Predigt zum 16. Sonntag im Jahreskreis - LJ C
Marta und Maria (Lk 10,38-42)
Liebe Schwester und Brüder,
ich kann mir gut vorstellen, dass das Evangelium von Marta und Maria unserer Einstellung zum Leben zu einem großen Teil widerspricht. Die, die nichts tut, die dort sitzt und bei der Arbeit zuschaut, die soll doch tatsächlich das Bessere gewählt haben. Was will denn da Jesus von uns? Will er, dass wir Christen alle zu Aussteigern werden, zu Marathonbetern und Nichtstuern? Auf den ersten Blick könnten wir das wirklich meinen, denn Maria, die Jesus zuhört, wird gelobt, Marta hingegen bekommt neben ihrer Arbeit noch eine drauf. Aber gerade solche Bibelstellen, mit denen wir nicht sofort von unserem Gefühl her einverstanden sind, die uns ein bisschen wehtun im Ohr, gerade solche Bibelstellen sind für uns ganz wertvoll, weil sie uns zum Nachdenken zwingen. Und genau davon profitieren wir am meisten.
Wie sieht denn, wenn wir uns die gegenwärtige Situation vor Augen halten, die Welt von heute aus? Es ist doch jeder mehr oder weniger vom Stress geplagt. Vom Arbeitsstress, vom Heischen nach mehr und mehr Überstunden, damit wir eben noch mehr Geld verdienen können. Und vom Freizeit- Urlaubs- und Wochenendstress, damit wir möglichst rasch das verdiente Geld wieder loswerden. Der Beweis für diese Situation sind die statistisch erwiesenen Folgen: die Menschen der Wohlstandsgesellschaft leider mehr und mehr an Magengeschwüren und der Herz- und Kreislaufinfarkt ist die Todesursache Nummer Eins. Alles typische Manager-Krankheiten, also Krankheiten von Menschen, die von Berufswegen einem großen und erbarmungslosen Stress ausgesetzt sind. Und genau in diese Situation hinein sagt Jesus uns im heutigen Evangelium: STOP. Ihr macht euch kaputt, wenn ihr in eurem Leben auf die Zeiten der Stille und Ruhe, auf die Zeiten des Gebetes und auf Gott vergesst. Das ist die zentrale Aussage des heutigen Evangeliums: Gebet, Hinhören auf Gott ist keine verlorene Zeit, sondern eine überaus wichtige und wertvolle Zeit, sie ist keine Zeitverschwendung, sondern Kraftquelle für unser Leben. Und das Argument: Ich habe keine Zeit am Sonntag in die Kirche zu gehen, weil ich das und das zu tun habe, das ist tödlich im wahrsten Sinne des Wortes, weil ich als Mensch auch einmal wegkommen muss vom Stress und Ruhe finden muss.
Ein Mann ist einmal zu einem Meister der Meditation gekommen und hat ihn gefragt: „Was sitzt du denn eigentlich die ganze Zeit herum und meditierst und tust nichts? Was hat denn das für einen Wert?“ Da ging der Meditationsmeister mit ihm zu einem Brunnen und warf einen Stein ins Wasser. Dann fragte er den Mann: Was siehst Du? Und der Mann sah in den Brunnen und sagte: Ich sehe nichts nur Wellen. Darauf wartete der Meister eine Zeitlang, bis sich das Wasser wieder beruhigt hat und fragte: Und was siehst du jetzt? Der Mann sah in den Brunnen und sagte: Jetzt sehe ich mich selbst im Spiegel des Wassers. Siehst Du, sagte der Meister: Das ist der Wert der Stille und der Meditation.
Schon allein um mit uns selbst zurande zu kommen, um uns selbst kennenzulernen, brauchen wir die Stille, das Gebet, brauchen wir Gott. Aber wir brauchen das alles auch um überhaupt in der Welt fruchtbar arbeiten und wirken zu können.
Mutter Teresa zum Beispiel fordert von ihren Schwestern, dass sie jeden Tag am Morgen, bevor sie mit ihrer Arbeit beginnen, wenigstens eine Stunde in Stille vor dem Tabernakel sitzen und anbeten, damit sie die Kraft bekommen für ihre Arbeit.
Und der hl. Franz von Sales, mein Ordensheiliger empfiehlt den Menschen: „Trage immer wieder dein Herz zu Gott, damit es dort die Kraft findet für das alltägliche Leben.“
Das Gebet, die Stille, die Anbetung, die Messe am Sonntag ist also wahrlich keine Zeitverschwendung, sondern gerade in unserer stressgeplagten Zeit lebensnotwendig.
Das heutige Evangelium von Marta und Maria hält uns also die zwei Bereiche unseres Lebens vor Augen: Beten und Arbeiten. Beides ist wichtig und beides wird dann richtig gelebt, wenn das Verhältnis ausgewogen ist. Nur Beten und in der Kirche sitzen und dabei seine Arbeit vernachlässigen ist genauso schlecht und lebensbedrohend, wie die pausenlose Arbeit, pausenlose stressige Geldverdienen im Akkord. Das ausgewogene Gleichgewicht von Gebet und Arbeit ist der richtige und fruchtbringende Weg. Wie aber ist unsere praktische Lebenserfahrung? Welcher Bereich geht denn eigentlich am ehesten flöten? Das Gebet. Auf das verzichten wir eigentlich sehr gerne. Es fällt sehr leicht unter den Tisch, wenn wir gerade etwas zu tun haben. Wenn es um Zeiten des Gebetes geht, finden wir sehr leicht eine Ausrede, um diesem Bereich zu entgehen. Und weil das schon zur Zeit Jesu so war, und weil Jesus weiß, dass die Gefahr des Gebetsverlustes immer gegeben sein wird, sagt er zur Marta: Jetzt hör einmal auf, setz dich wie Maria zu uns, hör mir zu und komm zur Ruhe. Und zu uns heute sagt Jesus: „Bei aller Arbeit und bei allem Stress den ihr habt: Vergesst mir nicht auf das Gebet. Vergesst nicht auf die Zeiten der Stille der Ruhe, der Anbetung, vergesst nicht auf Gott. Amen.
Herbert Winklehner OSFS
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