Salesianische Zweimonatsschrift "Licht"
Ausgabe Mai / Juni 2005
Wie die Seeschwalben
Immer offen für den Himmel
Dass Gott aus reiner Liebe den Kontakt zum Menschen sucht, das ist so
sicher wie das Amen in der Kirche. Damit das gelingt, müssen aber
auch wir für ihn offen sein. Franz von Sales macht das an den Seeschwalben
deutlich, deren Nest nur zum Himmel hin eine kleine Öffnung hat.
Überlegungen von P. Gottfried Prinz OSFS.
„Die Nester der Seeschwalben halten sich mitten in der Brandung
über Wasser. Genau so soll auch dein Herz sein.“ Franz von
Sales (vgl. DASal 1,143)
Die Seeschwalben bauen ihr Nest kugelförmig und lassen nur oben eine
kleine Öffnung. Auf die Wellen des Meeres gesetzt, ist dieses Nest
so fest und dicht, dass kein Wasser eindringen kann. So hoch die Wogen
auch gehen mögen, die dagegen anstürmen; die Nester der Seeschwalben
halten sich mitten in der Brandung über Wasser und beherrschen das
Meer. So muss auch dein Herz sein.“ (DASal 1,143)
Geborgen in Gottes Vorsehung
Franz von Sales verwendet dieses Bild von den Seeschwalben in seiner „Anleitung
zum frommen Leben“ im Kapitel über die „Armut im Geiste,
wenn man reich ist.“ Und er führt weiter aus: „Hast du
Besitz, so halte dein Herz frei von der Liebe dafür; es soll immer
über den Reichtümern stehen und sie beherrschen, inmitten der
Reichtümer arm sein.“ Das Bild von den Seeschwalben und ihrem
Nestbau kann uns aber auch ein guter Wegweiser für unser ganzes Leben
aus dem Glauben, für unser Leben in Verbundenheit und Einheit mit
Gott sein. Im Glauben an den uns liebenden Gott wissen wir uns geborgen
und sicher in Gottes Vorsehung. Mitten in der Brandung des Meeres fühlen
wir uns gesichert, so hoch die Wogen auch stürmen und toben mögen.
Wir wissen uns von Gottes Liebe und Güte umgeben und begleitet. „Herr,
du hast mich herausgeholt aus dem Reich des Todes, aus der Schar der Todgeweihten
mich zum Leben gerufen“, betet und bekennt der Glaubende mit dem
Psalmisten (Ps 30,4).
Frieden und Gelassenheit
Während ich diese Zeilen schreibe, denke ich unwillkürlich an
die vielen Opfer der großen Flut unmittelbar nach Weihnachten 2004
in Südostasien und hoffe für sie und mit ihnen, dass diese Trostworte
des Psalmensängers auch ihnen und ihren trauernden Angehörigen
gelten und damit in aller Betroffenheit und Trauer Frieden schenken. Tiefen
Herzensfrieden und befreiende Gelassenheit will Gottes unergründliche
Liebe und Barmherzigkeit uns unverdient und un-verdien-bar, aus seinem
Wesen heraus schenken. Er will uns befreien aus aller Unruhe und Hast,
aus aller skrupelhaften Ängstlichkeit und Bedrängnis im Glaubens-
und Gebetsleben. Er will keine Sklaven oder Knechte, die aus Angst vor
der Strafe des zürnenden Gottes zittern, sondern Kinder, die sich
über die große Güte des Vater- und Mutter-Gottes freuen
und gern die Zeichen seiner übergroßen Liebe als Geschenk entgegennehmen.
Franz von Sales hat die Größe und Tiefe der Liebe Gottes sehr
persönlich in seiner Jugend befreiend erfahren und ist dadurch zum
großen Lehrer der Frohen Gottesliebe geworden. Er kündet sie
voll Freude einer jungen Frau, die ihm ihre Unruhe im Gebet klagt, verbunden
mit einer großen Hast, etwas zu finden, das ihren Geist festhalten
und befriedigen könnte. Franz schreibt dieser jungen Frau, deren
Namen uns nicht bekannt ist: „Ihre Unruhe im Gebet, verbunden mit
großer Hast, genügt allein, Sie daran zu hindern, das zu finden,
was Sie suchen. Hand und Augen gleiten oft hundertmal über einen
Gegenstand, ohne ihn gewahr zu werden, wenn man ihn übereifrig sucht.
Um Ihnen dabei zu helfen, denken Sie daran, dass die Gnaden und Güter
des Gebetes nicht Wasser der Erde, sondern des Himmels sind, und dass
dem gemäß alle unsere Anstrengungen sie nicht erreichen können,
obwohl es wahr ist, dass wir uns darauf mit großem, aber demütigem
und ruhigem Eifer vorbereiten sollen. Wir müssen unser Herz dem Himmel
offen halten und den heiligen Tau abwarten.“ (DASal 6,47)
Mein Herz dem Himmel offen halten
Es tut gut und ist wertvoll, mein Leben in dieser Welt neu zu überlegen,
zu fragen: Warum lebe ich? Braucht mich jemand? Braucht mich Gott?
Bin ich auf der Welt, weil Gott die Liebe ist, weil Liebe teilen, sich
teilen, sich mitteilen will? Will er mit mir seinen göttlichen Reichtum
an Leben, an Liebe teilen? Hat er mir deshalb Herz und Verstand gegeben,
damit ich ihn, sein Wirken, Lieben erkenne? Hat er mir dafür meine
Augen gegeben, damit ich sehe, was er geschaffen hat? Bin ich dazu auf
der Welt, um Gottes große Pläne zu studieren, immer tiefer
zu erschauen? Sie als sein Mitarbeiter im Werk der Schöpfung zu durchschauen
und zu verwirklichen? Wenn so der Plan Gottes ist, wie groß denkt
dann Gott vom Menschen. Wie groß darf ich selbst dann von mir und
dem Sinn meines Erdenlebens denken?
Wie töricht, wenn ich geringer davon denke. Wie werte ich mich selbst
ab, wenn ich das vergesse, darauf verzichte, diesen Blick zu tun und dafür
offen zu sein. Wie dumm, wie schade, wenn ich mich mit weniger zufrieden
gebe.
Ich will es heute neu fest in den Blick nehmen, wozu ich auf der Welt
bin und will mit neuer Aufmerksamkeit mein Herz dem Himmel, dem liebenden
Gott offen halten.
P.Gottfried Prinz ist Oblate des heiligen
Franz von Sales und Sekretär der Arbeitsgemeinschaft für Salesianische
Studien. Er lebt in Eichstätt, Bayern
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