Franz von Sales - aktueller denn je
Liebe Schwestern und Brüder,
der berühmte österreichische Fernsehpfarrer August Paterno schreibt in seinem Buch mit dem Titel „Das hätte ich dir noch sagen wollen...“ Folgendes: "Der heilige Franz von Sales hat von 1567 - 1622 gelebt. Nun könntest Du sagen: Das ist doch lange her, was kann der uns am Ende des 20. Jahrhunderts noch sagen? Doch es ist ganz anders: Was dieser Mann getan, gelebt und geglaubt hat, ist heute aktueller denn je.“
Ich möchte also jetzt versuchen, einige Punkte aus dem Leben des Heiligen darzustellen, von denen ich glaube, dass sie „aktueller den je“ sind, wie August Paterno meinte. Ich möchte Aspekte beschreiben, die uns vielleicht helfen können, heute und jetzt gute Christen zu sein und zu werden. Am Beginn steht dabei das Evangelium. Diese Stelle aus dem Johannes-Evangelium, die wir gerade gehört haben, schildert einen großen Auftrag Jesu an uns: „Liebet einander, so wie ich euch geliebt habe!“ Diese Botschaft, so ungeheuer schwierig sie auch klingen mag, sollt trotzdem das Ziel von uns Menschen sein. Für uns Christen muss es das Ziel unseres Lebens sein, da wir ja Jesus nachfolgen wollen. Die erste Hilfe, die uns dazu der hl. Franz von Sales gibt, ist Ermutigung: Wir können diesen Auftrag erfüllen, denn auch er hat es geschafft, trotz vieler Probleme, die er damit gehabt hat, trotz einer großen Krise, in die er geschlittert ist.
Franz von Sales trägt heute sogar den Beinamen: Lehrer der Liebe. Nicht nur, weil er ein Buch geschrieben hat, mit dem Titel „Abhandlung über die Gottesliebe“, sondern gerade deshalb, weil er den Auftrag Jesu „Liebt Einander!“ in seiner Zeit, mit seiner Persönlichkeit und in seiner Umwelt wunderbar in die Tat umgesetzt hat.
Beispiele, die das belegen, gäbe es genug. Hier ein lustigeres: Ein Angestellter des hl. Franz von Sales hatte die Angewohnheit, sich immer wieder einmal zu betrinken, auch wenn er wusste, dass ihn das seine Arbeitsstelle kosten wird, wenn man ihn einmal erwischt. Eines Nachts geschah es, dass Franz von Sales diesen so stock besoffen antraf, dass er nicht einmal mehr über die Stufen zu seinem Zimmer gehen konnte. Der Bischof trug ihn daher eigenhändig hinauf und brachte ihn ins Bett. Am nächsten Tag erwartete der Angestellte ein ordentliches Donnerwetter und die Entlassung. Franz von Sales aber sagte ihm nur: „Gestern bist du aber sehr krank gewesen!“ Der Angestellte wurde also nicht entlassen, sondern erfuhr praktisch das Wort Jesu: „Liebet einander!“
Eine viel ernstere Angelegenheit erlebte er durch eine grobe Verleumdung. Ein Schriftfälscher verfasste einen Brief, in dem Franz von Sales an eine „Stadtbekannte Frau mit schlechtem Ruf“, wie die Biographen es ausdrücken, schreibt und ihr als Bischof seine Liebe mitteilt. Der Liebes-Brief kursierte durch die ganze Stadt. Franz von Sales aber unternahm nichts, um sich zu verteidigen, sondern sagte nur, dass er nicht der Verfasser sei. Weil diese Reaktion des Heiligen dermaßen überraschend war, bekannte der Fälscher einige Tage später öffentlich seine Tat.
Franz von Sales setzte dieses Prinzip des „Liebet einander“ auch auf politischer Ebene um. Und das scheint mir gerade heute wichtig zu sein, wo im Golf der Krieg immer mehr zum Alltag wird und auch in anderen Ländern die Waffen die beliebtesten Werkzeuge der Politik sind. Zur Zeit des hl. Franz von Sales waren die Konflikte, die durch die Reformation entstanden sind, das politische Hauptproblem. er selbst war dadurch betroffen, dass er zwar offiziell Bischof von Genf war, dort aber nicht hineingelassen wurde, weil die Stadt fest in den Händen der Calviner war. Durch seine guten Beziehungen zum französischen Königshof und dem Herzog von Savoyen wäre es für ihn kein Problem gewesen, die Sache mit den Waffen der Soldaten zu lösen. Und jeder Katholik der damaligen Zeit hätte das verstanden. Franz von Sales ging einen anderen Weg. Wörtlich sagte er: „Wir müssen Genf zurückerobern, das ist richtig, aber nicht mit den Waffen der Gewalt, sondern mit den Waffen der Liebe.“ Und was sind das für Waffen? Fasten, Gebet und wohlwollender Dialog. Franz von Sales verfolgte dieses Prinzip dermaßen konsequent, dass ihn einige sogar beim Papst als Kollaborateur mit den Calvinern anschwärzten, weil er mit dieser Satansbrut so liebevoll umgehe, und sie sogar als „Brüder“ ansprach.
Ebenso aktuell glaube ich ist dieses „Liebet einander!“ des Heiligen Franz von Sales auf dem Gebiet der Kirche. Zurzeit befinden wir uns ja, was den Zusammenhalt innerhalb der Kirche betrifft, in einer ziemlichen Krise. Der hl. Franz von Sales hatte damals übrigens ein ähnliches Problem wie heute: Es ging bei ihm um die Reformen des Konzils von Trient. Ein Wort von ihm scheint mir dabei für die heutige Situation sehr interessant zu sein. Einer Ordensoberin, die ihn scharf kritisierte, sagte er nämlich: „Schimpfen sie über mich, soviel sie Lust haben, das macht mir keine Sorge, ich weiß ja doch, dass sie um meine Liebe zu ihnen wissen, und ich habe vollkommenes Vertrauen zu ihnen.“ Ich glaube, wenn das Verhältnis zwischen Bischöfen und Laien in dieser Liebe und in diesem Vertrauen vorhanden sein würde, dann wären wahrscheinlich manche Probleme von heute keine mehr.
Liebet einander, dieser Auftrag Jesu gilt auch heute. Der hl. Franz von Sales hat diesen Auftrag in seiner Zeit konsequent zu erfüllen versucht. Und er hat es geschafft. Nehmen wir das als Ermutigung für uns, dieses Wort Jesus praktisch umzusetzen: „Liebet einander, so wie ich euch geliebt habe.“ Amen.
Herbert Winklehner OSFS
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