PREDIGT zum 3. Fastensonntag - LJ B - 2
"Seelenreinigung" (Joh 2,13-25)
Liebe Schwestern und Brüder,
der heilige Franz von Sales wurde während seiner Amtszeit als Bischof von Genf-Annecy von allen möglichen Seiten um Rat gefragt, wie sei denn gute Christen sein könnten. Eines Tages kam sogar ein hochrangiger Offizier der herzoglichen Garde zu ihm. Er war bekannt als strenger, befehls- und wortgewaltiger Mann, der seinen Wünschen und Befehlen gerne mit seinem Schwert Nachdruck verlieh, wenn man ihm nicht sofort gehorchte und tat, was er wünschte. Die Menschen in seiner Näher litten oft unter seinen Zornesausbrüchen. Dieser Offizier kam also zum hl. Franz von Sales und wollte wissen, was denn für ihn die beste Methode sei, um ein guter Christ zu werden. Mir wäre an dieser Stelle gleich ein ganze Menge eingefallen: Schreien Sie nicht herum, hätte ich gesagt. Respektieren sie ihre Untergebenen. Quälen sie ihre Mitmenschen nicht mit ihrem autoritären Gehabe. Zügeln Sie ihren Zorn und ihren Hass, der in ihnen lodert, und so weiter. Nichts von all dem aber sagte Franz von Sales. Er sah den Offizier nur in die Augen, überlegte ein wenig und meinte dann ganz ruhig: „Herr Offizier, ich empfehle ihnen etwas ganz einfaches: Schlagen sie in Zukunft die Türen nicht mehr so fest zu!“
Im heutigen Evangelium erlebten wir einmal einen eher unbekannten Jesus. Zornentbrannt und wütend schlägt er die Händler und Geldwechsler mit einer Geißel aus Stricken in die Flucht. Diese Geschichte ist uns allen bekannt als „Tempelreinigung“. Und sehr leicht sind wir versucht, an dieser Stelle einmal unsere fundamentale Kirchenkritik loszuwerden. Weg mit all dem Mist, der sich da im Laufe der Jahrhunderte angesammelt hat, so wie im Tempel von Jerusalem. Papst, Bischof, Priester, Diakon ... Vatikan, Ordinariat, Klöster und Pfarrhäuser, Lehramt und Seelsorge ... überall gehörte einmal ordentlich auf den Tisch geschlagen, damit endlich all das Gotteslästerliche und Menschenverachtende, das sich da angesammelt hat, ausgemerzt wird. Leider übersehen wir alle dabei einen kleinen, aber sehr wichtigen Satz aus dem heutigen Evangelium. Wir haben ihn ganz am Schluss gehört. Er lautet: „Denn er wusste, was im Menschen ist.“ Also: Die fundamentale, zornige und wütenden Kritik Jesu war berechtigt, weil er wusste, was im Menschen ist, weil er in die Herzen und Seelen der Menschen sehen konnte. Er wusste die Wahrheit, konnte hinter die Kulissen und die Masken der Menschen um ihn blicken. Genau deshalb konnte er der stadtbekannten Hure Maria Magdalena vergeben, den Geldeintreiber Matthäus zu einem seiner Apostel machen oder eben eine Tempelrevolte vom Zaum schlagen und anerkannte religiöse Oberhäupter als Schlangenbrut und übertünchte Gräber bezeichnen.
Wir können das normalerweise nicht. Es steht uns daher auch nicht zu, wie Jesus die Geißel zu schwingen. Eines aber können wir schon: Wir können hinter unsere eigenen Masken schauen, in unsere eigene Seele, unser eigenes Herz. Wir wissen nicht, was in den Menschen um uns vorgeht, aber wir kennen das, was in uns ist. Unser eigenes Inneres zu reinigen, wäre also die nächstliegende Konsequenz aus dem heutigen Evangelium: Seelenreinigung also, statt Tempelreinigung.
Mit dem Finger auf andere zeigen ist immer leichter, als auf sich selbst. Daher habe ich am Anfang die Geschichte von Franz von Sales und seinem Offizier erzählt. Dieser Rat des hl. Franz von Sales, die Türen nicht zuzuschlagen, bedeutet ja nichts anderes als: „Wenn sie ein guter Christ sein wollen, dann fangen sie einmal zuerst bei sich selbst an. Und die Türen leise zu schließen, ist ein erster Schritt dazu.“
Mutter Teresa wurde einmal gefragt, was sie am gegenwärtigen Zustand der Katholischen Kirche ändern würde. Was sie darauf antwortete, darüber sollten wir nicht nur in der österlichen Bußzeit nachdenken. Sie sagte nämlich nur drei Worte: „Me and you“ – „Mich und dich“. Amen.
Herbert Winklehner OSFS
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