PREDIGT zum 2. Ostersonntag - LJC
"Glaube ist Geschenk" (Joh 20, 19-31)
Liebe Schwestern und Brüder,
Der Heilige Franz von Sales wurde einmal von der heiligen Johanna Franziska von Chantal gefragt, ob er denn überhaupt nie Glaubenszweifel habe. Franz von Sales antwortete darauf: "Nein, eigentlich nicht. Und wenn, dann nur ganz kurz. Gott hat mich wahrlich mit einem festen Glauben beschenkt."
Der glückliche Franz von Sales kann man da nur sagen. Er hatte fast keine Glaubenszweifel, und wenn, dann nur ganz kurz. Franz von Sales war dafür Gott sehr dankbar. Uns selbst wird diese Antwort wahrscheinlich eher mit Neid oder auch Sehnsucht erfüllen: Warum ist das bei mir nicht so? Die Wirklichkeit des Glaubens sieht nämlich meist anders aus. Ich spüre das selbst und erfahre es immer wieder in so manchen Glaubensgesprächen: Der Glaube ist immer wieder wie ein auswegloser Zirkel: je mehr wir ihn bräuchten, umso weniger fühlt man ihn. Je dringender wir ihn nötig haben, desto weniger wissen wir, wo wir ihn suchen und finden sollen. Gerade dann, wenn uns die Zweifel packen, ist auch der Glaube verschwunden, aus dem wir in dieser Zeit Kraft schöpfen könnten.
Es bestätigt sich dadurch eines: Glaube ist etwas, das wir nicht im Griff haben können. Der Glaube ist Geschenk, Gnade. Ich kann wirklich nur meine Hände aufhalten, mich Gott öffnen und sagen: "Ja, Gott, ich will glauben. Ich will ja, aber ich kann es nicht - Hilf meinem Unglauben." Aber offensichtlich geht es auch anders. Jedenfalls hat es beim Apostel Thomas funktioniert. Seine Freunde erzählen ihm von der Begegnung mit dem Auferstandenen Jesus. Er reagiert mit Unglauben, stellt sich dann aber nicht hin und sagt: "Gott, ich kann das nicht glauben, hilf meinem Unglauben." Nein, Thomas fordert Gott heraus, stellt Bedingungen: "Wenn ich nicht mit eigenen Händen seine Wunden berühren kann, glaube ich nicht." Und Jesus kommt tatsächlich. Thomas bekommt einen handfesten Beweis, der seinen Unglauben beendet, seine Zweifel auslöscht.
Wieder dürften wir hier nur mit Neid und Sehnsucht reagieren. Denn unsere Glaubenswirklichkeit, die wir erfahren, sieht anders aus: Gerade dann, wenn wir Gott wirklich spüren wollen, ganz nah und konkret, scheint er sich zurückzuziehen und in Schweigen zu hüllen. Knallhart treffen wir dann auf das Schweigen Gottes, niemand ist da, der sagt: "Komm her, Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite und sei nicht ungläubig sondern gläubig!" Wir spüren Gott eben nicht, wir können nicht so mit ihm reden, wie Thomas. Bei uns schweigt Gott und dieses Schweigen wird zu einer noch größeren Herausforderung für unseren Glauben. Da hilft dann auch nicht der Hinweis auf die Aussage Jesu: "Selig sind die, die nicht sehen und doch glauben." Ich denke, wir können aus dem heutigen Evangelium drei Konsequenzen für uns und unseren Glauben ziehen:
Erstens: Glaubenszweifel sind erlaubt. Aber wir sollten wahrlich immer für Gott offen bleiben, nicht aufgeben oder gar Gott gegenüber gleichgültig werden.
Zweitens: Glaubenszweifel sind auch bei anderen Menschen erlaubt. Es braucht uns nicht zu schockieren, wenn jemand sagt: An die Auferstehung kann ich nicht glauben. Dieses Problem hatte auch der Apostel Thomas. Wichtig ist, dass wir diese Menschen mit ihren Zweifeln annehmen und sie nicht verurteilen, so wie eben Jesus den Thomas angenommen und nicht verurteilt hat.
Und drittens: Vielleicht schweigt Gott immer wieder, damit wir Menschen endlich erkennen, dass wir handfeste, spürbare Zeugen seiner Botschaft sein sollen. Wir sind es, die den Zweifelnden Rede und Antwort stehen sollen. Durch unser Zeugnis sollten die Zweifelnden spüren und erfahren können, dass an unseren Gott, an Jesus Christus, an unsrem Glauben wirklich etwas dran ist. Amen.
Herbert Winklehner OSFS
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