilfe schaffen, denn er erkannte, daß sein Sohn in Dina leidenschaftlich verliebt war. Die Heilige Schrift sagt (34,3) tatsächlich, daß Sichems Seele an der Dinas klebte. Das war aber eine Bindung, die nicht sehr stark war, ein Strohfeuer, wie die Liebschaften der Welt sind, die nur drei Tage anhalten. Die Gottesliebe ist anders, denn sie bleibt in der Seele, in die sie einmal eingekehrt ist, verläßt sie nie mehr, vereinigt und verbindet sie mit der göttlichen Majestät, nicht für zwei oder drei Tage wie die irdische Liebe, sondern auf ewig. Die andere Liebe dagegen ist töricht, gefährlich und verwerflich, denn sie wird nur von Gefallsucht, Albernheit und Possen geweckt und genährt. Als nun Hamor sah, daß man zur Befriedigung seines Sohnes so weit gehen müsse, ihn mit Dina zu vermählen, beschloß er, mit Jakob darüber zu verhandeln, und ließ ihn zu diesem Zweck rufen. Da er König war, versammelten sich viele Leute und man brachte viele Gründe vor, daß die Heirat sozusagen beschlossen war.

Die Erfindungen des menschlichen Geistes sind aber sonderbar. Als Dinas Brüder Simeon und Levi erfuhren, daß ihr Vater Jakob über die Vermählung ihrer Schwester mit Sichem verhandelte, waren sie sehr empört über die Schande, die ihr widerfahren war, und beschlossen, dem König etwas vorzuschlagen, ohne das sie nicht zustimmen wollten. Sie verlangten also, wenn er eine Verbindung mit ihrem Volk eingehen wollte, müßten alle beschnitten werden. Wegen dieses Vorschlags gab es zunächst große Schwierigkeiten, aber nach vielen Vorstellungen von der einen und der anderen Seite beschloß man schließlich, dem Volk des Landes Sichem die Beschneidung vorzuschlagen. Als alle am Platz der Beratungen versammelt waren, schlug man ihnen die Beschneidung vor und führte viele Gründe an, um sie zu bewegen, dem zuzustimmen, was der König zur Befriedigung seines Sohnes wünschte. Man sagte ihnen, Jakob stamme von einem guten Volk, er verbinde sich samt seinem Volk mit ihnen, so daß sie einander stärkten, denn er habe große Herden. Kurz, man legte ihnen so viele Dinge vor, daß alle zustimmten, sich der Beschneidung zu unterziehen. Da sie aber sehr schmerzhaft war, wurde die Mehrzahl der Männer so geschwächt, daß sie halbtot waren. Als Simeon und Levi das erfuhren, gingen sie in die Stadt und richteten ein dermaßen grausames Gemetzel an, daß sie alles in Feuer und Blut tauchten, um sich für das Unrecht zu rächen, das Hamors Sohn ihrer Schwester angetan hatte.

In dieser ganzen Begebenheit fällt mir vor allem die Bereitschaft dieses Volkes auf, sich dem Willen des Königs anzuschließen, die bewundernswerte Unterwerfung, die in der Zustimmung zu seinem Willen sichtbar wird, indem man sein eigenes Leben aufs Spiel setzte, um nur seinem Sohn Freude zu machen. O Gott, werden wir so feige und zaghaft sein, daß wir unserer geistigen Beschneidung ausweichen, wenn wir heute unseren teuren Heiland sich dem Gesetz dieser Beschneidung unterwerfen sehen, um uns ein Beispiel zu geben? Indem er sein Blut vergießt, fordert er uns nicht dazu auf, das unsere zu vergießen, sondern nur dazu, unser Herz und unseren Geist vor ihm auszugießen (1 Sam 1,15; Ps 62,9; Klgl 1,19). Wie lassen wir es zu, daß er uns zu dieser inneren Beschneidung einlädt, nicht zu seinem Vorteil oder Vergnügen, sondern zu unserem Wohl, Heil und Nutzen, und wollen wir uns dann weigern zu tun, was er von uns verlangt? Werden wir wohl den Mut haben, das Volk von Sichem sich einem so harten König unterwerfen zu sehen, einzig um dem Königssohn Befriedigung zu verschaffen, und selbst so furchtsam und feige sein, daß wir unseren Geist nicht so leichten und bequemen Dingen unterwerfen?

Schließen wir mit einem Wort über den Namen, der Unserem Herrn gegeben wurde. Wir werden das mit einer anderen Geschichte beenden. Das heutige Evangelium gibt zu verstehen, daß das Vergießen des Blutes Jesu der Grund für seinen Namen war. Es ist sehr passend, daß man ihm diesen Namen am Tag seiner Beschneidung gab, denn er konnte nicht Erlöser sein, ohne Blut zu vergießen, noch Blut vergießen, ohne Erlöser zu sein. Er hätte wahrhaftig die Welt erlösen können, ohne sein Blut zu vergießen, aber das hätte seiner Liebe zu uns nicht genügt. Gewiß hätte er der göttlichen Gerechtigkeit für alle unsere Sünden durch einen einzigen Seufzer seines Herzens Genugtuung leisten können; das hätte aber seine Liebe nicht zufriedengestellt. Sie wollte, daß er mit der Annahme des Namens Erlöser sein Blut als Angeld dessen gebe, das er zu unserer Rettung vergießen wollte. Der Name des Erlösers wurde ihm an diesem Tag mit Recht gegeben, denn es gibt keine Erlösung ohne Blutvergießen (Hebr 9,22) und kein Heil ohne Erlösung, denn niemand kann in den Himmel kommen außer durch diese Pforte. So begann Unser Herr, als er Erlöser und Retter wurde, indem er diesen Namen annahm, unsere Schulden in keiner anderen Währung als mit seinem kostbaren Blut zu begleichen. Er wurde also Jesus genannt, das bedeutet Erlöser.

Die alten Väter sagen, Unser Herr hatte unter anderen Namen und Titeln deren drei, die ihm wesenseigen waren. Der erste ist der des höchsten Seienden, der ihm so sehr vorbehalten ist, daß er keinem anderen zugelegt werden kann (Ex 3,14f; Jes 42,8); in diesem Namen erkennt er sich selbst durch sich selbst. Der zweite ist der des Schöpfers, der ebenfalls nur ihm gegeben werden kann, denn keiner ist Schöpfer außer ihm; in dem Namen erkennt er sich durch sich selbst, aber er erkennt sich auch in seinen Geschöpfen. Der dritte Name ist Jesus, der gleichfalls nur ihm zusteht, weil kein anderer außer ihm Erlöser sein konnte (Apg 4,12). Darüber hinaus hat er noch einen, nämlich Christus (Mt 1,16); er bedeutet Hohepriester, Gesalbter Gottes. Seht nun, wir Christen haben an den beiden letzten Namen Anteil (1 Petr 2,9; Apg 4,12). Jetzt tragen wir den Namen Christi, nämlich als Christen, und wir alle sind Gesalbte durch die Sakramente, die wir empfangen. Im Himmel werden wir den Namen des Erlösers tragen, denn dort werden wir uns alle des Heiles erfreuen und wir werden alle Erlöste sein. Seht, wie wir nach dem anderen Namen Unseres Herrn genannt werden, denn wir werden Erlöste genannt werden.

Wie aber muß man den heiligen Namen Jesus aussprechen, damit er für uns nützlich und gewinnbringend ist? Das will ich euch sagen und zeigen durch eine Geschichte, mit der ich schließe. Dieser Name darf nicht irgendwie ausgesprochen werden. Es genügt nicht zu wissen, daß er aus zwei Silben besteht, noch weniger, ihn nur mit dem Mund auszusprechen. Die Papageien tun das wohl auch, und sie werden dadurch nicht gerettet. Unser Herr zeigt uns, wie man ihn nachahmen muß, indem er bei seiner Annahme sein Blut vergießt; denn dadurch zeigt er, daß er zu tun bereit ist, was dieser heilige Name bedeutet, nämlich die Menschen zu erlösen. Es genügt nicht, ihn mit dem Mund wiederzugeben, man muß ihn vielmehr dem Herzen eingeprägt haben. Wie glücklich werden wir sein, wenn wir in uns alles haben, was unsere Namen bedeuten! Es ist nicht alles, sich Priester, Bischof, Ordensmann oder Ordensfrau zu nennen, man muß vielmehr bedenken, ob das Leben, das man führt, mit dem Namen übereinstimmt, den man trägt. Man muß auf das Amt schauen, das man ausübt, auf die Berufung, in der man lebt, was unser Beruf ist; mit einem Wort, wie geordnet unsere Leidenschaften und Neigungen, wie unterworfen unser Urteil ist, ob unsere Handlungen mit unserem Stand übereinstimmen.

Im Buch der Richter (Kap. 11.12) wird berichtet, daß der große Heerführer Jiftach über die Amoniter siegte durch das Gelöbnis, das er dem Herrn machte. Als er aber seine Tochter geopfert und alles getan hatte, wovon die Geschichte berichtet, glaubte er Frieden und Ruhe zu haben; doch da erhob sich ein Aufstand. Die Kinder Efraims warfen ihm vor, daß er sie nicht eingeladen und nicht in den Krieg mitgenommen habe, obwohl sie tapfere Krieger waren, und daß er das ohne Zweifel getan habe, um sie zu verachten. Der gute Jiftach war über diesen Aufruhr erstaunt und sagte ihnen: Aber meine lieben Freunde, ihr wißt recht gut, daß ich euch eingeladen habe, als ich in den Krieg ziehen wollte, aber ihr habt euch entschuldigt, daß ihr nicht gekommen seid. Als daher der Augenblick gekommen war, daß ich den Kampf eröffnen mußte, habe ich es getan. Aber die Leute von Efraim wollten seine Gründe nicht einsehen und erklärten ihm den Krieg. Doch Gott stand auf der Seite Jiftachs, weil seine Sache gerecht war, und half ihm dermaßen, daß er 42 000 von ihnen tötete, so daß Efraim und das übrige Volk sehr bestürzt waren, als sie so in die Flucht geschlagen wurden. Nun stellte Jiftach am Ufer des Jordan Wachen auf, gab ihnen ein Losungswort und sagte: Fragt jene, die übersetzen wollen, wer sie sind. Wenn sie sagen, daß sie von Efraim sind, dann tötet sie; wenn sie es verneinen, dann laßt sie das Losungswort Schibbolet sagen. Sagen sie Sibbolet, dann überliefert sie dem Tod; sagen sie aber Schibbolet, dann gebt ihnen freien Durchgang. Beachtet, daß Schibbolet und Sibbolet fast gleichlautende Worte sind (Schibbolet bedeutet Ähre, Sibbolet Bürde), aber Schibbolet wird schnarrend ausgesprochen, Sibbolet dagegen feiner und zierlicher.

Wie glücklich werden wir sein, wenn wir in der Todesstunde und noch zu Lebzeiten den heiligen Namen des Erlösers gut aussprechen, denn er wird gleichsam das Losungswort sein, durch das wir freien Zugang zum Himmel erhalten werden, denn er ist der Name unserer Erlösung. Wenn Gott uns soviel Gnade schenkt, daß wir nicht eines plötzlichen Todes sterben, wird in unserer letzten Stunde ein Priester bei uns sein, der eine geweihte Kerze in Händen hält und uns zuruft: Denkt an euren Erlöser, sagt Jesus, sagt Jesus. Glücklich werden jene sein, die den Namen fromm aussprechen und mit einem Gefühl tiefer Dankbarkeit dafür, daß der Erlöser uns losgekauft hat durch sein Blut und sein Leiden; denn jene, die ihn zu diesem Zeitpunkt recht aussprechen, werden gerettet sein. Dagegen werden jene, die ihn nicht gut aussprechen, die ihn nachlässig und leichthin aussprechen, verdammt und gepeinigt werden. Wir müssen also große Sorgfalt darauf verwenden, ihn während unseres Lebens oft zu wiederholen, denn er wurde vom ewigen Vater seinem Sohn gegeben. Es ist ein Name über alle Namen, ganz göttlich, ganz mild und gütig. Er ist ausgegossener Balsam (Hld 1,2), geeignet, alle Wunden unserer Seele zu heilen. Vor diesem Namen beugen sich alle Knie (Phil 2,9f); er erfreut die Engel, rettet die Menschen und läßt die Teufel erzittern, damit wir ihn in diesem Leben preisen und ehren und dadurch würdig werden, mit den Seligen zu singen: Es lebe Jesus!


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