PREDIGT zum 31. Sonntag i. Jk. - LJ C

"Zachäus" (Lk 19,1-10)

Liebe Schwestern und Brüder,

die Geschichte vom Zöllner Zachäus zählt eigentlich zu meinen biblischen Lieblingsstellen. Und zwar deshalb, weil man an dieser Erzählung so schön erkennen kann, wie sich Gott seine Beziehung zu uns Menschen wünscht und wie eine Begegnung mit Gott möglich ist.

Das erste, das man dazu braucht, ist Neugierde und Sehnsucht. Zachäus war so neugierig auf Jesus, sehnte sich so sehr, ihm zu begegnen, dass er sogar auf einen Baum hinaufstieg, um diesen Jesus wenigstens sehen zu können. Die Frage, die ich mir da jedes Mal stelle, lautet: Und wie schaut’s bei mir aus: Bin ich wirklich neugierig darauf, Jesus zu sehen, sehne ich mich so sehr nach einer Begegnung mit ihm, dass ich dafür bereit bin, Dinge zu tun, die auch ein wenig anstrengend oder verrückt sind?

Das zweite, das uns diese Zachäusgeschichte deutlich macht, ist der Hinweis, dass Jesus es ist, der Zachäus anspricht - und zwar mit seinem Namen: „Zachäus, komm schnell herunter.“ Das ist etwas, von dem auch wir überzeugt sein dürfen: Jesus kennt uns alle mit Namen, er weiß ganz genau, wer wir sind, er kommt auf uns zu, macht den ersten Schritt und fordert uns auf, zu ihm zu kommen.

Und dann kommt gleich die nächste Überraschung. Jesus sagt: „Ich muss heute bei dir Zuhause zu Gast sein.“ Bei diesen Worten wird die Neugierde und Sehnsucht Gottes deutlich: Gott interessiert sich für uns, er ist neugierig, was wir so machen, und möchte bei uns zu Hause einkehren. Diese Sehnsucht Gottes geht sogar noch weiter, er möchte nicht nur bei uns zu Hause Gast sein, er möchte bei uns zuhause wohnen, ja nicht nur bei uns zuhause, sondern bei uns ganz tief drinnen in unserem Herzen. Danach sehnt sich Gott, deshalb hat er uns Menschen erschaffen – um in unseren Herzen wohnen zu dürfen. Die Frage an uns ist also: Welche Antwort gebe ich Jesus, wenn er sagt, dass er bei mir Zuhause sein möchte? Lasse ich Gott bei mir Zuhause wohnen, lasse ich ihn in mein Herz hinein?

Und schließlich ein viertes: Wenn man sich wirklich auf Jesus einlässt, dann hat das Konsequenzen für mein praktisches Leben. Bei Zachäus wird das ganz drastisch deutlich, in dem er beschließt, dass er die anderen nicht mehr nicht nur ausbeuten will, sondern dass er ihnen sogar das Vierfache von dem zurückgeben will, was er ihnen genommen hat. Außerdem will er die Hälfte seines Vermögens den Armen geben. Für jeden von uns aber gilt: Jesus bei sich wohnen lassen, tut nicht nur mir persönlich gut, meiner Neugierde und Sehnsucht, es tut auch allen anderen Menschen gut, mit denen ich Umgang habe. Ein jeder und eine jede profitiert davon.

Das ist sogar das Kriterium für wahre und echte Frömmigkeit. Von einem echten, authentischen Christen profitiert die Umgebung, die Nachbarschaft, die Gesellschaft, ja die ganze Welt. Oder wie es der heilige Franz von Sales einmal geschrieben hat: „Ich will keine mürrische, melancholische, verärgerte und kopfhängerische Frömmigkeit; wohl aber eine sanftmütige, freundliche, angenehme, friedliche - mit einem Wort eine ganz aufrichtige Frömmigkeit, die von Gott zuerst und dann von den Menschen geliebt wird.“ … also eine Frömmigkeit von der sowohl Gott als auch die Menschen und damit auch ich selbst profitiere.

Das also können wir aus der Zachäusgeschichte lernen: Es braucht Neugierde und Sehnsucht nach Gott. Ich werde von Gott mit meinem Namen ganz persönlich angesprochen. Er kommt auf mich zu. Gott möchte in meinem Herzen wohnen … und er möchte, dass mein Glaube, meine Frömmigkeit mir selbst und allen anderen gut tut.

Amen.

Herbert Winklehner OSFS


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