PREDIGT zum 2. Sonntag in der Fastenzeit - LJ A
"Aufbruch - den Tag vor dem Abend loben" (Gen 12,1-4a, Mt 17,1-9)
Liebe Schwestern und Brüder,
Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben, sagt das Sprichwort. Karl Rahner, der Theologe und Jesuit, meint, das stimmt nicht. Beim täglichen Morgengebet sollte man das nämlich schon tun: den Tag vor dem Abend loben. Und wenn ich mir die „Morgenübung“ anschaue, die der heilige Franz von Sales empfiehlt, dann geht das in die gleiche Richtung. Wir sollen schon am Morgen Gott Danke sagen dafür, dass er uns diesen Tag geschenkt hat, egal, was dieser Tag noch alles bringen wird.
Wenn ich mir nun meinen täglichen Morgen so anschaue, dann geht’s mir allerdings eher wie dem Petrus aus dem heutigen Evangelium, der lieber bleibt, wo er ist. Oft genug denke auch ich mir, noch im Bett liegend: „Lieber Gott, lass mich doch drei Hütten bauen und noch ein wenig bleiben, weil’s grad so schön ist.“ Oder mir geht’s wie dem Abraham aus der heutigen Lesung. Aufstehen soll ich, aufbrechen, in den neuen Tag hinein, ohne genau zu wissen, wohin mich dieser Tag führen wird. Die göttliche Verheißung, das gelobte Land ist noch nicht in Sicht. Einzig das Vertrauen bleibt, das Vertrauen, dass Gott sein Versprechen hält – und ich tatsächlich ein Segen werde für die Welt.
Mit diesem kleinen Einblick in meine morgendlichen Gedanken, die mir manchmal durch den Kopf gehen, wenn ich dazu überhaupt in der Lage bin, mag uns allen vielleicht eines deutlich werden: diese großartigen biblischen Ereignisse, von denen wir heute gehört haben, diese wunderbarer Geschichte von der Verklärung auf dem Berg Tabor oder dieser bewundernswerte Aufbruch des Abraham in das gelobte Land, haben mit unserem ganz persönlichen, alltäglichen kleinen Leben viel mehr zu tun, als wir vielleicht meinen.
Nur allzu gern möchten wir, gerade dann, wenn alles gut läuft, dass die Zeit einfach stehen bleibt. Dass wir dieses Glücksgefühl auf dem Berg Tabor einfach auskosten können, so lange es irgendwie geht. Und uns fallen alle möglichen Ideen ein, damit ja alles so bleibt wie es gerade ist. Doch die Zeit bleibt nicht stehen, das Leben geht weiter, ich muss wieder hinunter in die niedrigen Täler des ganz normalen alltäglichen Lebens. Und was mich dort erwartet, weiß leider niemand … vielleicht wieder ein Tabor, ja, aber vielleicht auch ein Golgota.
Da kann man sich recht gut in den Text einfühlen, der heute auch vorgelesen wurde: Immer wieder aufbrechen, loslassen, zurücklassen, neu anfangen, sich auf den Weg machen und immer wieder die Angst, die nackte Angst, in der Nacht, in der Wüste … Alle Texte sagen uns jedoch auch etwas Gutes und sehr Wichtiges: wir sind nicht allein. Gott schickt den Abraham nicht einfach so fort, er segnet ihn. Und damit macht er deutlich: Ich geh mit, ich bleib an deiner Seite, ich schau, dass du dich nicht verirrst. Und Jesus schickt seine drei Jünger nicht einfach so hinunter ins Tal, er geht selbstverständlich mit – er lässt seine Jünger nicht im Stich, im Gegenteil, er geht sogar voran.
Diese Sicherheit ist auch uns geschenkt. Jeden Tag, wenn wir aufbrechen. Das ist eigentlich das Wunderbare unseres Glaubens: wir sind unterwegs mit einer Verheißung, wir brechen auf, ausgerüstet mit dem Segen Gottes und begleitet von jenem, von dem die Schrift sagt: „Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe.“ Und deshalb sollte unser tägliches Morgengebet wirklich darin bestehen, dass wir den Tag vor dem Abend loben. Dass wir Gott loben, der uns diesen Tag geschenkt hat und uns auch heute wieder aufbrechen lässt in ein Land, von dem wir zwar nicht wissen, wie es aussieht, aber von dem gesagt wurde, dass es ein gelobtes Land ist, ein Land, das das Leben in Fülle verheißt. Ein solches Morgengebet wäre doch mal eine gute Idee für die österliche Bußzeit: „den Tag vor dem Abend loben“. Amen.
Herbert Winklehner OSFS
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