PREDIGT zum 19.So.i.Jk. - LJ A
„Der Glaube trägt und hat Zukunft“ (Mt 14,22-32)
Liebe Schwestern und Brüder
„Der Gang auf dem Wasser“ - eine wunderbare, sehr bedeutungsvolle Szene des Neuen Testamentes. Die Jünger Jesu sind allein auf dem Boot, sie werden hin und her geworfen. Da kommt Jesus über den See zu ihnen - die Jünger schrieen vor Angst, steht dann geschrieben. Sie halten Jesus für ein Gespenst. Dieser Jesus aber antwortet: Habt Vertrauen, fürchtet euch nicht. Und es ist wieder einmal Petrus, der unter den Jüngern als erster den Schreck überwindet. Er wagt es, das Unmögliche, springt über die Bordkante und geht Jesus auf dem See entgegen. Aber so schnell der Mut des Petrus da war, so schnell ist er auch wieder verschwunden. Petrus geht unter. Er schreit: Herr, rette mich! Und Jesus ist zur Stelle. Seine Hand zieht den Kleingläubigen aus dem Wasser heraus.
Eine dramatische Erzählung, dessen Schlusspunkt das große Bekenntnis der Jünger ist: „Wahrhaftig, du bist der Sohn Gottes!“
Ob nun dieses Ereignis, dieses Naturwunder des Seewandels tatsächlich so stattgefunden hat, wie es Matthäus uns schildert, ist dabei eigentlich egal. In dieser Geschichte geht es in erster Linie um den Glauben, was er ist und bewirkt.
Und was ist das, was wir in dieser Erzählung über unseren Glauben erfahren?
Das Erste: Der Glaube ist keine Garantie dafür, dass es uns im Leben immer gut geht. Um im Bild der Seefahrt zu bleiben: Der Glaube garantiert den Christen keine ruhige Überfahrt auf einem Luxusdampfer, der alle Wellenberge und -täler ausgleicht. Die Probleme des Lebens gehen am Christen nicht vorüber, auch wenn er einen noch so starken Glauben hat. Diese Erfahrung machen wir alle. Jeden von uns erwischt es irgendwann einmal mit einem Leid, mit Not, mit Problemen. Bei manchen hört es überhaupt nicht mehr auf. Wie die Jünger im Boot, so könnten auch sie schon schreien vor Angst und Leid.
Nun die zweite Aussage über den Glauben: Und wenn dir das Wasser bis zum Hals steht, Jesus rettet dich! Der Glaube trägt dich, auch wenn du keinen festen Boden mehr unter den Füßen hast, auch wenn Du im Lebenselend versinkst, denn der feste Anker des Glaubens ist Jesus Christus. Auf ihn können wir bauen, in guten und in bösen Tagen. Ich weiß, es predigt sich darüber leichter, wenn es einem gut geht, viel schwieriger fallen einem solche Worte, wenn es einem wirklich schlecht geht. In der Kirche gibt es jedoch Lebenszeugnisse genug, die diese Tragfähigkeit des Glaubens bestätigen, von Menschen, die selbst großes Leid tragen müssen. Ich denke da zum Beispiel an das Wort eines Brasilianers. Er setzte sich mit rund hundert Freunden ein für mehr Gerechtigkeit in ihrem Land. Sie kamen zusammen und beteten den ganzen Tag. Am Abend kam ein Trupp der so genannten Todesschwadronen der Großgrundbesitzer und schoss ohne Vorwarnung wahllos in die Menge. Eine Aktion, die in Brasilien keine Seltenheit ist. Zehn Leute wurden angeschossen und schwer verletzt, glücklicherweise wurde niemand getötet. Der Arzt meinte, sie hätten Glück gehabt, der Brasilianer aber sagte: „Wenn Gott nicht auf unserer Seite stehen würde, wären wir alle umgekommen.“ Dieser Glaube trägt die Menschen.
Wir brauchen aber nicht nach Brasilien zu gehen, um solchen tragenden Glauben zu erleben. Erst vor kurzem schrieb eine Leserin unserer Ordenszeitschrift „LICHT“, die seit Jahren unter Depressionen leidet, eine im Grunde furchtbare Krankheit, da man ihr total hilflos ausgeliefert ist, die aber für andere nicht sichtbar ist. Diese Leserin schrieb: „Ein Wort des Hl. Franz von Sales gibt mir Kraft: Bist Du in die Schlinge der Trübsal geraten, sieh nicht auf das Leid, das dich bedrängt, noch die Schlinge, die dich umwindet. Blicke auf Gott und lass ihn walten. Er wird für dich sorgen.“ In diesem Glauben kann die Frau beten: „Herr, heute hatte ich furchtbare Angst. Mein ganzes Wesen war wie von Angst überflutet.“ -
Dieser Frau ergeht es wie den Jüngern, die vor Angst schrieen, wie dem Petrus, der in den Fluten versinkt, und sie betet weiter: „Mach meine Angst zu einem Gebet für die Geängstigten. Lass dieses Gebet andere Herzen aufrichten. Vielleicht kann dann meine Dunkelheit ein Licht für andere und meine innere Not ein Quell der Hoffnung für andere werden. Lass meine Angst an Deiner Angst am Ölberg teilhaben, damit sie mich ins Licht führt und mir ein neues Verständnis für die Hoffnung gibt.“ - Eine Frau aus Europa, deren Glaube an Jesus Christus ihr leidendes Leben trägt.
Daraus ergibt sich auch die dritte Aussage über den Glauben, den wir aus dem heutigen Evangelium erkennen: Dieser Glaube hat Zukunft, dieser Glaube ist die Zukunft, nicht nur die zeitliche Zukunft, sondern die Zukunft in alle Ewigkeit. Das Schiff mit den Jüngern geht nicht unter - trotz des Windes und der Wellen. Petrus findet in den Fluten nicht den Tod, sondern seine Rettung. Sein Leben endet nicht, sondern erhält eine ganz neue Kraft: die Erfahrung der rettenden Hand Gottes. Jesus, der Retter, packt zu und zieht den Ertrinkenden in das Boot.
Wir erfahren also in einzigartiger Weise: Wer Jesus nachfolgt, der kann in seinem Leben sehr wohl von den Wellen hin und hergeschüttelt werden. Und es kann auch so aussehen, als ob einen der Herr in Stich gelassen hat. Aber gerade deshalb sollen wir wissen, dass wir nicht verzweifeln brauchen. Der Herr wird uns retten, er ist der Sohn Gottes, auf ihn können wir uns verlassen, auf ihn können wir absolut vertrauen.
Ich denke, wir sollten uns diese Kraft des Glaubens wieder einmal ganz bewusst machen und Gott dankbar sein, dass wir an ihn Glauben dürfen. Das Erlebnis eines Priesters am Bahnhof in München mag uns dafür Hilfe sein. Dieser Priester traf auf einen Betrunkenen. Und der fragte ihn ungeniert: „Glaubst du an Gott?“ Der Priester war auf diese Frage nicht gefasst, sagte dann aber doch: „Ja!“ Er erwartete darauf eigentlich ein höhnisches Gelächter oder irgendeine kritische Bemerkung. Der Betrunkene aber sagte nur: „Mensch, hast du es gut!“ Mensch, haben wir es gut, dass wir glauben können. Seien wir dafür dankbar. Amen.
Herbert Winklehner OSFS
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