Über die Heilige Eucharistie III

Chablais, 29. Juli 1597 (OEA VII,342-347; DASal 9,92-96)

Ist das Brot, das wir brechen, nicht die Teilnahme am Leib Christi? (1 Kor 10,16).

Auf diese Frage antworten die Gegner der katholischen Kirche mit „nein“ und berufen sich auf das Wort Jesu Christi: Caro non prodest quicquam; das Fleisch ist zu nichts nütze (Joh 6,64). Die Katholiken antworten mit „ja“; sie sagen: Accepimus a Domino, quoniam Dominus Jesus, in qua nocte tradebatur, accepit panem, et gratias agens, fregit et dixit: Accipite et manducate, hoc est corpus meum; Wir haben vom Herrn gelernt, daß der Herr Jesus in der Nacht, da er verraten wurde, das Brot nahm, Dank sagte, es brach und sprach: Nehmt und eßt, das ist mein Leib (1 Kor 11,23f). Bei diesem Punkt wünsche ich euch aufmerksamer denn je, meine Zuhörer, damit ihr unsere Beweisführung versteht. Ich beschwöre euch, laßt jedes Vorurteil beiseite, damit ihr in einer so wichtigen Sache richtig urteilen könnt. Ich bin sicher: wenn ihr alles reiflich überlegt, werdet ihr zugunsten der Katholiken entscheiden, denn ihre Beweise übertreffen die der Gegner an Sicherheit, Heiligkeit, Gediegenheit und Güte.

Mehr denn je bitte ich demütig und inständig: der den Mund der Kinder beredt macht (Ps 8,3; Weish 10,21), möge mir in seiner Güte Einsicht schenken, um seine Zeugnisse gut zu ergründen: Gib mir Einsicht, und ich will dein Gesetz erforschen und es von ganzem Herzen bewahren (Ps 119,34). Und für euch, meine teuersten Zuhörer, bitte ich, daß er eure Herzen den Zeugnissen seines Wortes geneigt mache. Denn in dieser schwierigen Frage sehe ich die Gegner mit einer Fülle von Zweifeln und menschlichen Fragen aufwarten: Die Sünder lauerten mir auf, um mich zu verderben; ich habe dein Zeugnis erkannt (Ps 119,95); aber die Erkenntnis deiner Gebote wird mich daraus befreien. Der eine will mich fangen durch die Meinung von den Gestalten, der andere mit der Ubiquität, ein anderer mit den Wirkungen. Herr, gib, daß ich mich nur von deinem Wort leiten lasse; es sei auf dieser Schiffahrt mein Leucht-turm: Dein Wort sei meinen Schritten eine Leuchte und ein Licht auf meinen Wegen (Ps 119,105). Damit es so sei, rufen wir den Beistand des Heiligen Geistes an und sprechen: Ave Maria.

Aus Sorge, daß durch Vorurteile oder Irrtum euer Verstand irgendwie gegen uns eingenommen werde, liebe Zuhörer, bitte ich euch zu glauben, daß wir in dieser strittigen Frage (wie in jeder anderen) unseren Gegnern nicht nach-stehen wollen in der Hochschätzung der Heiligen Schrift, die wir geschworen haben. Man hat euch vielleicht weis-gemacht, der Unterschied zwischen uns und unseren Gegnern beruhe nur darauf, daß sie nur das glauben wollen, was in der Heiligen Schrift steht, daß wir dagegen unsere Lehre auf andere Weise zu begründen suchten. Ganz im Gegenteil! Wir beteuern, daß wir den Streit einzig durch das reine und ausdrückliche Wort Gottes entscheiden wollen, wie wir es am Sonntag getan haben. Wenn man euch daher gesagt hat, die Kirche berufe sich nur auf die Autorität von Menschen, wenn man euch gesagt hat, sie vernachlässige die Heilige Schrift, dann bitte ich euch, diesen Irrtum zu erkennen und zu glauben, daß die Heilige Schrift immer in unseren Händen war. Glaubt, daß dieser reiche Schatz nur von der Kirche gehütet wurde und daß unsere Gegner ihn nur von uns haben. Wir wollen uns hier nur auf die Heilige Schrift stützen.

Wir sind also schon einig in dem Punkt, daß dieser Streit nur durch die Heilige Schrift entschieden wird. Unsere Kontroverse und unsere Auseinandersetzung erstreckt sich auf die Auslegung. Denn wir führen schöne und gediegene Stellen der Heiligen Schrift an, und sie bringen welche bei, die sie ebenfalls dafür halten. Alle stammen aus der Heiligen Schrift; doch wie? Sie wollen die unseren und die ihren gegen uns auslegen; wir befinden uns dagegen in der Defensive. Ohne unsere Belegstellen zu interpretieren, denn sie sind eindeutig, wollen wir nur ihre Auslegungen zurückweisen, damit sie uns nicht Unrecht tun. Kommen wir also zur Sache, und ihr werdet klar die Wahrheit dessen erkennen, was ich sage.

Gegen Bernegar hielt die Kirche daran fest, daß im heiligen Sakrament der Eucharistie der Leib und das Blut Jesu Christi wirklich, wesenhaft und wahrhaftig gegen-wärtig sind. Das hielt sie unangefochten aufrecht bis zur Zeit des Jan Hus und Wiclef. Dann kamen Ökolampadius, Karlstadt, Zwingli und Calvin. Sie behaupteten, die Kirche irre und behaupte das ohne Fundament. Dagegen führt sie folgende Gründe an:

An erster Stelle das 6. Kapitel des Johannes-Evangeliums, über das ich am Sonntag gesprochen habe. Zweitens führt die Kirche die Einsetzungsworte an: Mt 26,26; Mk 14,22; Lk 22,19; 1 Kor 11,24. An all diesen Stellen spricht Unser Herr von der Speise, die er gab, als er das Abendmahl einsetzte. Die Schrift berichtet, daß er sagte, es ist sein Leib, uzw. in so ausdrücklichen Worten, daß sie nicht deut-licher sein könnten. Daraus zieht die Kirche den klaren Schluß: Gott hat es gesagt, Gott kann nicht lügen, also ist es so. Der Gegner erwidert, Gott habe das nicht gesagt; wir weisen seine eigenen Worte vor. Der Gegner sagt, man dürfe sie nicht so verstehen, wie wir denken; wir sagen: doch. Hier liegt unser Streitpunkt: Wer versteht die Heilige Schrift besser? Wenn ich klar zeigen kann, daß wir gute Gründe haben, dann folgt daraus, daß die Gegner sie um so weniger haben, daß sie den bekämpfen wollen, der im Besitz des rechten Glaubens ist.

Die Beweise der Katholiken

Erster Beweis: Unser Herr setzt hier ein Sakrament ein. Sakramente müssen nun durch eindeutige Worte eingesetzt werden; also ... Der Untersatz wird durch die Vernunft bestätigt: der Empfang des Sakramentes muß leicht und für alle möglich sein; also muß jeder verstehen, was es enthält. Seht bei Mt 28,19 und bei Joh 3,3-5, wie klar Unser Herr sich ausdrückte, als er die Taufe einsetzte.

Zweiter Beweis: Es ist ein Vermächtnis. Mt 26,28: Das ist das Blut des Neuen Bundes. Lk 22,20: Das ist der Kelch, der Neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird. Nun müssen Testamente in klaren Ausdrücken abgefaßt sein. Hebr 9,19f: Als Mose allem Volk alle Vorschriften des Gesetzes vorgelesen hatte, nahm er das Blut von Rindern und Böcken mit Wasser, roter Wolle und Ysop, besprengte das Buch und alles Volk und sagte: Das ist das Blut des Vermächtnisses, das Gott euch übertragen hat. Gal 3,15f: Das rechtskräftige Testament eines Menschen mißachtet niemand und man fügt nichts hinzu. Abraham und seinem Nachkommen wurden Verheißungen gegeben; es heißt nicht seinen Nachkommen (in der Mehrzahl). Meine Herren, warum wollt ihr zum Vermächtnis Unseres Herrn eure Auslegungen hinzufügen? Wenn der hl. Paulus die ursprünglichen Ausdrücke so genau nehmen will, daß er auf einen Singular und auf einen Plural achtet, warum wollen wir uns das Recht herausnehmen, die Gültigkeit der Worte des Gottessohnes hier in seinem Testament zu leugnen?

Außerdem war es die Absicht Unseres Herrn, als er beim heiligen Abendmahl sein Testament machte, seiner Braut ein Unterpfand seiner Liebe zu ihr zu hinterlassen; einer so großen Liebe, daß er für sie sterben wollte. Möchtet ihr wohl, liebe Zuhörer, daß ein Stück Brot, ein derart kleines Legat, das Unterpfand einer so großen Liebe wäre? Nein, er gibt sich selbst unter einer anderen, leidens-unfähigen Gestalt hin als angemessenes und sicheres Zeugnis des Übermaßes seiner Liebe. Zudem besaß Unser Herr nichts als seinen Leib und sein Blut; denn der Menschen-sohn hat nichts, wohin er sein Haupt legen könnte (Mt 8,20; Lk 9,58). Da er also sein Testament machte und seinen Freunden ein Vermächtnis hinterließ, konnte er nichts hinterlassen als seinen Leib und sein Blut. Hieltet ihr schließlich ein Stück Brot für ein Geschenk, das eines so großen Herrn würdig wäre? Und möchtet ihr, daß wir Knechte seien, da wir als Erbe nur ein Gleichnis hätten wie die mosaischen Juden?

Dritter Beweis: Es ist Gesetz und Dogma. Gesetze und Dogmen aber dürfen nie unklar ausgedrückt werden, wie der hl. Augustinus (Lib. 2 de Doct. Christ., c. 6 u. 9) sagt: Nichts, was sich auf Glaube und Sitten bezieht, ist dunkel gesagt oder geschrieben, was nicht an anderen Stellen ganz deutlich ausgesprochen ist.

Vierter Beweis: Hier gibt es keinerlei Hinweis auf ein Gleichnis wie an anderen Stellen, wo er bildlich spricht.

Fünfter Beweis: Alle Schriftsteller (der Tradition)stimmen darin überein.

6. Alle früheren Auslegungen stimmen darin überein.

7. Die wörtliche Bedeutung darf niemals außer acht gelassen werden, sonst ist alles willkürlichen Auslegungen ausgeliefert. Das sind die allgemeinen Beweise, durch die deutlich wird, daß wir auf sicherem Boden stehen, wenn wir die Worte der Heiligen Schrift in ihrem ausdrücklichen und eigentlichen Sinn erklären, nicht bildlich und entstellt. Das wollen wir nun etwas eingehender mit Bezug auf die Argumente unserer Gegner zeigen.

Erste Auslegung von Andreas Karlstadt: „Hoc bedeutet hic“; er behauptet, das habe ihm der himmlische Vater geoffen-bart. Darüber hat Luther ein Buch geschrieben mit dem Titel „Contra coelestes Prophetas“ (Gegen die himmlischen Propheten). Seit ich hier in dieser Gegend bin, habe ich eine in französischer Sprache gedruckte Bibel gesehen, wo es heißt: „C’est cy mon cors“ (Hier ist mein Leib).Dem widerspricht ganz offenbar das griechische Wort „tuto“ und der Sinn; denn was hätte das für einen Sinn: „Eßt, hier ist mein Leib“? Eine andere Auslegung stammt von Zwingli. Er beruft sich auf eine Vision von jemand, ich weiß nicht, ob klar oder dunkel, der ihm sagte: „ist“ will sagen „versinnbildet“. Ökolampadius sagt: „Leib“ bedeutet „Zeichen des Leibes“; ebenso Calvin, abgesehen davon, daß er die Aneignung durch den Glauben hinzufügt. Luther dagegen will zeigen, daß er genau so viel Geist besitzt wie die anderen, um die Sakramente zu verhöhnen, und sagt in seinem Buch „Quod verba Domini firmiter stant“ (Das Wort Gottes steht fest): „Meum, quia omnia mea sunt“ (mein, weil alles mir gehört).

Dadurch wird deutlich, daß es unter den vier Worten, aus denen die Einsetzung dieses großen Geheimnisses besteht, keines gibt, das von den hochmütigen Gegnern des Glaubens, die allzu sehr an ihrer Meinung und an ihrer eigenen Ansicht hängen, nicht mit großer Kühnheit angefochten würde.


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