PREDIGT zum Erntedankfest
(Lk 12,15-21)
Liebe Schwestern und Brüder,
in der Zeit von olympischen Spielen oder anderen großen Sportereignissen kann man via Bildschirm sehr viel erleben: Freud und Leid, Erfolg und Niederlage, Hoffnung und Angst, Tränen des Glücks und Tränen über die Niederlage, Stolz und Demut, Fairplay und Ellbogen ... in ganz dichter Weise ist alles dabei, was auch das Leben Jahr für Jahr zu bieten hat. Auch der Glaube fehlt nicht und ebenso nicht der Dank. Sportler bekreuzigen sich, beten, feiern Gottesdienste ... und sie bedanken sich nicht nur bei den Trainern und jenen Menschen, die sie unterstützt haben. Hin und wieder bedanken sie sich auch bei Gott, der ihnen die Kraft und die Talente gegeben hat, dass sie bei diesem größten Sportereignis der Welt teilnehmen konnten. Wenn sie diesen Dank ehrlich meinen, dann haben sie verstanden, was Jesus im heutigen Evangelium durch sein Gleichnis vom reichen Mann mit der guten Ernte sagen wollte.
Wer nur für sich selbst Schätze sammelt und deshalb vor Gott nicht reich ist, der ist ein Narr. Wer sich nicht bewusst ist, dass alles in seinem Leben von Gott kommt, dass trotz seiner eigenen Anstrengungen und Leistungen Gott es ist, dem ebenso Dank gebührt, dann hat der Mensch etwas ganz Wesentliches übersehen: Er ist nicht selbst Gott, er ist sein Geschöpf. Alles verdanken wir ihm. Mit einem etwas altmodischen Begriff ausgedrückt: Diesen Menschen fehlt die Demut.
Daher ist es gut, dass wir wenigstens einmal im Jahr ein Fest feiern, wo der Dank an Gott extra angesprochen wird. Eigentlich gibt es jeden Tag genug Anlass, Gott Danke zu sagen – oder den vielen anderen Menschen, denen wir die unterschiedlichsten Gaben und Hilfen verdanken. Einmal im Jahr, am Erntedankfest, werden wir aber extra darauf hingewiesen, dankbar zu sein, weil wir Menschen offensichtlich sehr leicht darauf vergessen. Am Erntedankfest werden wir daran erinnert, dass wir sehr wohl stolz darauf sein dürfen auf unsere Leistungen und auf unsere Talente, auf unsere goldenen, silbernen und bronzenen Medaillen, die wir im Leben errungen haben, allerdings nicht ohne darauf zu vergessen, auch Gott dafür zu danken, unserem Schöpfer und Herrn. So, wie der heilige Franz von Sales sagt:
„Erkenne die Talente und Fähigkeiten, die in dir stecken, damit du sie nicht gering schätzt oder gar verachtest. Tu das aber immer mit einer heiligen, liebevollen Dankbarkeit gegenüber Gott, von dem wir abhängig sind und der uns zu dem gemacht hat, was wir sind“.
Alle die meinen, sie bräuchten nur eine weitere Scheune zu bauen, um noch reicher zu werden, sind Narren – so sagt das Gleichnis, das wir heute gehört haben. Alle die meinen, sie bräuchten nicht dankbar zu sein, für die gilt das gleiche. Jesus sagte heute auch: „Der Sinn des Lebens besteht nicht darin, dass ein Mensch aufgrund seines großen Vermögens im Überfluss lebt.“ Wir könnten auch sagen: Der Sinn des Lebens besteht nicht darin, bei olympischen Spielen einen Haufen Goldmedaillen zu erringen, oder alle möglichen Reichtümer und großartige Leistungen anzuhäufen – all das ist erlaubt, darf uns Freude machen und soll auch so sein – aber eben nur im Rahmen der Demut, dem Bewusstsein, dass Gott es ist, von dem alles kommt. Im letzten heißt das also: Der Sinn des Lebens besteht nicht im Überfluss, sondern der Sinn des Lebens besteht in der Dankbarkeit. Amen.
Herbert Winklehner OSFS
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