„Allen alles mit Güte und Herzlichkeit“

Liebe Schwestern und Brüder,

als ich gebeten wurde, hier zu predigen, stand ich wirklich vor einer sehr schwierigen Aufgabe. Was soll ich von Franz von Sales sagen, wenn hier so ein unterschiedliches Publikum da ist: Kinder, Jugendliche, Frauen, Männer, Senioren, Pfarrer der Umgebung und natürlich die Schwestern des Heimsuchungsordens, der ja von Franz von Sales zusammen mit Johanna Franziska von Chantal 1610 gegründet wurde.

Wie ich nun so dasaß wie bei einer Deutschschulaufgabe, wo einem zum Thema überhaupt nichts einfällt, kam mir plötzlich der Gedanke, dass ja Franz von Sales selbst ein Mensch war, der für alle Schichten der Bevölkerung, für die Kinder und Jugendlichen genauso wie für Erwachsene und alte Menschen da war, für alle ein gutes Wort hatte, allen seine Hilfe anbot. Einer seiner Leitsprüche hieß ja auch „Allen alles werden“.

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Um euch das etwas klarer zu machen, muss ich Eure Geographiekenntnisse auffrischen. Franz von Sales war Bischof von Genf, in der heutigen Schweiz, durfte aber diese Stadt nicht betreten, weil die dort lebenden Calviner keine katholischen Christen haben wollten, und musste daher in Annecy, südlich von Genf, seinen Bischofssitz aufschlagen. Zu seinem Bistum gehörte nun auch der höchste Berg Europas, der Mont Blanc zusammen mit seinem riesigen Felsmassiv der Alpen. Und in diesen Bergen lagen verstreut einzelne Höfe und kleine Dörfer, die von keinem einzigen Bischof vor ihm betreten wurden. Er, der wirklich alle Menschen seiner Diözese kennen lernen wollte, war der erste Bischof, der wie ein Bergsteiger zu den entlegendsten Dörfern hinaufstieg, um eben auch für diese Menschen da sein zu können. Schon bald nach seiner Bischofsweihe 1602 nannte man ihn daher auch den „Bergsteiger-Bischof“. Genauso wie für die Menschen in den Bergen wollte er natürlich auch für andere da sein. Er selbst sagte ja einmal über seine Bischofsweihe: „Als ich zum Bischof geweiht wurde, nahm mich Gott mir selbst, um mich ganz meinem Volk zu schenken.“

Und so wurde er auch wirklich ein Bischof für die Kinder, für die Jugend, für die Frauen und Männer, für seine Priester, für die armen und reichen Menschen, für die Kranken und Alten.

Vielleicht fragt ihr euch jetzt, wie Franz von Sales das bloß schaffte. Natürlich hatte er dafür auch ein besonderes Mittel, nämlich die Güte, die Sanftmut, die Liebe. Als ihn einmal ein Freund fragte, warum ihn denn alle Menschen so gern haben, erzählte ihm Franz von Sales ein Erlebnis, das er in den Bergen hatte. Als er bei einer seiner Bergtouren bei einem Bauern Rast machte, ließ sich plötzlich ein Schwarm Bienen auf seiner Schulter nieder und er wusste nicht mehr, was er jetzt tun solle. Wenn er aufspringt und davonrennt, dann wird ihm der Schwarm folgen und ihn stechen. Wenn er ganz ruhig dasitzt, dann werden die Bienen auf seinen Schultern auch sitzen bleiben. Gut, dass der Bauer auch bei ihm war, denn dieser sagte: „Herr Bischof, halten sie durch, vertreiben sie die Bienen nicht mit Gewalt. Bleiben sie ruhig sitzen und sagen sie von Zeit zu Zeit einige Worte, dann werden die Bienen bald merken, dass sie nicht in der Stille ihres Bienenstockes sind, und wegfliegen.“ Und tatsächlich: bald flog der Schwarm weiter, ohne dass der Bischof einmal gestochen wurde.

Franz von Sales lernte dadurch, dass man mit Güte, Milde, Herzlichkeit, Freundlichkeit vielmehr erreicht, als mit Gewalt, Autorität, mit Befehlen. „Mit einem Löffel Honig“, sagte Franz von Sales, „fängt man mehr Fliegen, als mit einem Fass voll Essig.“

Anekdoten aus dem Leben des hl. Franz von Sales mögen dies deutlich machen. Einmal kam mitten in der Nacht einer seiner Diener stock betrunken nach Hause. Er war so betrunken, dass Franz von Sales, der große Bischof selbst ihn zu Bett bringen musste. Am nächsten Tag erwartete der Diener ein bischöfliches Donnerwetter und seine Entlassung. Doch wie staunte er, als ihm Franz von Sales die Hand auf seine Schultern legte und meinte: „Na, mein Freund, gestern waren sie aber sehr krank.“ Kein bischöfliches Donnerwetter, keine Entlassung, aber: der Diener rührte keinen Tropfen Alkohol mehr an.

Oder: Einmal wurde der hl. Franz von Sales von einem seiner Diözesanpriester schwer verleumdet. Daraufhin meinten die Domkapitulare: „Herr Bischof, so geht das nicht weiter. Jetzt müssen sie endlich einmal hart durchgreifen und diesen Priester bestrafen.“ Franz von Sales darauf: „Nein, das werde ich nicht tun. Ich werde doch nicht das Haus der Sanftmut, das ich mir in meinem Leben so mühevoll aufgebaut habe, wegen eines einzigen Priesters von heute auf morgen zerstören.“

An diesem Wort können wir auch erkennen, dass Franz von Sales diese Güte und Herzlichkeit nicht von vorneherein besaß. Vielleicht hat sich schon mancher von euch gedacht: Klar, dass der hl. Franz von Sales das alles schafft, er ist ja ein Heiliger. Aber gerade das stimmt nicht: Franz von Sales war nämlich von Geburt an ganz und gar nicht gütig, er war vielmehr ein echter Savoyarde, einer, der zum Jähzorn veranlagt war. Als kleines Kind, heißt es, konnte er so jähzornig werden, dass seine Hautfarbe ganz rot wurde. Franz von Sales war nicht von vorneherein gütig. Er musste sich diese GÜte und Menschenfreundlichkeit erarbeiten. Und er hat es tatsächlich geschafft, der von allen hochgeschätzte heilige Gentleman zu werden.

Ich glaube, gerade da können wir sehr viel von Franz von Sales für unser Leben lernen. Zum Heiligen wird man nicht geboren. Heiliger kann man nur werden, auch dann, wenn man viele Fehler und Schwächen hat, man darf nur nicht aufgeben, diese zu verbessern. Die Methode, die uns dazu Franz von Sales empfiehlt, hat ihn von einem jähzornigen Menschen zu einem der herzlichsten Menschen gemacht, die auf der Erde lebten. DIe Methode des hl. Franz von Sales heißt: „Wer die Güte in den Händen hält, ist der Stärkste in der Welt.“ Amen.

Herbert Winklehner OSFS


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