PREDIGT zum 32. So.i.Jk. - LJ B
"Abwägen" (Mk 12,41-44)
Geschichte: Die Stimme
Ein Bauer in Nordschleswig wusste von einer armen Familie, in welcher der Vater gestorben war, und machte sich auf den Weg, um der Witwe 20 Euro zu geben, damit sie mit ihren Kindern etwas zu Weihnachten hätte.
Als er ein Stück gegangen war, sagte eine Stimme zu ihm: „20 Euro sind eigentlich allerhand Geld. Man soll die Leute nicht verwöhnen. Wer weiß, ob die Frau richtig damit umgehen kann, wenn sie auf einmal so viel bekommt.“ Und so beschloss er, ihr 10 Euro zu geben.
Als er wieder ein Stück gegangen war, sagte wieder die Stimme zu ihm: „Täten es nicht auch 5 Euro? Du bist ja schließlich nicht der einzige, der sich verpflichtet fühlen sollte, ihr zu helfen.“ So beschloss er, ihr 5 Euro zu geben.
Als er sich nun dem Hause näherte, hörte er wieder die Stimme sagen: „Sind nicht auch 3 Euro genug? Am Ende geht es ihnen ja gar nicht so schlecht. Sie haben ja ein Dach über dem Kopf und scheinen ganz fröhlich zu sein. Gib ihnen 3 Euro! Das macht lange nicht jeder.“
Da blieb der Bauer stehen und erschrak über sich selbst und sagte laut zu der Stimme, seinem inneren Versucher: „Wenn du nun nicht gleich deinen Mund hältst, dann gebe ich der Frau alles, was ich bei mir habe.“
So gab er alles, was er bei sich hatte. Und es wurde ein frohes Fest, auch für den Bauern.
Liebe Schwestern und Brüder,
In drei Wochen beginnt der Advent, in sieben Wochen ist Weihnachten. Und es gibt tatsächlich schon Menschen, die sich Gedanken über Weihnachtsgeschenke machen. Letzte Woche las ich jedenfalls von den ersten Wirtschaftsprognosen für das kommende Weihnachtsgeschäft. Diese besagen, dass der Spielwarenhandel, der Uhren- und Schmuckhandel und der Buchhandel vom Weihnachtsgeschäft am meisten profitieren. Beim Buchhandel kann ich das bestätigen. In den letzten Jahren nahmen allerdings auch die „Genussgeschenke“ zu, wie etwa: Städte- und Wellnessreisen, Kochkurse oder Weinseminare. Immer mehr Menschen greifen auf „Gutscheine“ zurück, sodass sich der Beschenkte selbst aussuchen kann, was er gerne haben möchte. Durchschnittlich, so errechnet die Statistik, gibt jeder derzeit etwa 350.- EURO für Weihnachtsgeschenke aus. Seit 2001 soll nun dieser Betrag in diesem Jahr erstmals wieder steigen.
Ich meine, das heute gehörte Evangelium kann uns ganz gut als Einstimmung auf das kommende Weihnachtsgeschäft dienlich sein. Mit dem Beispiel der armen Witwe macht uns Jesus Christus nämlich auf ein erstaunliches Phänomen aufmerksam: nämlich: 2 Cent können manchmal mehr Wert sein als 100 EURO. Der Grund, warum Jesus auf eine solche Wirtschaftsprognose kommt, ist einfach: im Gegensatz zu vielen anderen sieht er nicht so sehr auf das Äußere, also auf die nackten Zahlen, sondern auf das Herz, auf das Innere, auf die Haltung, Einstellung und Motivation des Menschen. Und da stellt Jesus eben fest, dass sehr oft der äußere Schein trügt – damals ebenso wie heute.
Im Oktober 2005 etwa verkündete Bill Gates, der Microsoft-Chef, er werde 258 Millionen Dollar für humanitäre Zwecke spenden. Eine unvorstellbare Summe: Eine 258 Millionen Dollar-Spende! – Näher betrachtet ist diese Summe jedoch bloß ein kleiner Teil seines noch unvorstellbareren Gesamtvermögens, das derzeit auf etwa 29 Milliarden Dollar geschätzt wird. Bill Gates spendet also – wenn ich mich nicht verrechnet habe - weniger als 1% seines Vermögens. Das heißt: Eigentlich spendet Bill Gates nicht einmal das, was sein Überfluss an Zinsen abwirft, also es kratzt ihn und seinen Wohlstand kein bisschen – sondern im Gegenteil, er gewinnt durch dieses humanitäre Engagement sogar noch etwas dazu, nämlich Ansehen in der Welt. Sollte Bill Gates seine Spendenaktion tatsächlich nur deshalb gemacht haben, damit alle Welt erfährt, wie gut und großzügig er ist, dann ist seine Spende in den Augen Jesu keinen Cent wert. Denn so sagt Jesus in der Bergpredigt: „Wenn du Almosen gibst, dann soll deine linke Hand nicht wissen, was deine rechte tut.“ Und im heutigen Beispiel der armen Witwe sagt er uns: Die Höhe eines Betrages ist nicht das Entscheidende in den Augen Gottes. Das Entscheidende ist die Einstellung. Sobald wir zu rechnen beginnen und fragen, was nutzt mir diese Spende, was werde ich dafür zurückbekommen, ist diese Spende auch gut investiert und angelegt – nicht nur unter den Menschen sondern auch bei Gott, oder genügt nicht auch weniger … dann sinkt der Wert meiner Gabe Schritt für Schritt nach unten.
In der Geschichte des Bauern, die wir heute gehört haben, wird das ja so schön im Zwiegespräch mit seinem inneren Versucher dargestellt. Je mehr der Bauer zu rechnen anfängt, umso geringer wird der Betrag. Bis er schließlich doch noch die Kurve kriegt – und alles spendet, was er in seiner Geldtasche hat.
Diese Geschichte erinnerte mich übrigens an die Erfahrung, die ein guter Freund von mir machte. Er verdient relativ gut und fasste daher folgenden Beschluss: Beim üblichen Sammeln in der Messe wird er immer den ersten Schein aus seiner Geldbörse spenden. Er hat nämlich seine Geldscheine immer schön sauber nach Größe geordnet. Und, so sagte er: Wenn’s ein 5 Euro-Schein ist, dann spende ich einen 5 Euro-Schein, wenn’s ein 10er ist dann eine zehner, wenn’s 20 sind dann 20. Das Beste war, dass er sogar meinte: Damit kann ja Gott selbst jeweils über die Höhe meiner Spende entscheiden. Er versprach jedenfalls, immer diesen ersten Schein in den Klingelbeutel zu werfen. Eines Tages muss ihm wahrscheinlich seine Ehefrau die Geldtasche etwas durcheinander gebracht haben. Als er nämlich den ersten Schein herausholte, war’s ein Hunderter … Mein Freund wusste plötzlich nicht mehr, was er jetzt tun sollte. 100 EUR als Spende an einem ganz gewöhnlichen Sonntag sind auch für ihn eine Menge. Jedenfalls ein Betrag, der ihn in dieser Situation wirklich schmerzte. Trotzdem gab er sich einen Ruck und warf den Schein in den Klingelbeutel.
Nachdem das Geld weg war, sagte er mir später, hab ich erst begriffen, wie falsch ich gerechnet habe. Ich verdiene gut, also werde ich immer den ersten Schein aus meiner Geldbörse spenden … Gott soll entscheiden. Hinter dieser Einstellung steckt eigentlich nichts anderes als Hochmut und Stolz. Seither macht er das nicht mehr, sondern versucht die Spende, die er gibt, wirklich mit ehrlichem Herzen zu geben. Der Apostel Paulus bringt es in seinem Hohelied der Liebe auf den Punkt: „Und wenn ich meine ganze Habe verschenkte, hätte aber die Liebe nicht, nützte es mir nichts“ (1 Kor 13,3). Es kommt also nicht auf die Höhe dessen an, was ich gebe, sondern auf die Art und Weise, wie ich etwas gebe – und zwar nicht nur beim Spenden für den Klingelbeutel, sondern bei allem, was ich gebe und schenke.
„Die zwei Groschen der armen Witwe“ so schreibt der hl. Franz von Sales, „hatten einen hohen Wert vor Gott; … So sind auch die geringsten guten Werke Gott angenehm, wenn sie aus Liebe getan werden.“ Und an einer anderen Stelle schreibt er: „Die Größe der Almosen kann niemand besser beurteilen als Sie selbst. Sie müssen Ihre Mittel und Verpflichtungen erwägen und daraufhin Ihre Almosen nach der Bedürftigkeit der Armen abstimmen; - ohne die Liebe aber nützt uns das alles nichts, selbst dann nicht, wenn Sie sich angetrieben fühlten, ihr ganzes Vermögen unter die Armen zu verteilen.“
Hier vorne am Altar steht eine Waage. Sie soll uns genau daran erinnern, dass vor Gott die Dinge oft ganz anders wiegen als vor den Menschen. Und dass vor ihm zwei Cent manchmal viel wertvoller sind als 100 EUR. Amen.
Herbert Winklehner OSFS
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