PREDIGT zum 27. So.i.Jk - LJC
„Glaubens-Größe“ (Lk 17,5-10)
Liebe Schwestern und Brüder,
die Apostel bitten Jesus im eben gehörten Evangelium um Glaubensstärkung. Sie treten vor Jesus hin und sagen: „Herr, stärke unseren Glauben!“ Und was antwortet Jesus? „Wenn euer Glaube auch nur so groß wie ein Senfkorn wäre, dann könntet ihr Wunder wirken.“
Ich habe mir bei diesem Wort Jesu bisher immer gedacht: Gott, wie geht hier Jesus mit seinen Aposteln um? Wie geht hier Jesus mit Menschen um, die um Kraft für ihren Glauben bitten. Die Apostel bitten um Glaubensstärkung, und Jesus übt Kritik: Euer Glaube ist doch nicht einmal so groß wie ein Senfkorn. Denn: Wäre er nur so groß wie ein Senfkorn - das kleinste unter allen Samenkörnern - dann bräuchtet ihr keine Glaubensstärkung mehr, dann könntet ihr Wunder wirken. Ihr könnt aber keine Wunder wirken, also ist euer Glaube eigentlich nicht viel wert.
Ich habe lange gebraucht, um zu verstehen, dass genau das mit diesem Jesus-Wort nicht gemeint ist. Jesus übt nicht Kritik am Glauben seiner Jünger. Nein - so komisch das vielleicht jetzt klingt - er tut genau das, worum die Apostel ihn bitten: Er stärkt sie in ihrem Glauben, er schafft ihnen in ihrer Glaubens-Unruhe Beruhigung: Schaut her, sagt er, es genügt, wenn euer Glaube nur die Größe eines Senfkorns hat. Gott bewirkt dann die Wunder. Euer fehlerhaftes Stammeln, euer Stolpern, eure krummen Zeilen des Glaubens genügen. Gott wird das unvollkommene vollenden. Ihr braucht in eurem Glauben nicht perfekt zu sein, denn dafür ist Gott ja da, dass er Eure Unvollkommenheiten vervollständigt.
Der Heilige Franz von Sales hat diese Glaubens-Stärkung Jesu auf den Punkt gebracht, wenn er sagt: „Die Vollkommenheit des Christseins, der Frömmigkeit, des Glaubens besteht darin, seine Unvollkommenheiten anzunehmen und zu ertragen.“ Dass wir zugeben, dass wir klein und unvollkommen und fehlerhaft sind; dass wir zulassen dass Gott das Wunder tut, das wir nicht vollbringen können, darin besteht unser Christsein. Oft kann Gott deshalb keine Wunder tun, weil wir meinen, wir selbst sind groß und stark genug, diese Wunder zu vollbringen. Unbewusst verbieten wir Gott uns zu helfen, weil wir uns selbst in unserem Stolz, in unserer Überheblichkeit vollkommen überschätzen.
Die Haltung, die für unseren Glauben daher so wichtig ist, hat leider einen unmodernen Namen: Es ist die Demut. Und jetzt wird auch verstehbar, warum Jesus nach seiner eigentümlichen Glaubens-Stärkung gleich anschließt, von den unnützen Knechten zu reden: Auch wenn wir alles getan haben, was zu tun ist, so können wir nur sagen: Wir sind nur unnütze Knechte. Wir haben ja nur unsere Schuldigkeit getan, mehr ist an unserem Glauben nicht dran. Auch das ist keine Kritik Jesu an uns, sondern sein Hinweis darauf, dass wir uns ja nicht überschätzen sollten, dass wir aus eigener Kraft allein sehr wenig oder gar nichts bewirken können. Wir brauchen Gott und seine Gnade, um mehr zu sein als unnütze Knechte.
Diese Haltung der Demut ist deshalb so wichtig, weil sie uns drei grundlegende Dinge lehrt:
1. Gott verlangt von uns keine Wunder. Die Wunder wirkt er selbst.
2. Gott verlangt von uns nicht, dass unser Glaube unheimlich groß und stark ist, die kleine Senfkorngröße genügt ihm.
3. Gott kann uns nur helfen, wenn wir uns auch wirklich helfen lassen wollen, wenn wir zugeben und zulassen, dass wir ohne ihn nicht weiterkommen.
Dieses Eingeständnis ist viel schwerer, als wir vielleicht zunächst meinen. Es ist nicht einfach, anderen Menschen zugeben zu müssen: Ohne dich bin ich hilflos, ich brauche deine Hilfe. Genauso schwer ist es bei Gott.
Demut ist auch Mut zur Wahrheit, d.h. der Mut zuzugeben, dass mein Glaube eben nur Senfkorngröße hat, dass ich trotz all meiner Bemühungen nur ein unnützer Sklave bin, einer der manchmal nicht einmal das tut, was er schuldig ist. Aber genau da, wo ich diesen Mut aufbringe, genau da geschehen die Wunder. Amen.
Herbert Winklehner OSFS
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