PREDIGT zum 2. Sonntag i. Jk. - LJ A

"Der kategorische Imperativ des hl. Franz von Sales" (Mt 1,35-42)

Liebe Schwestern und Brüder,

nächsten Freitag ist für uns Sales-Oblaten ein besonderer Tag, nämlich der Gedenktag des heiligen Franz von Sales, und nächsten Sonntag werden wir hier im Salesianum unser jährliches Franz von Sales-Fest feiern. Daher meine ich, ist es auch heute schon angebracht, ein wenig auf Franz von Sales einzugehen, zumal das auch gut zum gerade gehörten Evangelium passt.

Im Laufe der letzten vierhundert Jahre, also seit dem Tod dieses heiligen Bischofs von Genf-Annecy hat man sich immer wieder mal die Frage gestellt, warum denn Franz von Sales bei den Menschen so gut angekommen ist. Warum sind sie diesem Bischof nachgelaufen? Haben mit dankbarer Begeisterung seine Briefe und Bücher gelesen und seinen Predigten zugehört? Einmal, in Paris, drängten sich sogar so viele Leute in die Kirche, dass Franz von Sales durch ein Fenster einsteigen musste, weil alle Eingänge verstopft waren. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Was also faszinierte die Menschen an diesem Heiligen so besonders, dass sie ihm in Scharen nachgelaufen sind?

Eine Antwort liefert uns jene Frau, die ihn wahrscheinlich am besten von allen kannte: Johanna Franziska von Chantal. Sie sagte bei ihrer Zeugenaussage zum Seligsprechungsprozess, dass die Menschen von Franz von Sales deshalb so fasziniert waren, weil sie in der Begegnung mit ihm spürbar erleben konnten, wie Jesus Christus mit den Menschen umgegangen ist. Wörtlich sagte sie: „Franz von Sales war ein lebendiges Abbild unseres Herrn Jesus Christus.“ Also: Wer damals Franz von Sales begegnet ist, der hatte nach dieser Begegnung eine genaue Vorstellung davon, wie Jesus Christus auf Erden erlebt wurde. Franz von Sales tat mit seinen Worten, Gedanken und Handlungen also genau das, was Johannes der Täufer getan hat: Mit seiner ganzen Persönlichkeit hat er die Menschen auf Jesus Christus hingewiesen: „Seht das Lamm Gottes … er ist es … Für ihn lege ich Zeugnis ab: Er ist der Sohn Gottes.“

Es gibt übrigens von Franz von Sales sogar eine Tauben-Geschichte, die das bestätigt. Eines Tages feierte der Bischof in der Marienkirche von Annecy einen Vespergottesdienst, als plötzlich eine Taube in die Kirche hineingeflogen kam und sich auf seine Schulter setzte. Für die Menschen, die das miterlebten, war damals völlig klar, dass das ein Zeichen dafür war, dass Gott diesen Franz von Sales als einen authentischen Zeugen seiner Botschaft bestätigte, genauso wie er damals am Jordan Jesus als seinen Sohn bestätigte. Mit seiner ganzen Persönlichkeit Zeuge für Jesus Christus zu sein, das tat Johannes der Täufer und offenbar auch Franz von Sales – und das wäre eigentlich auch die grundlegende Aufgabe für alle, die Jesus Christus nachfolgen. Ich gebe durch mein Leben dieser Welt ein authentisches Zeugnis dafür, wer Jesus Christus ist, wie er gelebt und was er gelehrt hat, sodass jeder, der mir begegnet, nach dieser Begegnung wenigstens ein bisschen besser über Christus Bescheid weiß, ja spüren kann, wer dieser Jesus Christus ist.

Letztlich heißt das salesianisch leben – oder wenn man es philosophisch mit Immanuel Kant beschreiben will: das wäre der Kategorische Imperativ allen Handelns nach Franz von Sales. Und dieser salesianische kategorische Imperativ lautet: „Lebe so, dass durch dein Denken, Reden und Handeln die Menschen, denen du begegnest, dadurch erkennen: so ist Jesus Christus, der Sohn Gottes.“ Salesianisch leben ist also wahrlich eine Herausforderung. Allerdings war auch das ein Markenzeichen des Heiligen Franz von Sales, dass das Ziel, das zu erreichen ist, immer mit kleinen Schritten angegangen werden soll, damit der Mensch nicht überfordert wird. Gott wird dann das Unvollendete, das ich begonnen habe, vollenden. Wörtlich sagt Franz von Sales einmal: „Gefällt es Gott, uns zur Vollkommenheit der Engel zu erheben, dann werden wir auch gute Engel sein. Vorläufig aber üben wir uns einfach, demütig und eifrig in den kleinen Tugenden, … in Geduld, … Demut … in der Liebe zum Nächsten, im Ertragen unserer Fehler.“

Und noch ein schönes Zitat hab ich gefunden: „[Gott] schaut nicht auf die Menge der Dinge, die wir ihm zuliebe tun, sondern darauf, mit wie viel Liebe wir etwas tun.“ Lebe so, dass die Menschen durch dein Denken, Reden und Handeln erkennen, wer Jesus Christus ist … Das ist das Ziel. Der Weg dorthin geht Schritt für Schritt. Amen.

Herbert Winklehner OSFS


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