Franz von Sales: Ein Bischof der Liebe
Liebe Schwestern und Brüder,
wenn wir der Heiligen gedenken, dann tun wir das nicht so sehr, um unsere Allgemeinbildung zu erweitern, sondern vielmehr deshalb, weil alle Heiligen in ihrem irdischen Leben einen Weg gegangen sind, der sie zum Ziel, nämlich zu Gott führte. Solche Wege zu kennen, kann für das eigene persönliche Leben und das Leben der Kirche nur von Vorteil sein, wo ich doch annehme, dass ein jeder von uns diesen Weg zu Gott finden und gehen will.
Heute gedenken wir des hl. Franz von Sales, ein französischer Heiliger, der um die Wende vom 16. auf das 17. Jahrhundert lebte und für den ein Thema besonders wichtig war: die Liebe. Wenn Paulus in seinem Korintherbrief schreibt: „Das größte aber ist die Liebe!“, dann war es gerade der hl. Franz von Sales, der in seinem Leben und Wirken die Liebe zum Größten machte. Um das etwas konkreter zu machen, möchte ich nun auf einen Aspekt seines Lebens eingehen, in dem ganz besonders deutlich wird, wie bedeutungsvoll die Liebe im Leben des hl. Franz von Sales war. Und dieser Aspekt scheint mir heute auch für die Kirche ganz besonders aktuell zu sein: Franz von Sales war 20 Jahre Bischof von Genf, und er war ein Bischof der Liebe. Und das war er vom ersten Augenblick seiner Bischofsweihe an. Er selbst gestand einmal: „Als ich zum Bischof geweiht wurde, nahm mich Gott mir selbst, um mich ganz für sich in Beschlag zu nehmen; dann aber schenkte er mich dem Volk, das heißt er hat mich so umgewandelt, dass ich seither nicht mehr mir lebte, sondern nur noch für mein Volk..“
Seit dieser Stunde ist sich also der hl. Franz von Sales bewusst, dass er aus Liebe zu Gott und für die Liebe zu Gott, als Bischof nicht mehr für sich, sondern nur noch für sein Volk lebt. Dass der Bischof das nicht einfach nur so gesagt hat, sondern auch ganz konkret in die Tat unsetzte, ist klar. Nur einige Beispiele: Gleich in den ersten Jahren seines Episkopates erhielt der hl. Franz von Sales den Beinamen „Bergsteiger-Bischof“. Zur Diözese Genf gehört ja bekanntlich das Mont-Blanc-Massiv. Und Franz von Sales wollte wirklich sein ganzes Volk kennenlernen, aber nicht, indem er die einzelnen Pfarren zu sich bat, sondern indem er zu jedem kleinen Nest auf Besuch kam. Zum ersten Mal dringt damit ein Genfer Bischof in die entlegendsten und nur unter Gefahren zugänglichen Dörfer vor. Ein Freund, der ihn bei diesen Touren begleitete, schrieb darüber: „Am 4. August 1606, beim Aufstieg nach Nancysur mussten wir auf Stufen, die in den Fels gehauen waren hochklettern, wo tief unten im Abgrund der reißende Arvefluss dahin schoss. Als wir im Dorf ankamen, waren die Schuhe des Bischofs voller Blut, dennoch unterbrach er seinen Weg nicht, sondern folgt der Gruppe etwas hinkend nach.“ Und Franz von Sales selbst schreibt über diese Reisen: „Es ist ein kleines Wunder, das Gott jeden Abend wirkt. Wenn ich mich spät abends zurückziehe, kann ich vor Müdigkeit weder meine Glieder noch meinen Geist mehr rühren, und am nächsten Morgen fühle ich mich frischer denn je.“ Franz von Sales war ein Bischof, der für seine Diözesanmitglieder zum Bergsteiger wird, sich die Füße wund lief und sich am Abend kaum mehr rühren konnte vor Müdigkeit: Franz von Sales war ein Bischof der Liebe.
Ein weiteres Beispiel: Franz von Sales hatte bei seinen Visitationsreisen - so beschwerlich sie auch teilweise waren - einen Grundsatz: Er wollte nicht anders behandelt werden wie jeder andere Gast in diesem Dorf auch. Waren andere Bischöfe seiner Zeit ja darauf bedacht, mit großem Prunk und Pomp empfangen und bewirtet zu werden, so kündigte er seine Besuche gar nicht erst an, damit ja niemand auf die Idee käme, für ihn doch etwas Besonderes zu organisieren. Man sah ihn einfach kommen und feierte ihn, wie es sich zufällig ergab, und immer sah man ihn fröhlich und zufrieden, wenn der Empfang so einfach und bescheiden war, wie das Volk, dem er die frohe Botschaft bringen wollte. Und das war auch sein großer Wunsch: er wollte seinen Christen das Evangelium ans Herz legen, sie dafür begeistern, nicht indem er mit dem bischöflichen Zeigefinger drohte, sondern indem er mit eigenem Beispiel voranging, indem er selbst die evangelische Begeisterung lebte. Und seine Gläubigen nahmen ihm diese Begeisterung auch ab, nicht nur weil sie ehrlich war, sondern weil sich Franz von Sales voll und ganz mit diesen Menschen solidarisierte, nicht nur mit Worten, sondern mit Taten: so schlief er in Dörfern, in denen ein Federbett ein Luxus war, wie alle anderen auf der harten Erde. Und er aß das Essen, das in diesem Ort üblich war. Ein Pfarrer wollte ihm einmal besseres Fleisch vorsetzen, worauf er antwortete: „ Lieber Mitbruder, sie haben eine falsche Vorstellung von mir, ich habe nämlich einen Bauernmagen, der grobes Fleisch vorzieht.“ Für die damalige Zeit war so ein Bischof eine riesige Sensation. Er war ein Bischof der Liebe.
Noch ein letztes Beispiel: Franz von Sales wurde Bischof in einer Zeit nach einem großen Konzil: dem Konzil von Trient. Er hatte die Aufgabe, die Reformen des Konzils in seiner Diözese in die Tat umzusetzen. Es war keine leichte Aufgabe, da in seiner Diözese auch Kräfte vorhanden waren, die gegen Reformen auftraten. Und trotzdem gelang es ihm die Reformen in die Tat umzusetzen, weil er ein Bischof der Liebe war. Es gelang ihm, ohne dass es in seiner Diözese zu Spaltungen kam, weil er zwar eindeutig sagte, was er wollte, aber immer in einem liebevollen und freundlichen Ton. Er selbst beschrieb diese Art gerne mit einem Erlebnis, das er 1606 hatte: Als er sich einmal an einem Brunnen ausruhte, ließ sich ein Schwarm Bienen auf seinem Kopf und seinen Schultern nieder. Seine Begleitung verlor die Nerven und wollte ihn zur Flucht bewegen. Ein Bauer aber sagte ganz gelassen: „Herr Bischof, halten sie durch und vertreiben sie die Tierchen nicht mit Gewalt. Wenn sie nur von Zeit zu Zeit ein paar Worte sagen, merken die Bienen allmählich, dass sie nicht in der Stille ihres Bienenstandes sind, und werden sie bald verlassen.“ Und genauso geschah es. Franz von Sales wollte als Bischof nichts mit Gewalt durchsetzen, sich nicht mit Drohungen Respekt verschaffen, nein seine Autorität bestand darin, genau zu sagen, was er für richtig hält und was für falsch, aber immer mit Sanftmut, Liebe und Respekt vor der Person.
In einer Zeit, in der es so viele Konflikte in unserer Kirche gibt, glaube ich können wir ganz besonders von Franz von Sales lernen, wir einfache Christen aber auch unsere Bischöfe. Franz von Sales war ein Bischof, der es verstand, für seine Herde, die er zu leiten hatte, Integrationsfigur zu sein, er glich Gegensätze aus, trieb nicht Keile in schwelende Konflikte, sondern einte seine Gläubigen im Evangelium. Er verstand es in seiner Diözese Reformen durchzuführen und seine Diözese einen großen Schritt weiterzubringen, weil er jeden seiner Gläubigen ernst nahm, weil er seine Gläubigen kannte, sie besuchte, ihnen zuhörte, auf all ihre Sorgen und Probleme einging, ohne sie vor den Kopf zu stoßen. Bei seiner Bischofsweihe erkannte er: Ich bin nicht Bischof für mich, sondern für meine Herde. Und Zeit seines Lebens sah er es als seine oberste Aufgabe an, für seine Herde dazusein, für jeden einzelnen und wenn er eine noch so unbedeutende Position in der Gesellschaft hatte, und das wirklich zu jeder Tages- und Nachtzeit. Es stimmt: Franz von Sales war ein Bischof der Liebe. Amen.
Herbert Winklehner OSFS
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