PREDIGT zur Gebetswoche für die Einheit der Christen
"Ich bin gesandt, die gute Nachricht zu bringen" (Lk 4,14-21)
Liebe Schwestern und Brüder,
das Anliegen, die große Bitte um die Einheit der Christen, die die Kirche heute auf der ganzen Welt in den Gottesdiensten vor Gott trägt, ist wichtig und wesentlich. Wir wissen alle um das Problem: Kirchenspaltungen, Zersplitterungen, Zerrissenheit und Streit unter den Christen gab es von Anfang an und gibt es bis heute. Es geht heute nicht nur um unsere Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit unseres Glaubens, es geht allgemein um das große Anliegen des Friedens und der Gerechtigkeit in unserer Welt. Viele Kriege unter Menschen waren und sind religiös motiviert und das kann es wohl wirklich nicht sein, was Jesus Christus mit seiner Frohen Botschaft gewollt hat.
Im heute gehörten Abschnitt aus dem Lukasevangelium legt uns Jesus Christus in seiner Heimatsynagoge in Nazareth die Kurzformel seines Lebensprogramms vor. In mir hat sich das Schriftwort des Propheten Jesaja erfüllt, sagte er: Ich bin gesandt, den Armen eine gute Nachricht zu bringen, den Gefangenen die Entlassung, den Blinden das Augenlicht, den Zerschlagenen die Freiheit. Ich werde ein Gnadenjahr ausrufen. Dieses Gnadenjahr ist ein Jahr, in dem alle Schulden erlassen werden, in dem jeder Sklave seine Freiheit wiedererlangt, in dem Frieden und Gerechtigkeit wieder hergestellt werden.
Dazu ist Jesus gekommen - und nicht, um Spaltung zu provozieren, Kriege anzuzündeln, Streit zu entfachen. Oft genug in der Kirchengeschichte ist dies in seinem Namen geschehen. Das war falsch und ist falsch bis heute. Wir Oblaten des hl. Franz von Sales feiern während der Gebetswoche für die Einheit der Christen jedes Jahr auch unseren Ordenspatron, den hl. Franz von Sales. Dieser Franz von Sales erinnert uns heute ganz besonders daran, dass er sich als Priester und Bischof ganz besonders um den Frieden und die Einheit in seinem Land Savoyen, südlich des Genfer Sees, bemüht hat. Damals, vor 400 Jahren, als Ende des 16. Jahrhunderts, war eine große Spaltung der Christen gerade vollzogen: Die Reformation. Nun gab es nicht nur Katholiken und Orthodoxe, nun gab es auch Lutheraner, Zwinglianer und Calviner. Und diese Gruppen bekämpften sich gegenseitig nicht nur mit Worten, sondern auch mit Waffen. Im Namen der Einheit der Christen und im Namen Jesu Christi flogen - im wahrsten Sinne des Wortes - die Fetzen. Der heilige Franz von Sales hatte es in seinem Land mit den Calvinern zu tun, deren Zentrum die Stadt Genf war. Franz von Sales war offiziell der Bischof von Genf, die Calviner hatten aber seinen Vorgänger aus der Stadt hinausgeworfen und ihm selbst verboten, die Stadt zu betreten. In der Art und Weise, wie Franz von Sales mit dieser Situation der Kirchenspaltung in seinem Land umging, bildete er aber eine große Ausnahme. Für ihn waren die Calviner nicht der große Abschaum, die Teufelsbrut, wie sie von anderen bezeichnet wurden, er nannte sie privat und öffentlich seine „getrennten Brüder“. Er wollte Genf nicht mit Waffengewalt erobern, sondern mit den Waffen der Liebe und Sanftmut zurückgewinnen. Ihm ging es darum, die Wahrheit zu finden und nach der Wahrheit zu leben, und dies im gemeinsamen Gespräch und Dialog miteinander. Seine Geduld und sein menschlicher Umgang mit seinen calvinischen Glaubensbrüdern brachte ihm oft den Vorwurf, er sei ein verkappter Calviner, ein Kollaborateur mit Genf, in Wirklichkeit aber war er ein Heiliger, der sich die Worte Jesu zu Herzen nahm und verwirklichen wollte: Ich bin gesandt, die gute Nachricht zu bringen, die Freiheit, die Gerechtigkeit und den Frieden.
Da es auch heute Spaltung und Streit unter den Christen gibt, ist das Anliegen Jesu und des heiligen Franz von Sales immer noch aktuell. Bitten wir Gott, dass er uns in diesem Anliegen unterstützt. Amen.
Herbert Winklehner OSFS
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