Salesianische Zweimonatsschrift "Das Licht"
Ausgabe 2 März/April 2000

 

P. Peter Lüftenegger OSFS

Licht vom Licht

"Gott ist nur Licht. Man weiß ja, dass unsere Augen nicht fähig sind, das Licht oder die Klarheit der Sonne zu betrachten, ohne zu erblinden," sagt Franz von Sales (DASal 9,208).
Er berührt zwei Tatsachen: erstens, dass Gott Licht ist und nichts Finsteres (Böses) in ihm sein kann; zweitens, dass wir jetzt seine Herrlichkeit noch nicht zu sehen vermögen. – Viele haben die Sonnenfin-sternis am 11. August 1999 erlebt. Es sind Millionen Schutzbrillen verkauft worden, damit man ohne zu erblinden den Vorgang am Himmel beobachten konnte. Nur wenig konnte man sehen, aber immerhin – wenn nicht die Sonne von Wolken verdeckt war. Der Unglaube ist wie die Nacht, der Zweifel wie Wolken.

Im Reich des Geistes ist es der Glaube an Jesus Christus, um etwas von Gott "sehen" zu können – ohne zu erblinden (ganz irre an ihm zu werden) und am Leben zu bleiben. Als Mose Gottes Angesicht zu sehen wünscht, sagt Gott: "Du kannst mein Angesicht nicht sehen. Kein Sterblicher sieht mich und bleibt am Leben." (Ex 33,20) Man muss erst hinüber kommen ins ewige Leben, um Gott von Angesicht zu schauen. Und nur "in seinem Licht schauen wir das Licht."

Dieses "Licht vom Licht" ist Jesus Christus. Er sagt: "Selig, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen." (Mt 5,8) Reinheit ist Heiligkeit und eine Tochter des Lichts, das Gott selber ist. Die Gottesfurcht eröffnet den Weg zur Weisheit. Die Gottesfurcht – die nicht Angst ist, sondern Ehrfurcht – ist ja selbst schon ein Licht, das wie ein Scheinwerfer in die Ewigkeit hinüber leuchtet. Das weitaus Beste kommt ja immer erst. Der Lebenshunger bestimmt unser Dasein. Das LEBEN, das auf uns wartet, wenn wir uns dessen würdig erweisen, ist Gott selbst. Bemühen wir uns um ein reines Herz, denn ein solches schaut Gott.

Wie erweisen wir uns seiner würdig? Wie werden wir Licht von Seinem Licht?
Indem wir Gottes WORT hören, denn das macht rein (vgl. Joh 15,3); wenn wir barmherzig sind, denn das macht gut; wenn wir die Wahrheit lieben, denn das macht frei. Reue und das Sakrament der Buße bringen die verlorene Gnade wieder. Befreit von der Sünde haben wir als Frucht die Heiligung (vgl. Röm 6,22). Die ehrfürchtige Liebe vollendet die Heiligung (vgl. 2 Kor 7,1).
"So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen." (Mt 5,16) Er verlangt das Bekenntnis vor den Menschen.
Ein "Werk" muss dem allem vorausgehen. Die Juden fragten Jesus in Kafarnaum: "Was müssen wir tun, um Gottes Werke zu vollbringen?" Jesus antwortete ihnen: "Das ist das Werk Gottes, dass ihr an den glaubt, den der Vater gesandt hat." Und Jesus fügte hinzu: "Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen." (vgl. Joh 6, 28f. 37) Der Glaube ist kein äußeres Tun, keine Leistung, sondern ein inneres Tun – ein Auftun des Herzens – credo = cor dare: das Herz darbieten.

Erkennen wir, dass Glaubenkönnen an Jesus Christus eine große Gnade ist? Er ist Einladung und Weglicht. Er bringt den Zugang zum ewigen, heiligen, unerschaffenen, unermesslichen, allmächtigen, guten Gott. Das ewige LEBEN wartet auf uns.
Als seine Lichtwelt existieren wir und umgeben wir ihn zusammen mit den Engeln. Er wünscht, dass wir ungezwungen zu seiner Lichtwelt finden und Ihm gehören; denn ER ist das Licht.

Weil Gott Liebe ist, ist er Licht. Fragen wir die Heilige Schrift, so beweist sie uns dies schon am Anfang. Als noch die Finsternis über dem Abgrund lag, sprach Gott: "Es werde Licht." (Gen 1,3) Und es wurde Licht.
Das war die Erschaffung der Lichtwesen von rein geistiger Natur: der Engel – damit sie dann mit dem Sohn Gottes in die Tiefe hinabsteigen, den Menschen beistehen und ihnen das tausendfach herrliche Licht der Höhe bringen. Er zieht uns mit Banden menschlicher Liebe zu sich. Denn der Sohn Gottes ist in Maria Unsereiner geworden. Uns zur Hochzeit einzuladen ist er gekommen.
Wir sollten sein wie die Sonnenblumen, die schon dem Morgenlicht ihr Antlitz zuwenden. Gebet enthält Licht, Kraft und Wärme oder Frische – je nachdem, wie wir es brauchen. Blumen suchen das Licht.
Unser Herz sucht Gott und ist unruhig, bis es ins Lichtmeer seiner Liebe eintauchen darf. Gott ist groß, Gott ist gut – und er ist uns so liebend, verzeihend nahe in Jesus. Wie beseligend ist es, wenn der Glaube Ihn endlich als Schatz im eigenen Herzen entdeckt. Nur: Geh hin und sündige nicht mehr! – Denn die Hölle gibt es auch. – Jesus will verhindern, dass der Feind uns täuscht und verführt.

Das Vorläufige ist Gleichnis für eine hintergründige Wirklichkeit.
Es gibt Sonnentage und Sonntage. Was ist ein Urlaub ohne Sonne? Nebel, Regentage bedrücken das Gemüt, Sonnenschein hellt es auf. Wir sind nach Licht hungrig wie die Blumen. Die in der Sonne gleißenden Schneefelder sind doppelt attraktiv. Der weiße Lichtstrahl enthält die sieben Farben des Regenbogens. Es gibt eine Reflexion, Beugung und Brechung des Lichtes – die verborgene Welle und die zutage tretende strahlende Energie. Die Lichtgeschwindigkeit ist unser Weltraummaß – Sphärenmusik, die von den großen Teleskopen eingefangen wird. Den siebenfachen Erdumfang – das sind
300 000 km – eilt das Licht in der Sekunde hinaus in den Weltraum und kündet von Sternenwelten, die Millionen und Milliarden Lichtjahre entfernt sind. Gott ist groß.

Dem Licht entspricht das Wunderwerk des Auges.
Was nützte es, wenn wir kein Organ dafür hätten und das äußere Werk des Schöpfers nicht sehen könnten? Das Auge des Herzens aber sieht weiter und anderes. Wir nennen den Tag, der Gott gehört "Sonntag". Die Seele erkennt da ihren Erlöser und ihre Auferstehung. Sie erlebt die Hingabe ihres Schöpfers im Opfer, empfängt in der Hostie den Beweis der göttlichen Liebe, die das Leben hingab, damit wir es empfangen. Er ist bis ans Äußerste gegangen, um uns zu retten.
Wie in der Natur draußen das Licht durch eine Verunreinigung kleinster Lichtpunkte entsteht, so geschah unsere innere Erleuchtung und Errettung durch die Sendung des WORTES in die Welt. So sehr hat Gott die Welt geliebt!
Es ist dies der Sturz aus dem Alpha ins Omega. Der Sühnetod Christi gibt alle Energie frei uns zu erlösen, rettet uns aus Sünde und Untergang und hebt unseren Geist aus moralischer Verderbnis ins Kraftfeld göttlichen Wohlwollens. Die Buße und die Mühe des Aufstiegs lohnen sich – sie bezeugen Gott unsere Liebe und führen zum Licht.
P. Peter Lüftenegger ist Oblate des hl. Franz von Sales und arbeitet als Spiritual in Gablitz bei Wien
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