Salesianische Zweimonatsschrift "Licht"
November / Dezember 2009


Die Früchte des Lebensbaumes
P. Peter Lüftenegger OSFS

In der Philothea (V,15) schreibt Franz von Sales: „Teure Entschlüsse, ihr seid der schöne Lebensbaum, den Gott mit seiner Hand in mein Herz hinein gepflanzt. Mit seinem Blut hat mein Heiland ihn begossen, damit er Frucht bringe. Lieber tausendmal sterben als zulassen, dass der Strom ihn entwurzle: weder Eitelkeit, noch Vergnügungen, nicht Reichtümer, noch Leiden werden jemals mein Vorhaben zerstören können. – Heiland, du hast diesen Baum gepflanzt und in deiner Vaterhuld ihn für deinen Garten bestimmt. Wie viele Seelen gibt es, denen solche Gunst nicht zuteil wurde. Wie kann ich demütig genug für deine Barmherzigkeit danken? (…) Nach diesen Affekten musst du die Mittel einzeln sehen, um die heiligen Entschlüsse auch zu halten. Du musst beteuern, dass du sie gewissenhaft anwenden willst: häufige Betrachtungen, oftmaligen Sakramentenempfang, viele gute Werke, Besserung der Fehler, die du erkannt hast, Meiden der schlechten Gelegenheiten, Befolgung der Ratschläge, die dir dafür gegeben werden.
Hast du das getan, so schöpfe wieder Atem und neue Kraft. Beteuere oft und oft, dass du auf deinen Entschlüssen beharren willst. Weihe, opfere deine Seele Gott auf, wie wenn du sie mit Herz und Willen in deinen Händen trügest. Beteure, dass du sie nie wieder zurücknehmen, sondern in Gottes Hand legen willst – um in allem und immer seiner Einladung zu folgen.“

Spürt ihr, wie sehr es Franz von Sales auf der Seele liegt, euch für Gott und damit für das ewige Glück gerettet zu wissen – wie schwer die Freiheit wiegt und es in unserer Hand, in unserem Willen liegt, in dieser uns selber betreffenden wichtigsten Angelegenheit nicht unachtsam, nicht nachlässig zu sein?!

Das Leben ist ein ernstes Spiel. „Tod und Leben stelle ich euch vor – wählt das Leben!“ mahnt Mose das Volk, das aus der Sklaverei Ägyptens hinweg zieht, dem gelobten Land der Verheißung entgegen – durch Wüste und Prüfung (aber nicht nur), sondern es mit Manna und Wasser aus dem Felsen versorgt, ihm die Hindernisse aus dem Weg räumt, ihm das lebensträchtigste Gesetz, die Zehn Gebote gibt. Befolgen sie es, wandert man sicher dem Ziel zu. Mit ihnen zieht, verborgen noch in der Verheißung, Christus, der Fels.
Eines war doch dabei deutlich zu erkennen: Gott war auf dem ganzen Weg mit ihnen und hat sie oft getragen, wie ein Vater seinen müde gewordenen Sohn trägt. Sollte er nicht auch uns über Hindernisse und ermüdende Wegstrecken tragen? Er liebt uns doch und lässt uns nie aus den Augen. Nachdem er uns getragen hat, muss er uns wieder auf die eigenen Füße stellen – damit wir selbständig werden. Wir sollen für den Himmel tauglich werden, um das Wunderland der Ewigkeit zu erobern. Im Himmel erwartet man heile, vollkommene Menschen, die Jesus und Maria ähnlich, in die Gemeinschaft der Heiligen passen.

Der Weg machte das Volk stark im Glauben und sehend.

Es geschahen schlimme Dinge unterwegs. Gott vernichtete sie nicht. Es schieden sich die Geister. Sie wurden sich der Verantwortung bewusst – Gott erzog sie zur Selbständigkeit. Erkennen soll der Mensch – die Person darf mündig werden und zur Persönlichkeit heranreifen – der Weg hilft dazu. Jesus sagt sogar: „Ich bin der WEG.“ Durch Umgang mit ihm und aus Erfahrung lernen wir Gutes und Böses unterscheiden und ausscheiden. In der Schule des Lebens ist der Schmerz ein strenger aber weiser Lehrmeister – oft der einzige Ausweg aus dem Dilemma, in das wir geraten sind, weil wir links oder rechts vom rechten Weg abgewichen sind. Dann müssen wir uns korrigieren, oder umkehren, wenn wir in die verkehrte Richtung abwärts laufen.

Der Baum des Lebens wächst am Strom des Lebens.

Er bringt die guten, köstlichen Früchte hervor, die für unsere himmlische Hochzeitstafel taugen: Tugenden. Jeder Mensch ist ein Baum des Lebens, wenn er an dem Strom bleibt, der aus Gottes Herzen fließt. Die Quelle ist „das ewig offene Herz des Vaters“. Es ist „HERZ“, weil der ewige Gott die LIEBE ist; es ist offen, weil sich Liebe mitteilen will; es kann sich in grenzenloser Fülle an die unermessliche große Schar mitteilen, weil die Liebe das unendliche Gut ist, das sich vermehrt, wenn es sich verschenkt.

Die Weihnacht ist der Auftakt und gibt die Erklärung, um was es geht.

Gott wird ein Kind – also geht es um Kindschaft. Auf dessen Schultern ruht die Weltherrschaft (Jes 9,1–6). Es setzt den Kriegen ein Ende. Einem Kind kann man es glauben – seine Waffe ist allein die Liebe, die es braucht, um alles zu versöhnen – um den allumfassenden Frieden zu bringen. Die Liebe ist von Gott her das Tragende, der Glaube von mir zu ihm der Weg, das Vertrauen als Macht der Hoffnung ist die Brücke über den Abgrund. Maria aber ersetzt dem Sünder das fehlende Vertrauen. Darum beten wir: „Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder …“ n

P. Peter Lüftenegger ist Oblate des hl. Franz von Sales und arbeitet als Seelsorger in der Pfarre Franz von Sales in Wien, Österreich


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