PREDIGT zum 1. Fastensonntag - LJ C
"Zeit der Umkehr" (Lk 4,1-13)
Liebe Schwestern und Brüder,
alles hat seine Zeit, Arbeit und Freizeit, Freude und Trauer, Saat und Ernte, Leben und Tod … nun sind wir in der Fastenzeit angekommen, einer Zeit des Innehaltens und Nachdenkens über unser Leben, einer Zeit der Buße und der Umkehr. In dieser Zeit sollte sich also etwas ändern, nämlich all das, was uns daran hindert, das kommende Fest der Auferstehung Jesu mit Freude und Dankbarkeit zu feiern. Franz von Sales sagt über diese Zeit der Umkehr eigentlich etwas sehr Positives: „Die Sünden sind Staub und Mist, aber in der Buße und Beichte verwandeln sie sich in Rosen und Lilien.“ Unsere Fehler und Schwächen stellen also auch eine Chance dar. Wenn wir das wollen, kann mit Hilfe der Barmherzigkeit und Gnade Gottes daraus Gutes entstehen. Wie schaffen wir es also, aus dem Staub und den Mist, der sich angesammelt hat, Rosen und Lilien werden zu lassen? Vor allem müssen wir diesen Staub und diesen Mist erst einmal erkennen. Und da kann uns das heutige Evangelium weiterhelfen, in dem von den Versuchungen Jesu in der Wüste berichtet wird. Um welche Versuchungen – um welchen Staub und Mist – geht es da?
Die erste Versuchung, von der das Evangelium berichtet, ist die Versuchung zur Macht über Hunger und Durst. Wer aus Steinen Brot machen kann, der ist allen anderen überlegen. Es ist also nicht egal, wie wir mit Essen und Trinken umgehen, mit den Nahrungsmitteln unserer Erde, also mit unserer Schöpfung insgesamt, die so viel Reichtum für uns bereithält, den wir so leichtsinnig verschwenden oder kaputt machen. Und es ist nicht egal, wie wir mit all jenen Menschen umgehen, die unter Hunger und Durst leiden – unter dem körperlichen Hunger, aber auch unter dem Hunger und Durst nach Lebenssinn und Gerechtigkeit.
Die zweite Versuchung, der Jesus in der Wüste begegnet, ist die Versuchung der Macht über die Anderen. In allen Geschichtsbüchern, die man liest, geht es eigentlich immer um Krieg, um die Herrschaft eines Volkes, eines Staates über den anderen. Offenbar schafft es der Mensch bis heute nicht, dieser Versuchung zu entkommen - und das nicht nur im Großen, also im politischen Kräftemessen von Ost, West, Nord und Süd, im Kampf um die Vormachtstellungen der internationalen Wirtschaftskonzerne, sondern genauso im Kleinen, in der Familie, am Arbeitsplatz, in der Schule, der Nachbarschaft, ja auch in der Pfarrgemeinde. Es ist also nicht egal, wie ich mit meinen Mitmenschen umgehe und wie ich meine Meinung bei den anderen durchsetze. Dieses Machthaben über andere kann dabei sehr subtile Formen annehmen und es ist immer gut, einmal darüber nachzudenken, ob ich dieser Versuchung auch wirklich standhalte.
Und schließlich die dritte Versuchung, die Versuchung der Macht über Leben und Tod. Ich bestimme, wo das Leben beginnt und wo es aufhört – dies scheint das erklärte Ziel der technischen Entwicklungen der Menschheit zu sein. Es geht dabei nicht um die Bekämpfung von Krankheiten aller Art, sondern es geht darum, dass der Mensch selbst über Leben und Tod entscheiden will, und Gott nicht mehr als den Herrn über Leben und Tod anerkennt. Die Formel „Was möglich ist, das muss man auch tun dürfen“ zeigt deutlich, wie sehr wir von dieser Versuchung beeinflusst werden. Es ist also nicht egal, wie ich mit dem Leben und mit dem Tod umgehe, auch hier wieder sowohl im Großen, als auch im Kleinen. Wir Christen haben den Auftrag, dem Leben zu dienen, aber auch zu akzeptieren, dass Gott der Herr des Lebens ist.
Das also sind die drei großen Versuchungen, mit denen nicht nur Jesus Christus damals in der Wüste, sondern wir alle auf unterschiedliche Weise konfrontiert sind: die Versuchung zur Macht über die Schöpfung, die uns ernährt, die Versuchung zur Macht über den anderen und die Versuchung zur Macht über Leben und Tod. Sie bilden jedes Jahr die große Überschrift über den 1. Fastensonntag und wollen uns zum Nachdenken anregen, wie wir mit diesen Versuchungen in unserem Alltagsleben umgehen. Wenn wir feststellen, dass wir in unserem Leben etwas ändern sollten, dann wäre genau jetzt die Zeit dafür – die Zeit der Umkehr. Und das Wort des heiligen Franz von Sales macht uns deutlich, dass mich diese Umkehr nicht einschränkt, sondern im Gegenteil, mein Leben bereichert: aus dem Staub und den Mist werden mit der Barmherzigkeit und der Gnade Gottes Rosen und Lilien … Amen.
Herbert Winklehner OSFS