Liturgie
     
 

Predigtvorschlag 2

Philothea: Wider dem Alltagsatheismus

Liebe Schwestern und Brüder,

Da gab es einmal einen Traum. Die Träumer trugen Namen wie Abraham, Mose, Hosea, Jeremia, Jesaja und zuletzt Jesus. Sie alle setzten ein Gerücht in die Welt, ein Gottesgerücht. Das Gerücht Gottes von einem Traum über ein Volk, das Salz der Erde ist und Licht der Welt; das, weil es ja SEIN Volk ist, Frieden stiftet, Befreiung bringt, Armen die Frohbotschaft verkündet und Leben in Fülle bereitet; das SEIN Reich aufbaut, ein Reich, in der die göttliche Schöpfungsordnung von Menschen, Tiere, Pflanzen, Natur wieder hergestellt ist.

Der letzte Träumer dieses Gottesgerüchtes, Jesus Christus, Gottes eigener Sohn, redete nicht nur von diesem Traum, sondern begann ihn zu verwirklichen, damit alle sehen können, wie es gemacht wird. Er starb für seinen Traum am Kreuz, damit die Menschen von all dem erlöst sind, was sie noch hindert, diesen Traum zu verwirklichen.

Am Anfang lief es dann auch sehr gut weiter: Das Volk, das gewillt war, Jesus nachzuahmen, wurde groß und mächtig und war plötzlich wirklich zu Positionen aufgestiegen, wo Änderungen eingeleitet hätten werden können, - hätten -, denn der Traum wurde plötzlich als utopisch abgetan, als undurchführbar, als etwas, das erst im Himmel droben Gestalt gewinnen kann.

Ziel wurde es, die Erde zu vergessen und den Himmel zu erreichen. Eine Trennung fand statt, die Trennung von Traum und Wirklichkeit, von Leben und Glauben, von Kirche und Welt. In den Kirchen, hieß es, träume und bete, draußen aber, in der Welt herrschen andere Gesetze. Und sogar die aktiven Christen stimmten dem zu. Ein neueres Mitglied dieses Volkes meinte etwa: „Mit diesem biblischen Firlefanz kann man keine Politik machen. Das ist etwas für später.“

Es entstand der „Alltags-Atheismus“ - die Gottlosigkeit, die Ausklammerung vom Traum Gottes im praktischen Leben draußen.

Konkret:
Millionen Stimmen beten Messe für Messe, Gottesdienst für Gottesdienst um Frieden - draußen sind dieselben Christen plötzlich für die Politik der atomaren Abschreckung.
Millionen Stimmen preisen Gott den Schöpfer der Natur, den Geber aller Gaben, man begibt sich auf Flur- und Bittprozessionen, um Gott für die Erhaltung der Natur zu bitten, damit man ihm wieder für eine große Ernte danken kann, genau die aber sind draußen für Wirtschaftswachstum, Konsumwachstum, Leistungswachstum, Produktionswachstum, Geldwachstum usw. auch auf Kosten der Natur.
Millionen Stimmen bezeichnen sich in ihren Gotteshäusern als Schwestern und Brüder und geben sich mit einem lächelnden Gesicht die Hand zum Frieden, kaum sind sie wieder draußen wird weiter gestritten, weiter nur das eigene Interesse als allgewaltige Richtlinie akzeptiert.
Der Siegeszug des tödlichen Virus „Alltags-Atheismus“ ist statistisch Jahr für Jahr sichtbar: Sinken der Gottesdienstbesucher, Krise des Gebetes, Mangel an Priester- und Ordensnachwuchs, Sinken der Taufzahlen, Sinken der kirchlichen Eheschließungen. Das Einzige, was Jahr für Jahr steigt sind die Kirchenaustritte und die Geldspenden bei Kirchensammlungen.

Aber, warum sage ich das alles, heute am Fest des heiligen Franz von Sales? Was hat der Alltags-Atheismus mit diesem 400-Jahre alten Heiligen zu tun?
Die Antwort soll der Heilige selbst geben. Er schreibt nämlich in der Philothea, seinem bekanntesten Buch, gleich im ersten Kapitel:

„Es gibt nur eine wahre Frömmigkeit, aber eine Unzahl von falschen und vergeblichen. So hält sich einer für fromm, weil er sich dem Fasten hingibt, weil er nicht einmal wagt, seine Zunge in Wein, ja nicht einmal in Wasser zu tunken, aber er scheut nicht davor zurück, sie durch Rachegefühle, Verleumdung und Anschwärzung in das Blut seines Nächsten zu tauchen. Ein anderer schätzt sich als fromm ein, weil er jeden Tag ein Vielzahl von Gebeten spricht, nachher scheut er sich aber nicht wütende, hochmütige und beleidigende Worte in seinen Mund zu nehmen. Ein anderer wiederum zieht wohlwollend seine Geldbörse, um den Armen Almosen zu geben, aber er weigert sich Milde aus seinem Herzen zu ziehen, um seinen Feinden zu verzeihen. All diese Leute werden üblicherweise für sehr fromm gehalten, obwohl sie es überhaupt nicht sind.“

Das Auseinanderklaffen von Traum und Wirklichkeit, von Leben und Glauben, von Kirche und Welt war also zu seiner Zeit schon hoch aktuell, nur hieß man es damals noch nicht den Alltags-Atheismus, sondern „falsche Frömmigkeit“.

Und noch etwas war damals anders. Zur Zeit des heiligen Franz von Sales - er lebte von 1567 - 1622 - gab es keineswegs eine Abnahme der aktiven Christen, im Gegenteil immer mehr drängten in die Gotteshäuser und suchten nach Wegen, ihr Christsein in der Welt verwirklichen zu können, nur war niemand da, der ihnen gangbare Wege zeigte. Das, was es damals an praktischen Hilfen und Richtlinien gab, war höchstens etwas für „religiöse Spitzensportler“, für Leute im Kloster, aber schon allein vom Zeitaufwand her nichts für den Durchschnittschristen. Was waren da die Alternativen? Entweder ab hinter die monastischen Klostermauern, die dich von der schrecklichen und verführerischen Welt absperrten, oder Resignation: „Für den Normalchristen ist Frömmigkeit kein Thema, weil unerreichbar.“

Dazwischen bildete sich ein geistliches Vakuum und auf dieses Geistliche Vakuum gab Franz von Sales mit seiner Philothea, mit seiner „Anleitung zum frommen Leben“ eine Antwort, die massenweise von den Christen verschlungen wurde. Dort stand eben auch zu lesen, dass Christsein für den Politiker anders aussieht als für den Handwerker, anders für die Witwe als für die Eheleute, anders für das Mädchen als für die Mutter. Ja ist sogar zu lesen, dass es eine Häresie ist zu meinen, dass Christsein nichts mit der Welt zu tun haben kann. Und es steht drinnen, dass sich das religiöse Leben an den jeweiligen Aufgaben des einzelnen anzupassen hat.
Eine Ehe- und Hausfrau, die meint, sie habe keine Zeit jeden Tag in die Kirche zu gehen, weil sie den Haushalt führen müsse, und sei deshalb weniger religiös, ist also schlichtweg auf dem theologischen Irrweg, denn das wäre der Höhepunkt, wenn sie aufgrund des „in die Kirche gehens“ ihren Haushalt vernachlässigen würde.

Aber, und jetzt sind wir wieder beim Alltags-Atheismus, für Franz von Sales ist ebenso klar, dass der, der Christ ist, dies immer und überall ist, in der Kirche genauso, wie im Regierungspalast, auf der Straße, am Arbeitsplatz, in seinen vier Wänden, einfach überall. Und der sanftmütige Franz von Sales wird, wie schon zitiert, ganz schön streng, wenn da manche Christen Unterschiede machen wollen. Für ihn ist das schlechthin Verrat an der Liebe zu Gott und damit an Gott selbst und seinem Traum vom Reich Gottes.

Damals vor vierhundert Jahren gab Franz von Sales die Antwort auf ein geistliches Vakuum, heute ist Franz von Sales ein geistliches Rufzeichen für uns alle, damals war er Angebot auf eine Nachfrage, heute ist er Mahner in eine Zeit hinein, die den Traum Gottes nicht mehr träumen will, in der sogar die aktivsten Christen dem Alltags-Atheismus nicht mehr widerstehen können. Damals gab Franz von Sales Antwort auf ein vielleicht nur innerkirchliches Problem, heute aber ist er, so wie alle Propheten und Träumer des Traumes Gottes, von Abraham bis heute, eine Antwort auf die Zukunft der ganzen Menschheit.

Der Kampf zwischen Traum Gottes und Alltags-Atheismus ist keine Privatangelegenheit der Kirche mehr. Wenn die Zukunft des Glaubens auf dem Spiel steht, dann geht das heute alle an, die Nicht-Glaubenden genauso wie die distanzierten. Denn je nach Ausgang wird es Auswirkungen auf die ganze Gesellschaft haben. Hoffen wir also, dass der Traum Gottes siegt, und tun wir etwas. Der hl. Franz von Sales gibt dafür praktische Anweisungen. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS

 

 


NACH OBEN