PREDIGT zum 6. Sonntag i. Jk. - LJ A
"Das Innere ist entscheidend" (Mt 5,17-37)
Liebe Schwestern und Brüder,
wer unsere Kapelle betritt, der begegnet als erstes – so die beiden hinteren Eingangstüren auch zu sind – zwei Männern, die auf der Außenseite der Eingangstür aufgemalt sind. Der eine hält ein Bündel Ähren in der Hand, der andere kniet vor ihm. Und beide reichen einander die Hände. Die Finger berühren sich noch nicht ganz. Der Künstler Basilius Spreng, der diese Eingangstür gestaltete, wollte damit einen Satz aus dem heutigen Evangelium darstellen: „Wenn du deine Opfergabe zum Altar bringst und dir dabei einfällt, dass dein Bruder etwas gegen dich hat, so lass deine Gabe dort vor dem Altar liegen; geh und versöhne dich zuerst mit deinem Bruder, dann komm und opfere deine Gabe.“ Also: Ein jeder, der unsere Kapelle betritt, wird mit diesem Bild an der Eingangstür gefragt: „Wie geht es dir mit deinen Mitmenschen …. Bist du mit ihnen versöhnt, oder nicht?“ Es ist eine ganz stille Frage und es ist eine Frage an unser Herz: denn nur dort können wir sie ehrlich und wahr beantworten.
Im Bayerischen Radio läuft derzeit der „Monat der Wahrheit“. Jeden Tag in der Früh wird das Ergebnis einer besonderen Umfrage bekannt gegeben. Es werden Fragen nach geheimen Fehltritten gestellt. Also z. B.: Haben Sie schon einmal bewusst etwas mitgehen lassen, ohne dabei erwischt worden zu sein? Oder: Haben sie schon einmal einen Kratzer bei einem anderen Auto verursacht, ohne dann auch den Besitzer verständigt zu haben?“ Die Ergebnisse sind eigentlich recht interessant, weil sie oft ganz anders ausfallen als erwartet. Fast jeder zweite zum Beispiel hat zugegeben, in seinem Leben irgendwann schon einmal etwas mitgenommen zu haben, ohne dass es ihm gehörte. Bayern outet sich also … natürlich nur anonym, denn öffentlich würde das Ergebnis sicherlich wieder ganz anders ausfallen.
Mit dieser Frageaktion wird jedenfalls deutlich, dass es bei jedem Menschen zwei Seiten gibt: die Äußere, die Öffentliche, die für alle sichtbare Seite - und die Innere, die nicht allen zugänglich ist, aber doch bei weitem mehr der Wahrheit entspricht. Für viele ist das Äußere das Wichtigste und Entscheidende … bei Jesus Christus jedoch ist das völlig anderes. Für ihn spielt das Äußere zunächst einmal keine Rolle. Ihm kommt es auf das Innere an, auf das, was man nicht sieht. Ihm geht es um das Herz des Menschen – und um das, was sich in diesem Herzen abspielt. Und genau deshalb sagt er: „Ich bin nicht gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben“ – das sind die äußeren Rahmenbedingungen des Lebens –, sondern ich bin gekommen, „um sie zu erfüllen.“
In Österreich hat vor gut einer Woche ein ehemaliger Finanzminister Selbstanzeige erstattet, weil er Steuern hinterzogen hat – und das noch dazu genau zu der Zeit als er Finanzminister war. Ich versteh von Finanzwirtschaft und steuertechnischen Dingen nichts. Aber offenbar hatte dieser ehemalige Finanzminister ein genau ausgeklügeltes System entwickelt, das es ihm ermöglichte, unerkannt und an den Steuerbehörden vorbei, Steuern nicht zu zahlen. Ich würde gerne in das Herz dieses ehemaligen Finanzministers hineinschauen können, um herauszufinden, ob es tatsächlich stimmt, was er jetzt in der Öffentlichkeit behauptet, nämlich, dass er seinen Fehler erst vor ein paar Monaten erkannte und dann sofort Selbstanzeige erstattete. Ideal für die Presse ist natürlich – und das macht das Ganze eigentlich erst so richtig interessant – dass dieser Mann seit Jahren immer wieder in der Öffentlichkeit behauptete, er habe eine „super, super reine Weste“. Das mag ja stimmen, seine Weste mag wirklich super, super rein sein, aber das Entscheidende ist ja nicht das Äußere, also die Weste, sondern das Herz.
Auf das Herz kommt es an. Was sich im Herzen abspielt, ist das Wichtigste und Entscheidende. Das wäre das Thema, das wir euch heute zum Nachdenken mitgeben möchten. Jesus braucht übrigens keinen Bayerischen Rundfunk oder sonstige Medien, ja nicht einmal das Internet oder Facebook, um herauszubringen, wie es in unserem Herzen wirklich aussieht. Vor ihm sich zu verstecken ist sinnlos. Viel wichtiger ist es, dass wir ihm unser Herz hinlegen – ohne Angst – und sagen: so ist es. Und wir dürfen sicher sein, dass er uns sofort in seine Arme schließen wird. Ich schließe mit Franz von Sales, der all das eigentlich sehr schön zusammenfasst: „Manche sehen die Vollkommenheit in einem strengen Leben, andere im Beten, im häufigen Empfang der Sakramente oder im Almosengeben. Doch sie täuschen sich. Die Vollkommenheit besteht darin, Gott aus ganzem Herzen zu lieben.“ Amen.
Herbert Winklehner OSFS
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