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Zum Fest des heiligen Augustinus

Annecy, 28. August 1621 (OEA IX,99-115; DASal 9,389-402)

Nicht in Schwelgereien ... (Röm 13,13f).

Das sind die Worte, deren sich die göttliche Vorsehung bediente, um den glorreichen hl. Augustinus vollständig zu bekehren. Der bedauernswerte junge Mann erlebte harte Kämpfe in seinem Herzen, zumal er alle Gaben der Natur und der Gnade, die ihm der Herr freigebig geschenkt hatte, elend mißbrauchte. Unter anderem war er mit einem großen Geist begabt, mit einem guten Urteil in Verbindung mit einem erfreulichen Gedächtnis. Er gebrauchte sie aber, um sich gegen Gott zu verschließen, wie er selbst berichtet, wenn er sagt: Ich gebrauchte meinen menschlichen Geist, um dem göttlichen zu widerstehen. Obwohl er einen guten Charakter hatte, hat er ihn dennoch ganz verdorben durch schlechte Gewohnheiten; er lebte in jeder Art von Freizügigkeit, wälzte sich in schamlosen Vergnügungen und war so in seine lasterhaften Gewohnheiten verstrickt, daß er die Bande seiner Sündhaftigkeit mit einer eisernen Kette verglich. Er glaubte, sie in keiner Weise zerbrechen und sich aus ihnen befreien zu können.

Da er sich nun von der Last seiner Sünden ganz niedergedrückt fühlte, andererseits eine starke göttliche Einsprechung, die ihm naheging, zog er sich ganz beunruhigt unter einen Feigenbaum zurück. Bedrängt von dem harten Kampf, der zwischen seinem inneren und äußeren Menschen entbrannt war, begann er hier wie ein zweiter hl. Paulus seinen Schmerz mit den Worten eben dieses Apostels (Röm 7,24) auszudrücken: Wer wird mich von diesem Todesleib befreien und mich von dem unvergleichlichen Kampf erlösen, den ich in den beiden Teilen meiner Seele erfahre? Wer wird mich befreien von diesem Fleisch, das wider den Geist streitet? Ach, Herr, sagte er (denn das sind seine eigenen Worte, die er selbst in seinem Buch der „Bekenntnisse“ berichtet), wie lange, wie lange noch willst du über mich erzürnt sein? Wie lange willst du meiner Sünden gedenken? Ihr Himmel, wie lange wollt ihr mir zürnen? Wie lange wird diese große Trennung zwischen euch und mir bestehen und wann werdet ihr euch mit meiner Seele aussöhnen? Auf dem Höhepunkt seiner Klagen hörte er hinter der Mauer, an der er sich befand, die Worte singen: „Nimm und lies. Nimm und lies.“ Als er hinhorchte, um besser zu verstehen, vernahm er noch einmal: „Nimm und lies.“ Er dachte bei sich, ob das nicht eine Gruppe von Mädchen sei, die diesen Gesang wiederholte, und suchte sich zu erinnern, ob nicht gerade einer im Umlauf sei, in dem sich diese Worte finden: „Nimm und lies.“ Wie ihr wißt, und wenn ihr es nicht wißt, werdet ihr es erfahren, sind in allen Städten beim gewöhnlichen niederen Volk stets irgendwelche Lieder im Umlauf, die man eher mißachten als anhören sollte. Ein solches glaubte der hl. Augustinus zu hören.

Während er nun diese häufige Wiederholung hörte, griff er nach dem Buch der Briefe des hl. Paulus, das vor ihm lag, öffnete es ohne irgendeinen Gedanken und ohne darauf zu achten, was er tat, und las die Worte, die ich zu meinem Thema gewählt habe: Nicht in Schwelgereien usw. Meine Kinder, sagt der Apostelfürst im Brief an die Römer, erhebt euch, gebt eure Ausschweifungen auf, eure Spiele und Gelage, die Trunksucht und Gefräßigkeit, verlaßt das Lager eurer fleischlichen Lüste, legt die Kleider eurer Gewohnheiten ab, und ihr werdet die Kleider und Gewohnheiten Jesu Christi anziehen. Ihr Kinder des Lichtes (Joh 12,36; Eph 5,8; 1 Thess 5,5), legt eure Kleider der Nacht ab, hütet euch, mit ihnen im Licht zu erscheinen. Über diese Worte werde ich also drei kleine Erwägungen anstellen. Dabei werden wir, allerdings knapp und recht kurz, das ganze Leben des hl. Augustinus betrachten, eingeteilt in drei Abschnitte: im ersten seine Ausschweifungen und seine Reinigung nach den Worten: Verlaßt das Lager eurer fleischlichen Lüste; im zweiten werden wir sehen, wie er die Kleider und Gewohnheiten Jesu Christi anzog; im dritten, wie er nicht mehr in Kleidern der Nacht im Licht erschien.

Um auf den ersten Punkt einzugehen: ihr wißt sicher alle, daß die Menschen auf dreierlei Weise zur Heiligkeit gelangt sind, d. h. daß sie in verschiedenem Alter und auf verschiedene Art Heilige wurden. Bei den einen gab es nichts als Heiliges, Sanftes und Wohlgefälliges. Sie begannen sehr eifrig, machten Fortschritte und fanden ein kostbares Ende. Alles war bei ihnen gut, die Blätter, die Blüten und die Früchte: ihre Kindheit, ihre Jugend und ihr weiteres Leben. Wie viele heilige Männer und Frauen haben sich seit ihrer Kindheit dem Dienst Gottes gewidmet und geweiht, die standhaft bis ans Ende ausharrten und sehr köstliche Früchte trugen. Unter ihnen ist der hl. Johannes der Täufer, dessen Enthauptung wir morgen feiern werden. Er war überaus bewundernswert in seinem ganzen Leben; an ihm gab es nichts, was nicht hervorragend war. Das gleiche könnt ihr von einer guten Zahl von Heiligen annehmen.

Wir sehen manche Pflanzen, bei denen alles zu irgendetwas zu gebrauchen ist: die Blätter, die Blüten und die Früchte. Um mich kurz zu fassen, will ich nur von einer sprechen. Betrachtet den Weinstock. Seine Blüten sind nicht nur schön anzusehen, sie sind auch geeignet als Mittel gegen das Gift der Schlange; seine Frucht dient auch, solange sie noch nicht reif ist, zum Gebrauch des Menschen (denn aus ihr bereitet man einen Saft, der für die Gesundheit sehr nützlich ist). Sie wächst aber stets weiter, bis sie ihre Reife erreicht hat; dann liefert sie uns einen sehr bekömmlichen und köstlichen Wein. Es gibt andere Pflanzen, die wahrhaft gute und liebliche Früchte tragen, die aber keine Blüten haben. Von dieser Art sind die Feigenbäume. Ihr Stamm ist rauh und hat nichts Angenehmes; ihre unreifen Früchte sind gewiß sehr herb; sie haben keinen Geschmack, schmecken im Gegenteil fad. Sind sie aber reif, so gibt es nichts so Süßes und Liebliches wie die Feige, die um so angenehmer im Geschmack ist, als sie am Anfang unschmackhaft war. Von dieser zweiten Art sind die Heiligen, zu denen der hl. Augustinus gehörte. So ist es nicht ohne geheimnisvolle Bedeutung, daß er sich ausgerechnet im Schatten eines Feigenbaumes bekehrte. Das sollte zeigen, daß die Früchte seines reifen Lebens, obwohl sein Anfang roh und schlecht war, doch sehr kostbar wurden.

Da sitzt er unter dem Feigenbaum und liest die Briefe des hl. Paulus. Sie scheinen seinem Herzen zu sagen: Augustinus, du stehst schon im 33. Jahr deines Lebens; wie lange willst du noch auf dem Lager deiner Sinnlichkeit und Wollust liegenbleiben? Verlaß es, gib diese Spiele auf, die Trinkgelage und Schmausereien, Streit und Mißgunst. Seht ihr, wie der Heilige Geist die Lanzette vor allem in die Eiterbeule seines Herzens stößt, die Quelle und den Ursprung seiner ganzen Krankheit? Es ist ja wahr, wie der hl. Augustinus selbst berichtet, daß er der abscheulichen Sünde des Fleisches sehr ergeben war. Es schien ihm unmöglich, sich dieser sinnlichen und unerlaubten Freuden zu enthalten, der Hauptursache seines Widerstandes gegen den Geist Gottes, daß er sich nicht entschließen konnte, die Wollust aufzugeben und sich aus ihren Banden zu befreien.

Er war auch sehr streitsüchtig. Als er nämlich den heftigen Streit zwischen dem Fleisch und dem Geist fühlte, stritt er gegen den Geist Gottes und leistete ihm Widerstand. Er zeigte sich aber nicht nur darin streitsüchtig, sondern auch in den Disputationen, die er führte. Er trat allen Thesen entgegen und widerlegte sie mit soviel Spitzfindigkeit und Beredsamkeit, daß er von allen gefürchtet war. In der Art des Häretikers, der er ja war, legte er es darauf an, jene, die die Wahrheit verteidigten, so zu verblüffen, daß der Schein mehr für die Irrtümer seiner Sekte sprach als für den Sinn der Heiligen Schrift, die eine einfachere Sprache führt als die der Manichäer. Er stritt auch mit allen, mit denen er verkehrte, denn da er mit einem großen und schönen Geist begabt war, wollte er keinem nachgeben, sondern immer die Oberhand haben. Obwohl nun sein Geist nicht nur schön war, sondern auch tüchtig und mit einem ausgezeichneten Charakter verbunden, hatte er auf ihn ein sehr übles Kraut gepflanzt, nämlich die Eitelkeit und das Streben nach eigenem Ruhm. Das machte ihn hochmütig, unverträglich, mißgünstig, streitsüchtig und so in seine Vorzüge vernarrt, daß er darin Philipp und Alexander übertraf, von denen die Humanisten so viel sprechen, die sie als gleich an eitlem Ruhm schildern. Sie waren beide stolz, wenn auch mit dem Unterschied, daß Alexander Lob nur für Dinge von großem Wert in sich annehmen wollte, während er es nicht anstrebte für geringe Taten, die er vollbrachte, oder für Eigenschaften, die er besaß. Philipp dagegen gewann seinen Ruhm nur aus geringen und kleinen Taten, z. B. daß er gut Laute spielen konnte, und ähnliche Bagatellen.

Der hl. Augustinus besaß wahrhaftig einen edlen Mut wie ein zweiter Alexander, der den Ruhm in großen und erhabenen Taten suchte, aber er zog ihn auch aus kleinen wie Philipp; ja er ging noch weiter und gewann ihn auch aus Dingen, die in sich schlecht waren, sogar aus der Lüge, wie er im Buch seiner „Bekenntnisse“ berichtet. Er sagt in der Tat, daß er sich vor seinen Kameraden und den jungen Freigeistern der schlechtesten, niedrigsten und unverschämtesten Taten rühmte, weil er sich schämte, nicht die gleichen Unverschämtheiten und Bösartigkeiten verübt zu haben, deren die anderen sich rühmten; er schämte sich, daß er sich schämte, nicht als so lasterhaft wie sie zu gelten. Er behauptete, auffallende Schlechtigkeiten begangen zu haben, deren er nicht schuldig war, um sich ihrer zu rühmen, um wegen dieser Ausschweifungen für einen mutigen, tapferen Mann und für großzügig gehalten zu werden.

Beachtet ein wenig das Elend des menschlichen Geistes, zu welchen Extremen die schrankenlose Jugend kommt und womit sich Gruppen von Schülern befassen, die ohne Furcht und Zucht leben. Das sieht man, wenn diese jungen Narren sich im Winter zusammenrotten und unter tausend Possen lärmend durch die Straßen ziehen. Bei ihnen gilt der als der Tüchtigste, der am besten den Narren und Kauz spielt. Auf solche Taten gründen sie ihren Ruhm. Das gleiche tat der hl. Augustinus. Er gewann ihn aber auch aus seinen Diebereien. Als er noch klein war, schreibt er, habe er geprahlt und sich gerühmt, daß er die Früchte aus dem Garten der Nachbarn gestohlen habe, und er habe sich um so mehr gefühlt, je listiger und geheimer der Diebstahl geschah, auch wenn er geringfügig war. Wenn er erzählt, was er getan hatte, ließ er die Schliche und Erfindungen seines Geistes glänzen.

Ich habe nicht bemerkt, daß man ihn beschuldigte, trunksüchtig und ein Schlemmer zu sein; wenigstens erinnere ich mich nicht gut daran. Indessen lassen uns die Worte des hl. Paulus, die er beim Öffnen seines Buches fand, die ihm vom Heiligen Geist geschickt wurden, annehmen, daß er auch mit diesem Laster behaftet war. Entfernt euch von eurer Trunksucht und Schwelgerei, sagt der Apostelfürst. Es gibt noch zwei weitere Gründe, die uns zur Annahme veranlassen könnten, daß er von ihr befallen war und sich ihrer rühmte. Der erste ist der Anteil seiner Mutter, der hl. Monika. Sie hatte diesen Fehler und hätte sich wohl häufig betrunken, wenn nicht eine gute Frau sie geändert hätte, die ihre Erzieherin in der Jugend war. Nun ist es durchaus glaubhaft, daß ihr Sohn diese Anlage und diese Neigung mit seiner Mutter teilte, genauso wie wir alle nur zu sehr teilhaben an dieser uns so naheliegenden Natur. Wie viele gibt es doch, die sich dieses Lasters rühmen! Der zweite Grund aber ist der wahrscheinlichste. Augustinus war der Fleischeslust ergeben, folglich auch der Trunksucht und Schwelgerei, denn die beiden Sünden kommen kaum je eine ohne die andere vor. Wer sich der einen ergibt, kann sich schwerlich davor bewahren, in die andere zu versinken. Deshalb lesen wir in der Heiligen Schrift, daß man alle, die wegen der ersten bestraft wurden, auch der zweiten beschuldigte. Das war also im frühen Lebensabschnitt des hl. Augustinus, der gewiß bedauerlich und bemitleidenswert war; es ist zum Erbarmen, was er darüber in seinen „Bekenntnissen“ berichtet.

Der Heilige Geist aber regt ihn zur Reinigung an, um eine vollständige Bekehrung zu bewirken. Nachdem er ihn bewogen hat, sich von seiner Sünde loszusagen, lädt er ihn nicht nur ein, seine Kleider abzulegen, sondern sich auch mit den Kleidern und Haltungen Jesu Christi zu bekleiden. Was heißt, seine Kleider ablegen, um Jesus Christus anzuziehen? Legt eure Gewohnheiten ab, sagt der Apostel (Röm 13,12; Eph 4,22-24; Kol 3,9f), mit denen ihr bekleidet seid. Die Kleider bedecken ja den Leib von allen Seiten, der in sie gehüllt ist; die Gewohnheiten tun dasselbe beim Herzen wie die Kleider beim Leib. Legt die Schwelgerei ab und zieht die Mäßigkeit an, indem ihr nüchtern werdet. Gebt die Sinnlichkeit auf, verlaßt das Lager der Lust, bekleidet euch mit der Keuschheit und betet ohne Unterlaß (Eph 6,18; 1 Thess 5,17). Legt ab die Streitigkeiten, Neid und Zorn, und bekleidet euch mit Güte und Sanftmut (Kol 3,12). Durch die unseren Lastern entgegengesetzten Tugenden werden wir die Gewohnheiten des Menschen und die Unseres Herrn erkennen, jene, die wir ablegen müssen, und jene, die wir annehmen, mit denen wir uns umgeben müssen. Wir werden über jede ein Wort sagen, wenn auch knapp und kurz, denn ich werde sie nur streifen und werde es euch überlassen, sie jeder nach Maß für sich zu kauen und zu verdauen.

Seid nüchtern, sagt der Apostel (1 Tim 3,2f.8.11; Tit 1,7f; 1 Petr 5,8), indem ihr streng werdet. Er setzt die Strenge als Hüterin der Nüchternheit ein, denn es ist sehr schwierig, mitten in Schlemmerei und Überfluß mäßig zu sein. Die Mäßigkeit ist genau genommen an sich die Enthaltsamkeit vom Übermaß im Trinken und Essen; im geistlichen Sinn aber bedeutet Mäßigkeit Armut; das ist das Wort, das man dafür verwenden muß. Darin hat sich der hl. Augustinus ganz besonders geübt und hat es auch seinen Kindern sehr empfohlen. Er hat sich vor allem bemüht, sie ihrem Geist einzuprägen. Es ist bewundernswert, wie er darüber mit sehr deutlichen Ausdrücken in seiner Regel spricht. Darin verbietet er, daß einer, unter welchem Vorwand immer, etwas als Eigentum besitzen dürfe. Um also ein wahres Kind des hl. Augustinus zu sein, muß man eine große Liebe zur Armut haben.

Ihr wißt alle, wie er sie liebte, denn er wollte keinerlei Reichtum. Er übte einen edlen Beruf aus, stammte aus vornehmem Haus; mit der Größe seines Geistes und mit seiner einzigartigen Beredsamkeit hätte er viele Ehren und Güter erwerben können, da die Beredsamkeit damals sehr geschätzt und begehrt war. Er verzichtete trotzdem auf all das, gab es auf und zog sich in eine ländliche Wohnung zurück, wo er in äußerster Armut lebte. Hier gründete er seine beiden Orden. Die einen schickte er in die Wüste, damit sie dort leichter die Armut üben konnten. Dann gründete er an der Bischofskirche, die ihm zugefallen war, eine Gemeinschaft von Priestern oder Regularklerikern, denen er seine Regel gab. Unter diese Regel haben sich seither mehrere Orden gestellt, denn sie ist so mild und sanft, daß sie für Menschen jeder Verfassung geeignet ist; dafür hat sie der Heilige verfaßt. Er hat aber den einen wie den anderen seiner geistlichen Kinder nachdrücklich die Armut gepredigt und wollte nicht einmal, daß sie die Bücher, die sie studierten, als Eigentum betrachteten, sondern ordnete an, daß man sie im Gehorsam erbat und sie dem zurückgab, der sie verwaltete.

Für sich liebte er diese Tugend so sehr, daß er es nach seiner Bekehrung ablehnte, ein sehr reiches Mädchen zu heiraten, das man für ihn ausersehen hatte. Als er Priester und Bischof geworden war, übte er die Armut in einer Weise, daß er nichts für sich behielt, all seinen Wein und sein Korn den Armen gab. Er ging so weit, daß er die Wandteppiche und den Schmuck der Kirche verkaufte, um ihrer Not abzuhelfen. Das tat er auf eine besondere Eingebung Gottes, denn außer im Notfall ist es nicht erlaubt, den Altar zu entblößen, um die Bedürftigen zu ernähren. Als er nichts mehr hatte, um es ihnen zu geben, wandte er sich an sein Volk und sagte ihm mit ganz bewundernswerter Schlichtheit, Einfalt und Offenherzigkeit: Mein sehr geliebtes Volk, ich habe nichts mehr, um dem Elend der Armen abzuhelfen; ich habe alles hergegeben, was ich besaß, ich habe dazu sogar den Schmuck der Kirche verkauft. Nun bitte ich euch, ihnen nach eurem Vermögen zu helfen; teilt ihnen freigebig mit eigenen Händen aus oder bringt mir die Almosen, die ihr ihnen zuwenden wollt; ich werde sie ihnen austeilen. Das taten die guten Leute, denn es schien ihnen, ihre Liebesgaben wären nicht gut, wenn sie nicht durch die Hände dieses heiligen und würdigen Prälaten gingen. Beachtet doch die Einfalt und Schlichtheit seiner Worte, das große Vertrauen und den Freimut, mit denen er zu seiner Herde sprach, und die Hochachtung, die diese für ihn hegte. Gewiß, um so vorzugehen, mußte sie zwischen dem Herzen eines Vaters und dem Herzen von Kindern herrschen: dem Herzen des Vaters im hl. Augustinus und dem Herzen der Kinder in seinen Untergebenen. So also wahrte er die Mäßigkeit.

Ich will nicht von der Einfachheit seiner Tafel sprechen noch von der Armut seiner Kleider, die stets aus gewöhnlichem Stoff waren. Obwohl er sich angemessen kleidete, wie es sein bischöfliches Amt erforderte, waren die übrigen Kleidungsstücke sehr ärmlich. Sowohl im Essen wie in der Kleidung begnügte er sich mit dem zur Erhaltung des menschlichen Lebens Notwendigen. Nach dem Beispiel des Apostelfürsten (1 Tim 6,8) verlangte er auch nur Brot und Wasser für seine Nahrung und ein Gewand, um seine Blöße zu bedecken, und sagte mit dem gleichen Apostel (1 Tim 6,7), alles andere sei Überfluß.Er starb in dieser Armut und machte kein Testament, denn er hatte nichts als seinen Geist, um in den Himmel zu kommen, und seinen Leib, um ihn auf Erden zu lassen. Seht, wie er sich mit der Armut bekleidete, indem er die Mäßigkeit und Nüchternheit wahrte. Darüber sollt ihr nachdenken, denn ich streife diese Erwägungen nur im Vorbeigehen.

Das zweite, wovon der hl. Paulus spricht, ist dies: Zieht die Keuschheit an und betet. In diesem Punkt hat unser glorreicher Heiliger sich ausgezeichnet. Er hat die Keuschheit mit solcher Sorgfalt bewahrt, er hat sie sosehr geschätzt und gepriesen, daß er darüber Bücher verfaßt hat, die die Bewunderung jener verdienen, die sie lesen, die sie zur Liebe dieser schönen Tugend anregen. Da er seine Unschuld nicht mehr besaß, war er um so eifersüchtiger darauf bedacht, die Keuschheit zu bewahren, so daß er viele jungfräuliche Menschen übertraf, genau wie die hl. Magdalena. So unkeusch sie zuvor war, übertraf sie doch viele Jungfrauen in ihrer Unschuld, und es gibt keine, die wegen ihrer Jungfräulichkeit so geehrt wurde wie die hl. Magdalena wegen ihrer Keuschheit, abgesehen von der seligsten Jungfrau, die über jeden Vergleich erhaben ist. Unser glorreicher Kirchenvater erschien also schöner in dieser Tugend, als wenn er sie nicht entehrt hätte; er bewahrte sie auch mit unvergleichlicher Sorgfalt und Achtsamkeit, indem er sich sehr gewissenhaft von allem fernhielt, was ihr widerspricht.

Die Keuschheit ist aber eine Gabe Gottes, die man nicht mit Brachialgewalt erwirbt und nicht durch Geschicklichkeit und Kunstgriffe bewahrt. Die Gaben Gottes reißt man ja nicht mit seinen Händen durch Anstrengung und Gewalt an sich; sie werden umsonst gegeben (Mt 10,8) und nach der Disposition des Herzens. Was muß man also tun, um diese Gabe Gottes aus seinen Händen zu gewinnen und an sich zu ziehen, da niemand keusch sein kann, wenn nicht der Herr ihm die Gnade schenkt (Weish 8,21)? Betet, sagt der Apostel, d. h. bittet um sie im Geist tiefer Demut, denn durch das Gebet werdet ihr sie erlangen und bewahren, wenn ihr sie gewonnen habt. Ich weiß wohl, daß Fasten, Bußgewand, Geißeln und Mäßigkeit (die nicht nur darin besteht, die Eßlust zu bezähmen, sondern auch auf ausgesuchte und sehr nahrhafte Speisen zu verzichten, um sich mit dem Notwendigen zu begnügen und sich einfacher und grober Speisen zu bedienen), ich weiß wohl, sage ich, daß das alles gut ist, um die einer Seele eingeflößte Keuschheit zu bewahren. Das wäre aber gewiß wenig, wenn es nicht von demütigem Gebet begleitet ist, denn die Gaben Gottes sind an die Demut gebunden. Auch der hl. Augustinus bediente sich des Gebetes, um die Keuschheit zu bewahren, durch die er die Unschuld jungfräulicher Menschen übertraf. Gedrängt vom Geist Gottes, von der Liebe und seiner Kenntnis ihrer Schönheit und Erhabenheit, verfaßte er Bücher, wie wir gesagt haben, die für Jungfrauen und Witwen bestimmt waren; sie reißen zur Bewunderung hin und führen alle, die sie lesen, dazu, diese Tugend zu lieben.

Er war also bewundernswert keusch, weil er äußerst demütig war. Die Demut ist die Tugend der Tugenden, weil sie die anderen Tugenden nach sich zieht und in der Seele bewahrt. Das machte dieser glorreiche Heilige deutlich, als er auf die Frage, welche Tugend die erste sei, antwortete: die Demut. Und die zweite? Die Demut. Und die dritte? Die Demut. So hätte er immer geantwortet, wenn man weitergefragt hätte. Damit wollte er sagen: Wenn diese Tugend auch klein ist dem Anschein nach, ist sie doch die größte; ohne sie sind die übrigen Tugenden nichts. Wie Stolz und eitler Ruhm die Pflanzstätte aller Sünden und die Nährmutter aller Laster sind, so ist die Demut die Amme aller Tugenden.

Der große Heilige gab in mehreren bemerkenswerten Dingen Proben seiner tiefen Demut, die nützlich und förderlich sein können an dem Ort, wo ich mich befinde. Deshalb kann ich mir nicht versagen, darüber zu sprechen. Ich will also den übrigen Teil meiner Predigt fallen lassen und mich damit befassen. Jeder weiß, daß der hl. Augustinus einer der größten Geister war, die es je gab, und daß er außerdem mit einem bewundernswerten Wissen begabt war. Nun, ich will nicht von den großen Männern sprechen, die im Alten Bund lebten; ich spreche von denen im Neuen Bund; bei ihnen kann er zu den ersten gezählt werden. Mir ist nicht unbekannt, daß in den Schulen die einen sagen, Platon sei der größte Geist gewesen, andere sagen Cicero. Gewiß, beide ragten unter den heidnischen Philosophen hervor, aber dabei will ich mich nicht aufhalten. Außerdem will ich keinen Vergleich anstellen, zwischen unserem glorreichen Kirchenvater und dem heiligen Apostel Paulus; ihm war das Wissen auf eine ganz außergewöhnliche Weise vom Himmel eingegossen. Aber abgesehen davon ist allen bekannt, daß man den hl. Augustinus für den größten Geist unter den Kirchenvätern des Altertums hält. Man zögert nicht, ihn Phönix der Kirchenlehrer zu nennen.

Ihr habt gewiß gehört, daß sich die Demut selten zusammen mit dem Wissen findet, das von selbst aufgeblasen macht (1 Kor 8,1), um so weniger noch mit einem so großen Wissen wie dem des hl. Augustinus. Bei ihm war es indessen mit einer so tiefen Demut verbunden, daß man nicht weiß, ob er mehr Gelehrsamkeit als Demut besaß oder mehr Demut als Gelehrsamkeit. Er besaß gewiß mehr Gelehrsamkeit als jeder andere Kirchenlehrer, denn er war deren Phönix; seine Demut war dennoch noch größer. Urteilt doch selbst. Sein Wissen hatte einen Mangel: er beherrschte die griechische Sprache nicht. Obwohl sie sinnreicher ist als die lateinische, ist sie im Stil nicht so fein wie diese. Da sich der hl. Augustinus mehr mit dem Stil als mit dem Sinn befaßte, wollte er nicht Griechisch lernen, als er studierte. Nun verheimlichte er das nicht, sondern bekannte es großzügig und freimütig. Er sagte, daß er sich für den Geringsten von allen halte, weil er von der griechischen Sprache nichts verstehe, die jedoch die sinnreichste von allen sei.

O Gott, welche Demut und Aufrichtigkeit ist das! Er verstand davon gewiß ein wenig, aber er hielt das für nichts, und es fiel ihm leicht, das zuzugeben und zu bekennen, um seiner Liebe zur Erniedrigung Raum zu geben. Hätte er nicht gestanden, daß er diese Sprache nicht beherrschte, wer hätte es vermutet, wenn er seine Disputionen hörte oder seine Schriften voll von so tiefer Gelehrsamkeit las? Niemand, denn jeder hätte geglaubt, daß sie ihm ebenso geläufig sei wie Latein. Seine Demut war aber zu groß, um diesen Mangel zu verbergen; deshalb wollte er ihn laut und freimütig bekennen. Sehen wir nun, ob unsere Heiligkeit der dieses Heiligen gleicht. Gewiß nicht, denn heute wollen jene, die zwei oder drei Worte Griechisch kennen, keine andere Sprache gebrauchen, und wie N. sehr treffend sagt, spucken unsere Prediger sozusagen griechisch, so wenig sie davon auch verstehen.

Zweitens zeigte der hl. Augustinus große Demut darin, daß er sich der Kritik seiner Schriften und seiner Lehre unterwarf; einer Kritik nicht nur von jenen, die ihm überlegen oder ebenbürtig sein konnten, was ein Kennzeichen sehr tiefer Demut ist, sondern auch von solchen, die ihm an Wissen und Würde nachstanden. Damit zeigte er, daß er sie in dieser Tugend weit überragte. Der hl. Hieronymus erteilt ihm eine Zurechtweisung, die nicht gering und nicht schmeichelhaft für ihn ist, aber würdig der großmütigen Herzensdemut des hl. Augustinus. Er behandelt ihn, wie ein Meister und Lehrer seinen Lehrling und Schüler behandelt. Er schneuzt ihm nicht mit einem leinenen, sondern mit einem härenen und recht rauhen Schnupftuch. Was macht da unser glorreicher Heiliger? Er nimmt den Tadel mit bewundernswerter Unterwerfung an. Und was sagt er dem hl. Hieronymus? Ich weiß wohl, schreibt er ihm, daß der Priester geringer ist als der Bischof und daß ich als Bischof mehr bin als du, der du nur ein einfacher Priester bist. Das betrifft indes nur die Würde, die wir in der Kirche Gottes innehaben; im übrigen weiß ich, Hieronymus, daß du mich überragst. Beachtet doch diese Demut. Deshalb unterwerfe ich mich, fährt er fort, und nehme gern den Tadel und die Zurechtweisung an, die du mir erteilst, und ich bekenne, daß du recht hast, sie mir zu geben.

Meine lieben Schwestern, beachtet die Einfalt, Aufrichtigkeit und Demut der Worte dieses glorreichen Kirchenvaters. O Gott, heute wollen wir keine Zurechtweisung. Es ist schon viel, wenn wir sie von unseren Vorgesetzten ertragen; aber von Gleichgestellten kann man sie nicht ertragen. Das Herz bläht sich auf und ist empört, denn der Gleichgestellte hat keine Vollmacht, mich zurechtzuweisen. Was die Untergebenen betrifft, davon will ich gar nicht sprechen: Hätte mir das einer meiner Vorgesetzten gesagt, würden ich es noch hinnehmen, aber von so einem kann ich es nicht ertragen, dem werde ich nicht die Autorität über mich zugestehen. Dennoch liegt hier einer der wichtigsten Punkte der Demut und der christlichen Vollkommenheit. Wir wollen wohl zugeben: Ich bin so und so; aber wir können es nicht ertragen, daß man uns das sagt. Wir würden es vielleicht noch hinnehmen von einem, der höher steht als wir, von anderen aber bestimmt nicht!

Als Ijob auf seinem Misthaufen saß, ganz bedeckt mit Geschwüren, glich er mehr einer Mißgeburt als einem Menschen. Er saß da wie ein Hund oder wie ein totes, stinkendes Pferd. Er nahm irgendeine Scherbe und schabte den Eiter von seinen Geschwüren. Es gab ja niemand, der ihm diesen Liebesdienst erweisen wollte, denn er war von allen verlassen. Nicht einmal seine Frau wollte ihm den Dienst erweisen, denn sie verspottete und verabscheute ihn; seine Freunde taten das gleiche. Wir wären gewiß sehr glücklich, wenn wir die Scherbe der Zurechtweisung ergriffen, um den Schmutz von unserem Gewissen zu entfernen. Aber ihr seid noch viel glücklicher, meine lieben Schwestern, in einem Haus zu wohnen, wo man die Zurechtweisung so genau nimmt, daß man mit ihrer Hilfe die kleinsten Unvollkommenheiten an euch verbessert. O Gott, wie groß wird euer Glück sein, wenn ihr sie im Geist der Unterwerfung annehmt wie der glorreiche hl. Augustinus.

Drittens zeigte der Heilige seine Demut im Bekenntnis seiner Fehler. Darin war er gewiß überaus bewundernswert, wie man aus der Aufrichtigkeit und Einfalt sieht, mit der er das Buch seiner „Bekenntnisse“ schrieb. Das tat er in der Blüte seiner Jahre, und er beschreibt darin nicht im Großen, sondern im einzelnen seine Fehler und Launen, seine lasterhaften Gewohnheiten und Neigungen. Wozu diese Bekenntnisse? Etwa, um sie einem Beichtvater ins Ohr zu sagen? O nein, das hatte er getan, ehe er sein Buch schrieb. Sollte es nicht dazu dienen, um es seinen Zeitgenossen zu zeigen, die ihn kannten, die leicht seine Jugend entschuldigen würden, wenn sie die Schönheit seines Geistes sähen und die Vorzüge, die er von der Natur empfangen hatte? Gewiß nicht. Sollte es dazu dienen, um es dem Volk seines Landes oder seiner Diözese zu zeigen, das wegen der Hochachtung vor seiner Heiligkeit diese Taten seiner jungen Jahre für nichts erachten würde angesichts der Tugenden, die gegenwärtig an ihm erstrahlten? Oder machte er diese Bekenntnisse vielleicht, um von den Gerechten gelobt zu werden, die gewiß seine Haltung seit seiner Bekehrung jener in seiner Jugend entgegenhalten würden? O nein, seine Bekenntnisse sind nicht an solche Menschen gerichtet. An welche dann? An alle Menschen im allgemeinen: an junge und alte, an gelehrte und ungebildete; an solche, die seine Demut bewunderten und sich an ihr erbauten, und an solche, die über ihn spotteten und Anstoß an ihm nahmen; an Männer und Frauen; mit einem Wort, er wollte, daß das elende Leben, das er in seiner Jugend geführt hatte, aller Welt bekannt werde. O Gott, wie weit ist die Heiligkeit unserer Zeit davon entfernt; sie besteht ja nur darin, seine Fehler zu verbergen, selbst vor dem Beichtvater. Gerade da liegt die Heiligkeit unserer Zeit, wie darin, die Fehler nicht zu erkennen und die Zurechtweisung nicht zu ertragen.

Hier möchte ich schließen, denn die Zeit vergeht. Gern hätte ich in einem letzten Punkt ein Wort über die Sanftmut dieses großen Heiligen gesagt, aber dazu fehlt mir die Zeit. Deshalb will ich es unterlassen und mich damit begnügen, als Abschluß dieser Predigt zwei oder drei Sätze über die Worte des hl. Paulus anzufügen: Nehmt die Lebensart Jesu Christi an. Wir sprechen in dieser Weise von denen, die gekleidet sind, und sagen: Der Mann ist in Seide gekleidet, der in Büffelleder, jener in Kamelhaar. Nun sagt der Apostel: Kleidet euch nicht in Seide, in Büffelleder oder Kamelhaar, sondern zieht die Lebensweise Jesu Christi an, die Passion Unseres Herrn, kleidet euch in das Blut des Erlösers. Wie die Kleider den Leib umgeben, so umgebt auch euer ganzes Herz und eure Affekte mit dem Erlöser, d. h. stützt euch nicht auf eure Verdienste, sondern auf die Verdienste seines Todes und seines Leidens. Das ist eine Mahnung, die der große hl. Augustinus allgemein jedermann gibt, sich nicht auf die eigenen Verdienste zu stützen und nicht zu meinen, man könnte durch sein eigenes Bemühen in den Himmel kommen, ohne von der göttlichen Gnade unterstützt zu werden. Damit wies er die Irrlehre der Pelagianer zurück, sowohl in seinen Disputationen wie in seinem Buch „Von der Gnade“, in dem er zeigt, daß wir ohne sie nichts vermögen.

Nein, meine lieben Schwestern, erhebt Ansprüche für den Himmel wie für die Erde nur durch die Verdienste des Blutes und des Todes unseres Erlösers. Glaubt nicht, aufgrund eurer guten Werke in den Himmel zu kommen, denn niemand wird dahin gelangen, außer kraft des Blutes und der Passion Jesu Christi. Tut das, was ihr tut, nicht um viele Verdienste zu haben, und forscht nicht nach, ob ihr welche habt, wenn ihr dies oder jenes tut. Das wurde schon oft gesagt, es kann aber nicht oft genug wiederholt werden. Das müssen wir alle unserem Geist einprägen, weil man von den Leuten nichts anderes hört als: Ihr habt ein großes Verdienst, wenn ihr dies tut oder jenes unterlaßt; oder auch: Bei dem oder jenem Werk werde ich verdienstlich oder nicht verdienstlich handeln. Es sieht so aus, als ob der Himmel uns geschuldet würde einzig für die Verdienste, die wir erwerben, wenn wir tun, wozu wir verpflichtet sind, oder unterlassen, was man nicht tun soll. Ich bitte euch, meine lieben Schwestern, sagt das nicht, wenn ihr echte Töchter nicht nur der seligsten Jungfrau sein wollt, denn unter ihrem Namen seid ihr errichtet, sondern auch des hl. Augustinus, weil ihr unter seiner Regel steht.

Stützt euch immer auf die Verdienste des Blutes Unseres Herrn, und wenn ihr getreu alles getan habt, dann sagt, daß ihr unnütze Dienerinnen seid (Lk 17,10). Wenn ihr das bekennt, wird Unser Herr das nicht sagen, denn er wird euch nach eurer Treue belohnen, die ihr in seinem Dienst bewiesen habt; und obwohl ihr nicht um der Verdienste willen gearbeitet habt, wird es euch am Lohn dafür im Himmel nicht fehlen. Sagt nicht: Der Mensch wird durch seine Werke viele Verdienste haben; sagt lieber: Gott hat dem Menschen große Gnaden erwiesen. Wie groß war sein Erbarmen gegen ihn! Habt kein anderes Ziel, als die Ehre Gottes zu suchen, denn dazu seid ihr in den Orden eingetreten, nicht nur, um euch aus dem Getümmel der Welt zurückzuziehen. Die heidnischen Philosophen leisteten wohl diesen Verzicht, um mehr Zeit zu haben, dem Studium der menschlichen Wissenschaften zu obliegen. Ihr seid auch nicht gekommen, um reicher zu werden; o nichts davon, denn hier wird man arm. Nicht, um mehr zu verdienen; diese Absicht wäre zu niedrig. Wozu dann? Um Gott in all eurem Tun zu gefallen, um ihm besser zu gefallen; um euch mit den Verdiensten des Leidens und des kostbaren Blutes Jesu Christi zu bekleiden. Wie kostbar sind die Kleider, die aus dem Blut des Erlösers gemacht sind, ohne das unsere Werke nicht verdienstlich sind! Es ist wahr, wenn man ein Glas Wasser aus Liebe zu Gott gibt, verdient man das ewige Leben (Mt 10,42); aber woher gewinnt es seinen Wert, wenn nicht vom Leiden des Erlösers, das diese Tat der Liebe verdienstvoll macht? Erhebt also eure Herzen und eure Affekte, glaubt nicht, daß das Verlangen des Fleisches verdienstlich sei, d. h. die Wünsche, die in diesem Fleisch leben (Röm 8,8; Eph 2,3); gründet vielmehr eure Hoffnung auf die Verdienste des Gottessohnes, der in Ewigkeit mit dem Vater und dem Heiligen Geist lebt und regiert. Amen.


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