Salesianische Zweimonatsschrift "Licht"
Mai / Juni 2007

ianische Zweimonatsschrift "Licht"
Mai / Juni 2007

Vom Beten mit stinkenden Socken
Katharina Grabner-Hayden

So unterschiedlich wie die Menschen, so unterschiedlich sind deren Gebetsformen und Gebetsorte.

Als ich kürzlich mit meinem Kinderwagen spazieren ging, hielt ein PKW auf der Straße an. Der Fahrer, ein nicht Ortskundiger, wollte den Ort wissen, wo sich jährlich die Druiden im Wald treffen. Ich hielt die Frage für  einen Faschingsscherz und gab ihm leicht süffisant lächelnd den Ort an, an dem das diesjährige närrische Faschingstreiben stattfand. Verärgert über diese Auskunft fuhr er weg und ich hörte ihn noch so etwas Ähnliches wie „ignoranter Bauerntrampel“ murmeln. Da wollte doch tatsächlich jemand zu einem Druidentreffen wie bei Asterix und Obelix fahren. Und noch verrückter: Dieses Treffen fand wirklich statt, wie ich später erfuhr!!!!!

So genannte Kraft- oder Energieorte erfreuen sich in unseren Breiten eines regen Zuspruchs. Man pilgert zu Steinen, Steinkreisen, mythologischen Waldlichtungen, zu „Wegen der Erkenntnis und der Erleuchtung“, Quellen, Aussichtspunkten, in Höhlen, zu Wasserfällen (dort sei die göttliche Kraft am ursprünglichsten, heißt es, noch unverbraucht!), zu Tümpeln, Weihern, alten Bäumen, …
Kein Problem, doch was suchen die Menschen dort? Ihren Gott, eine Stimme, Erleuchtung?
Jeden Sonntag gibt es mit unseren drei halbwüchsigen Söhnen die gleiche leidliche Diskussion. Warum sollen wir schon wieder in die Kirche gehen? Man könne doch auch ohne diese alten Gemäuer beten? Ich muss ihnen Recht geben.

Ich bete, wann und wo immer es passt. Und das passt genau dann, wenn ich meine Gedanken zu etwas Anderem erhebe, zu etwas Anderem hinwende, auch wenn es nur für einen kurzen Moment ist.
Das passiert beim Abwaschen, Bügeln, beim Gartenarbeiten, beim Lateinvokabelnabprüfen, beim Trösten, wenn schon wieder eine Schularbeit ein Misserfolg war, beim Autofahren, beim Schreiben, beim Kochen, beim Einkaufen, bei Telefonaten, beim Duschen, beim Windelwechseln, beim Warten bei Ärzten, beim Sortieren der Wäsche, manches mal auch mit einem kleinen Fluch auf den Lippen, weil ich das Unvermögen meiner vier Männer nicht ertragen kann, die die schmutzigen Socken stets von ihren Füßen schieben und diese dann als Sockenknäuel unachtsam in den Wäschekorb schmeißen … und trotzdem liebe ich sie alle heiß. (Jede Frau, die diesen Artikel liest, weiß, wie unangenehm und vor allem geruchsintensiv dieser Vorgang ist, wenn man den Socken wieder in die richtige Richtung drehen muss, … aber das nur am Rande). Ich mach´s auch in diesen Momenten. Zuerst fluchend und dann lächelnd, weil jeder ein anderes Knäuel dreht. Aber ich mach es, weil es passt. Weil es in mir ist. Meine Gedanken, meine Gebete.

Das Argument meiner Kinder stimmt. Man braucht keine riesigen sakralen Räume und weihrauchgeschwängerten Kirchen, um beten zu können, auch keine Räucherstäbchen und Steinkreise, keine Tümpel und Bäume. Wenn ich Gott nicht fühlen kann und will, helfen einem auch die mystischsten Orte nichts, man wird Gott nicht an Orten finden, man trägt ihn ja in sich. Egal an welchem Ort. Logisch und einfach? Und doch so kompliziert. Orte können vielleicht helfen, zur Ruhe zu finden, um leichter, weil stiller in sich hinein zu hören.
Gedanken können leichter gedacht werden. Verworrenheit wird an diesen Plätzen leichter gelöst, dazu sind Orte gut und wichtig. Die Pilgerschaft ist aber eine Wanderschaft in sich selbst. Eine Suche und ein mögliches Finden.

Franz von Sales meinte darüber einmal: „Gott soll in deinem Herzen eine Wohnung finden.“ (Wörtlich: „Schenken Sie ihm ihr Herz, auf dass es Seine Wohnung werde“ DASal 12,199). Wir haben ihm millionenfach Wohnungen gebaut, Kirchen, riesige Kathedralen, alles aus Stein. Unbedacht der Möglichkeit, dass er ja eigentlich in uns leben und wohnen wollte. Tief in unseren Herzen und in unseren Gedanken. Wir schwitzen und mühen uns ab beim Erhalt dieser gigantischen Vermögenswerte, schauen sorgenvoll in die Zukunft, um effizienter die alten Bilder aufrecht zu erhalten, suchen ihn als möglichen Druiden in entlegenen Wäldern, an Orten, wo er gar nicht ist. Er lebt in jedem Menschen, in jedem Ausdruck menschlicher Nähe und Liebe. In jedem von uns.
Es ist wie bei den Socken meiner  lernfaulen und ignoranten Männer. Vielleicht sollten wir versuchen, das Knäuel in uns in eine richtige Richtung zu drehen, dann hätte ER es nicht so schwer mit uns.        

Katharina Grabner-Hayden ist Unternehmensberaterin. Sie ist verheiratet und
hat vier Söhne.



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