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Zum Freitag der 3. Fastenwoche

Annecy, 18. März 1594 (OEA VII,146-152; DASal 9,46-50)

Es kommt die Stunde, und sie ist schon da, in der die wahren Anbeter den Vater im Geist und in der Wahrheit anbeten werden. Solche Anbeter sucht der Vater. Gott ist Geist, und die ihn anbeten, müssen ihn anbeten im Geist und in der Wahrheit (Joh 4,23f).

Hier haben wir eine der beachtenswertesten und kennzeichnendsten Stellen des Evangeliums. Gott selbst erklärt und gibt die Art an, wie wir ihm gut und wohlgefällig dienen sollen. Im übrigen ist diese Stelle ziemlich schwierig und wurde manchmal von den Gegnern der katholischen Kirche aufgegriffen, um den Glauben der Väter zu erschüttern. Gleichwohl sind in ihr mehrere wunderbare Geheimnisse zur Stärkung des Glaubens der Kirche und ihrer Wahrheit verborgen. Es sind dies Geheimnisse, die wir selbst niemals entdeckt hätten, wenn nicht Er, der sie zu unserem Heil geschaffen hat, sie uns durch seine Gnade sichtbar werden ließe. Bitten wir ihn also bei seinem Blut, daß er uns seiner Glorie und seiner Ehre teilhaftig mache, und gewinnen wir seine Mutter als Fürsprecherin; an sie richten wir nun den Gruß des Engels. Ave Maria.

Wenn der Jäger auf Hirsch und Hindin Jagd macht, erwartet er sie an einer Quelle, an die sie gewöhnlich zum Trinken kommen (denn diese Tiere haben einen besonders starken Durst), um sie zu fangen, wenn die Kälte des Wassers sie erschlaffen ließ, entsprechend dem Wort des Psalmisten (Ps 42,1): Wie der Hirsch nach der Quelle ruft, so sehnt sich meine Seele nach dir, mein Gott. So ging auch Unser Herr in der Begebenheit des heutigen Evangeliums zu einer Quelle, erwartete eine arme Sünderin, die in ihrer Sündhaftigkeit lechzte, um sie in meisterhafter Jagd zu fangen, nachdem er durch seine heiligen Worte die Regungen der Sünde und der Begierlichkeit in ihr betäubt hat. Doch hört in kurzen Worten den Hergang (Joh 4,1-19); dann wollen wir beim wichtigsten Punkt verweilen, der uns begegnet.

Die Jünger des Herrn tauften viele Menschen in Judäa, viel mehr, als der hl. Johannes der Täufer getauft hatte. Als Unser Herr bemerkte, daß die Pharisäer und Schriftgelehrten aus Mißgunst gegen ihn darüber aufgebracht waren, zog er weiter nach Galiläa, um dort mit seiner heiligen Predigt zu beginnen, da die Zeit seines Leidens noch nicht gekommen war und er zudem sah, daß er in Judäa keinen besonders großen Erfolg hatte. Er blieb in Kafarnaum, das an der Grenze von Sebulon und Naftali liegt, wie Jesaja (9,1) vorhergesagt: Früher war das Land von Sebulon und Naftali verachtet.

Zwischen Judäa und Galiläa lag nun Samaria. Dort war eine Stadt mit Namen Sichem, am Berg Garizim gelegen, einst berühmt als Hauptstadt des Königreichs Israel, die der abtrünnige Jerobeam erbaute (1 Kön 12,25). Abraham hatte hier einen Altar errichtet, als er nach seinem Auszug aus Mesopotamien hierher kam, da ihm dieses Land versprochen worden war (Gen 12,6f; 13,14f). Jakob schlug hier sein Zelt auf, als er aus Mesopotamien zurückkam, und kaufte einen Teil des Feldes von Hamor (Gen 33,18f). Hier wurde Dina geschändet, wurde der Sohn des Königs und viele Männer von den Söhnen Jakobs erschlagen (Gen 34). Sichem war eine Asylstadt (1 Chr 6,67) Hier wurde Josef auf einem Grundstück begraben, das Hamor gehörte und Josef zum Erbe gegeben wurde (Jos 24,32).

Hier war ein Brunnen, den Jakob gegraben hatte, und hier war Josef begraben. Als Unser Herr müde und erschöpft vom Weg, den er hinter sich hatte, hier ankam, setzte er sich am Brunnen nieder: Jesus aber, müde vom Weg, setzte sich an den Brunnen. So also, wie er war, müde und erschöpft, setzte er sich wie jeder andere Mensch. Seht ihr nicht die Güte des Herrn, die Liebe dieses Jägers, der eilt, um die Seele als Beute zu gewinnen, obgleich er müde ist und sozusagen gezwungen, sich auszuruhen? Seht unsere Nachlässigkeit: wir sind schon entrüstet über die geringste Mühe der Welt, die wir auf uns nehmen müssen, um uns selbst zu retten. Unser Herr war nicht ohne Grund müde; er war lange gewandert, und ohne Zweifel zu Fuß, denn das Evangelium sagt: Es war um die sechste Stunde und fast Mittagszeit. Die Juden teilen nämlich den Tag in zwölf Stunden ein, ebenso die Nacht.

Während nun der himmlische Jäger sich ausruht, siehe da kommt die arme, beklagenswerte Hindin zum Brunnen, die jedoch bald die glückliche und überglückliche Samariterin sein wird. Es kam eine Frau aus Samaria, um Wasser zu schöpfen. Glückselige Samariterin, du kamst, um vergängliches Wasser zu holen, und du hast das unvergängliche Wasser der Gnade des Erlösers gefunden. Glücklich warst du, Rebekka; du kamst an die Quelle und fandest dort den Knecht Abrahams, der dich zu Isaaks Frau machte (Gen 24,15.51). Glücklicher noch bist du, Samariterin, die du jetzt zum Wasser kommst und dort Unseren Herrn findest, der dich aus einer Sünderin, die du warst, zu seiner Tochter und zu seiner Braut macht. Sieh die Gelegenheit, die Unser Herr ergreift, um diese Seele zu retten. Hier an der Quelle sagt er zu ihr: Da mihi bibere; gib mir zu trinken. Unser Herr bittet uns um Werke der Barmherzigkeit, damit er Gelegenheit findet, uns Gutes zu tun. Er verlangt den Trunk nicht, um zu trinken, sondern um die Samariterin das Wasser der Gnade trinken zu lassen. So beginnt er ein Gespräch mit ihr, da seine Jünger in die Stadt gegangen sind, um Nahrung zu kaufen. Discipuli enim ejus abierant in civitatem ut cibos emerent. Da er allein mit ihr redet, ist es auch leichter, sie zum Bekenntnis ihrer Sünde zu veranlassen, von der die Frau zu ihm spricht. So sagt die Samariterin zu ihm (denn sie hat noch nicht begonnen; Bernhard, De Gratia et Libero arbitrio XIII,1: „Die Anstrengungen unseres freien Willens sind vergeblich, wenn sie nicht unterstützt werden, und nichtig, wenn sie nicht angeregt worden sind.“). Sie sagt: Wie kannst denn du als Jude von mir einen Trunk erbitten, da ich eine Samariterin bin? Die Juden verkehren nämlich nicht mit den Samaritern. Die Juden verachteten die Samariter, wie ich später zeigen werde. Diese Frau hielt ihm das vor, als sie sagte: Ihr Juden betrachtet die Samariter als Ausgestoßene; wie kannst du mich also um einen Trunk bitten? Sie weiß wohl, daß es kein verbotener Umgang ist, um ein wenig Wasser zu bitten, aber sie sagt es doch als Vorwurf.

Jesus antwortet ihr und sagt: Wenn du die Gabe Gottes kenntest und wüßtest, wer zu dir sagt: Gib mir zu trinken, so hättest du ihn wohl gebeten, und er würde dir lebendiges Wasser geben. Sieh, Unser Herr beginnt den Pfeil seiner göttlichen Liebe auf sie zu richten. Zwei Dinge: 1. Wenn du die Gabe Gottes kenntest, die der Vater der Welt gegeben hat: So sehr hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, das ewige Leben habe (Joh 3,16). 2. Und wer jener ist, der dich um einen Trunk bittet. Er ist ja jener, der gekommen ist, nicht um Gerechte zu berufen, sondern die Sünder zur Buße zu führen (Lk 5,32). Wenn du also beides erkannt hättest, die Gabe des Vaters, und daß ich diese Gabe bin (Joh 4,26).

Zwei weitere Dinge: Du hättest ihn vielleicht darum gebeten. 1. Vielleicht: der freie Wille. – 2. Du hättest ihn darum gebeten; du hättest es nicht von ihm erwartet. – Und nochmals zwei Dinge: 1. Er hätte dir gegeben; sich nicht geweigert wie du. – 2. Lebendiges Wasser: viel besseres als das, worum ich dich bitte.

Da sprach die Frau zu ihm: Herr, du hast nichts, womit du schöpfen könntest, und der Brunnen ist tief. Woher willst du also lebendiges Wasser nehmen? Wie verkennt sie die Absicht Unseres Herrn! Er spricht von der Gabe Gottes, und sie redet von der Erde. – 2. Unser Herr spricht von lebendigem Wasser, sie vom toten: Wie kann der uns sein Fleisch zu essen geben? (Joh 6,53). Bist du etwa größer als unser Vater Jakob, der uns diesen Brunnen gegeben hat, der selbst daraus trank mit seinen Kindern und seinen Herden? Seht die List: Sie ist schon vom Erlöser erleuchtet; so wagt sie nicht zu sagen: „Nein, du bist es nicht“; sie fragt vielmehr: Bist du etwa? Indessen zeigt sie sehr wohl, daß es ihr schwerfällt zu glauben. Doch achtet darauf, welch ehrenvolles Andenken sie Jakob wahrt und wie sie nach und nach zutraulich wird: patre nostro, von unserem Vater Jakob; wir alle stammen vom gleichen Vater ab.

Jesus antwortet ihr und sagt: Jeder, der von diesem Wasser trinkt, wird wieder dürsten. Wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird in Ewigkeit keinen Durst mehr haben. Betrachten wir ein wenig den Unterschied zwischen beiden Arten von Wasser: das eine stillt den Durst, aber nicht für lange Zeit; das andere dagegen in Ewigkeit ... Es handelt sich hier um zwei verschiedene Arten von Durst: den des Leibes und den der Seele, denn die Wünsche sind ein Durst der Seele; von ihm sagt der Herr: Er wird nicht dürsten, und der Psalmist (Ps 42,2: Vulg. ant.): Meine Seele dürstet nach Gott, der lebendigen Quelle. Doch der Heilige Geist stillt dem, der ihn durch die Gnade empfängt, den Durst des Leibes und der Seele in dieser und in der anderen Welt. In dieser Welt: Ich erachte alles als Kehricht, damit ich Christus gewinne (Phil 3,7f); aber unvollkommen, denn er bleibt stets im Menschen: Ich fühle in meinen Gliedern ein Gesetz, das dem Gesetz meines Geistes widerstreitet (Röm 7,23). In der anderen Welt vollkommen: Ich werde gesättigt sein, wenn deine Herrlichkeit sichtbar wird (Ps 17,15). Die Wasser löschen den ewigen Durst nicht; das können nur die Wasser des Heiligen Geistes. Denken wir an die Parabel von Lazarus und dem unglücklichen Reichen (Lk 16,19-31). Doch das Wasser, das ich ihm geben werde, wird in ihm zu einer sprudelnden Quelle des ewigen Lebens. Das Wasser steigt ebensoviel, als es fällt. Er wird eure sterblichen Leiber auferwecken durch seinen Geist, der in euch wohnt (Röm 8,11) ... Die Frau sagt zu ihm: Herr, gib mir von diesem Wasser, damit ich nicht mehr dürste und nicht mehr hierher kommen muß, um Wasser zu schöpfen. Sie glaubt, daß Unser Herr größer ist als Jakob und daß er besseres Wasser gibt. Aber sie erbittet es für das Zeitliche, da sie noch nicht erleuchtet ist.

Jesus sagt zu ihr: Rufe deinen Mann. Sie antwortet: Ich habe keinen Mann. Da sagt ihr Jesus: Du hast richtig gesagt, daß du keinen Mann hast. Fünf Männer hast du gehabt, und der, den du jetzt hast, ist nicht dein Mann. Du hast die Wahrheit gesagt. Die Frau sagt zu ihm: Herr, ich sehe, daß du ein Prophet bist. – Sündenbekenntnis. – Ich habe gesagt: Ich gestehe meine Ungerechtigkeit dem Herrn, und du hast mir die Bosheit meiner Schuld vergeben (Ps 32,5).


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