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Die Betrachtung -

oder: Wie meditiere ich salesianisch ?

Die Betrachtungsmethode des hl. Franz von Sales ist eine Antwort auf die Sehnsucht des Menschen nach Stille und Meditation. "Versprich mir täglich eine Viertel Stunde Betrachtung, dann verspreche ich dir den Himmel." Diese Zusicherung an uns stammt von Theresa von Avila. Der hl. Franz von Sales war ein großer Verehrer dieser Heiligen Kirchenlehrerin. So wundert es nicht, dass auch der Bischof von Genf in der "Philothea" die Betrachtung - heute würde man von Meditation sprechen - empfiehlt und eine Anleitung dazu erstellt (Teil 2, Kap. 2-7).


1.  Was ist die Betrachtung?

Für Franz von Sales ist klar, dass Christsein im Alltag nur gelingt, wenn man dabei im ständigen Kontakt mit Gott bleibt. Um diesen Kontakt herzustellen und zu vertiefen, empfiehlt er die tägliche Meditation: "Wenn du ihn (den Herrn in seinem Leben und Leiden) oft betrachtest, wird deine Seele von ihm erfüllt, du lernst seine Art und Weise kennen und deine Handlungen nach den seinen formen." Der ideale Zeitpunkt dafür ist der Morgen, der ideale Ort eine Kirche oder Kapelle, der ideale Inhalt das Leben und Leiden des Herrn. Natürlich sollte die Betrachtung nicht daran scheitern, dass man diesen Idealen nicht voll entsprechen kann. Viel wichtiger ist, dass man sich während des Tages auch für Gott und nur für ihn Zeit nimmt und aus dieser Zeit der Gottesbegegnung heraus sein Handeln "formt". Das ist wichtig: Für Franz von Sales ist die Betrachtung kein Selbstzweck, sondern die beste Vorbereitung für die Arbeit, das Handeln im Alltag. Wer nur betrachtet, ohne daraus ganz konkrete Konsequenzen für sein Handeln zu ziehen, bläht sich nur auf, schreibt er, die echte Betrachtung aber mündet immer ein in die Realität des Alltags: "So muss der Rechtsanwalt nach der Betrachtung an die Prozessrede gehen, der Kaufmann zu seinem Geschäft, die verheiratete Frau an ihre Ehepflichten und häuslichen Arbeiten ... Das eine wie das andere ist ja Gottes Wille."

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2.  Wie betrachtet man?

2.1  Die Vorbereitung

Der erste Schritt, den Franz von Sales nicht nur für die Betrachtung, sondern für den Beginn jeder Tätigkeit empfiehlt, ist das "Versetzen in Gottes Gegenwart": "Gott ist ja in allem und überall; es gibt keinen Ort und kein Ding, wo er nicht wirklich gegenwärtig wäre." Dieses Versetzen in Gottes Gegenwart kann folgendermaßen geschehen: Sich bewusst machen,

  • dass Gott wirklich und lebendig anwesend ist;
  • dass er auch in meinem Herzen, in mir, wohnt und lebendig ist;
  • dass die Augen Jesu Christi vertrauensvoll auf uns gerichtet sind, auch wenn wir ihn nicht sehen können;
  • dass Jesus Christus bei uns ist, so als hätten wir einen Freund oder eine Freundin zu Besuch.

Als Abschluss dieser Vorbereitung rät Franz von Sales: Wissen wir uns in Gottes Gegenwart, bitten wir "um die Gnade, in dieser Betrachtung ihm einen wohlgefälligen Dienst, eine würdige Anbetung zu erweisen."

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2.2  Die Erwägungen

Den zweiten Schritt der Betrachtung nennt Franz von Sales "Erwägungen". In diesem beschäftigt man sich intensiv mit einem bestimmten Betrachtungsstoff, etwa einen Abschnitt aus der Bibel, den man sich Satz für Satz vor Augen hält. Fällt einem zu einem Satz nichts ein, soll man ruhig zum nächsten übergehen, "findet dein Geist Geschmack, Licht und Frucht an einer Erwägung, dann bleib dabei, ohne weiterzugehen."

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2.3  Die Affekte

Im dritten Betrachtungsschritt werden wir von Franz von Sales aufgefordert, Affekte, das sind Regungen des Herzens, wie Liebe, Sehnsucht, Eifer, Mitleid, Bewunderung, Freude, Furcht, Vertrauen, zu vertiefen. Es geht also darum, in sich hineinzuhören, welche Gefühle der Betrachtungstext bei mir auslöst.

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2.4  Die Entschlüsse

Danach soll ich dann ganz konkrete Entschlüsse zu fassen, was ich aus dem Text für mein Leben lernen bzw. in meinem Leben umsetzen möchte.

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2.5  Der geistliche Blumenstrauß

Die Betrachtung wird abgeschlossen durch den Dank an Gott, durch die Bitte, dass er bei der Einhaltung der Entschlüsse hilft, und durch das "Binden eines geistlichen Blumenstraußes". Das heißt: Zwei oder drei Gedanken, die uns während der Betrachtung eingefallen sind und uns besonders gut gefallen haben, sollen wir in den Tag hinein mitnehmen. Sie sollen uns während des Tages begleiten.

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3.  Ganz ruhig an die Arbeit

Am Ende der Betrachtung soll ich dann ganz ruhig an meine Arbeit gehen. Wörtlich gibt Franz von Sales den Rat: „Du musst auch lernen, vom Gebet zu jeder Arbeit überzugehen, die dein Beruf und Stand verlangen, auch wenn sie weitab von den Affekten deiner Betrachtung liegt.“ (DASal 1,79)

Herbert Winklehner OSFS


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