Der gute Ruf -

die Tugend, die die Tugenden beschützt

Wie schnell es geschehen kann, dass der gute Ruf eines Menschen in Frage gestellt wird, hat im September 2006 Papst Benedikt XVI. nach seinem Besuch in seiner Heimat Bayern am eigenen Leib erfahren. Der Besuch verlief gut. Die bayerische Bevölkerung empfing ihren Papst herzlich und mit Begeisterung. Hunderttausenden Menschen gab Benedikt XVI. neue Kraft für Leben und Glauben. Kaum jedoch war Papst Benedikt zurück in Rom, schlug eine Schlagzeile hohe Wellen. Der Papst hätte den Profeten Mohammed und damit den muslimischen Glauben und die gesamte islamische Welt beleidigt. Auslöser war ein Wort des byzantinischen Kaisers Manuel II. aus dem Jahr 1391, das Papst Benedikt XVI. in der Aula der Universität Regensburg vor Vertretern aus dem Bereich der Wissenschaften zitierte. Es wurde später aus dem Zusammenhang gerissen und in den Medien völlig falsch interpretiert. Der gute Ruf des Papstes, der um den Dialog mit anderen Religionen bemüht war und ist, stand plötzlich auf dem Spiel. Der Papst sei ein Feind der Muslime, hieß es. Es gab Ausschreitungen und Proteste. Die öffentliche Entschuldigung Benedikts und der Hinweis darauf, dass das, was der Kaiser vor 700 Jahren sagte, nicht seine persönliche Meinung sei, sondern nur als Beispiel dafür diente, wie man NICHT über andere Religionen urteilen dürfe, konnte den guten Ruf des Papstes vor allem in der islamischen Welt nicht mehr voll und ganz wiederherstellen.

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1.  Gepaart mit Demut

Selbstverständlich trägt der Papst eine extrem höhere Verantwortung, um seinen guten Ruf zu bewahren, als dies beim einfachen Menschen der Fall ist. Mit seinem Ruf hängt eben der Ruf der gesamten Katholischen Kirche zusammen. Der einfache Christ sollte jedoch auch nicht achtlos damit umgehen. Die Tugend des guten Rufes soll dabei stets gepaart sein mit der Tugend der Demut, wie dies der heilige Kirchenlehrer Franz von Sales (1567-1622) in seiner Tugendlehre betont.
Diese Demut erlaubt es nicht, dass wir Lob, Ruhm und Ehrungen suchen, „wohl aber stimmt sie der Mahnung des Weisen zu, auf unseren Ruf zu achten (Sir 41,12). Der gute Ruf beruht ja nicht auf hervorragende Eigenschaften, sondern auf einer gewöhnlichen, schlichten Anständigkeit und Rechtschaffenheit.“ (DASal 1,126)
Franz von Sales bringt zur näheren Erklärung ein schönes Bild, das die Stellung des guten Rufes innerhalb der Tugenden beschreibt: „Die Blätter eines Baumes haben an sich keinen besonderen Wert; trotzdem tragen sie nicht nur zur Schönheit eines Baumes bei, sondern schützen auch die Früchte, solange diese noch zart sind. So ist auch der gute Ruf an sich nichts besonders Begehrenswertes, aber er ist doch sehr nützlich, nicht nur als Zierde unseres Lebens, sondern weil er auch unsere Tugenden schützt, besonders wenn sie noch zart und schwach sind.“ (DASal 1,126)
Die Tugend des guten Rufes dient also dazu, die anderen Tugenden unseres Lebens zu schützen. Sie hilft uns, vor den anderen wirklich das sein zu können und zu dürfen, was wir wirklich sind – nicht mehr und nicht weniger.

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2.  Verhalten gegen Rufschädigung

Franz von Sales meint jedoch auch, dass wir „nicht hitzig, übergenau und kleinlich auf unseren Ruf bedacht sein“ sollten. „Beleidigungen und Verleumdungen übersehen und verachten, hilft meist mehr gegen sie als Ärger, Streit und Rache.“ (DASal 1,127) Wie soll man sich demnach verhalten, wenn irgendjemand unseren guten Ruf ungerechterweise schädigt?
Franz von Sales gibt den Rat: „Tadelt man uns ungerechter Weise, so setzen wir der Verleumdung in Ruhe die Wahrheit entgegen; bleibt man beim Tadel, so bleiben wir in Demut und vertrauen Gott mit unserer Seele auch unseren Ruf an; wir können ihn nicht besser sichern.“ (DASal 1,128)
Das heißt: Zuerst soll ich also feststellen, ob die Angriffe gegen meinen guten Ruf wahr sind oder nicht. Sind die Anschuldigungen gerechtfertigt, dann soll ich mich entschuldigen und darauf achten, dass ich nicht erneut meinen guten Ruf durch mein Verhalten in Gefahr bringe. Sind sie jedoch falsch, dann soll ich ganz einfach die Anschuldigungen zurückweisen und die Wahrheit richtig stellen. Lässt sich der Ankläger damit nicht umstimmen, sollen wir auf Gott vertrauen, damit dieser unseren Ruf sichert.
Franz von Sales selbst hat diese Vorgehensweise am eigenen Leib erfahren. Eines Tages wurde von einer stadtbekannten Frau mit schlechtem Ruf ein Brief in die Öffentlichkeit gebracht, von dem sie behauptete, er sei vom Bischof von Annecy persönlich verfasst. Aus diesem Brief ging eindeutig hervor, dass der Bischof mit dieser Frau ein Verhältnis habe. Als Franz von Sales davon erfuhr, meinte er ganz ruhig und gelassen, dass dieser Brief eine Fälschung sein müsse und kein einziges Wort davon wahr sei. Seine Berater wollten, dass er gegen diese Frau gerichtliche Schritte einleite, da sein guter Ruf zerstört wurde. Franz von Sales wollte davon nichts wissen und meinte, dass Gott schon dafür sorgen werde, dass die Wahrheit ans Licht käme. Wenige Wochen später lag ein hochangesehener Rechtsanwalt im Sterben. Kurz vor seinem Tod gestand er öffentlich, dass er der Fälscher des Briefes sei und damit Rache am Bischof und der katholischen Kirche nehmen wollte. Er bedaure, was er angerichtet habe, und schwört im Angesicht seines bevorstehenden Todes, dass der Bischof nie in irgendeiner Weise mit dieser Dame etwas zu tun hatte.
Franz von Sales gibt allerdings auch zu Bedenken, dass es sehr wohl Verleumdungen gebe, gegen die man sich mit aller Kraft zur Wehr setzen müsse, um den guten Ruf wieder herzustellen, vor allem wenn es sich um schwerwiegende Vorwürfe handelt oder wenn Personen angegriffen werden, die nicht nur ihren eigenen, sondern auch den Ruf anderer zu verteidigen haben.

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3.  Der gute Ruf der anderen

Zur Tugend des guten Rufes gehört mit dazu, dass ich nicht nur meinen eigenen Ruf bewahre, sondern auch den guten Ruf anderer nicht verletze. „Rufmord“, so sagt Franz von Sales, ist eine „Pest der Gesellschaft“ und tatsächlich „eine Art Mord … Wer dem Nächsten ungerechter Weise den guten Ruf nimmt, hat nicht nur eine Sünde begangen, er ist auch zur Wiedergutmachung verpflichtet.“ (DASal 1,179)
Freventliches Urteil, üble Nachrede und liebloses Reden sind der Tugend des guten Rufes absolut zuwider und völlig abzulehnen. „Ich beschwöre dich also, “ so Franz von Sales, „niemals weder offen noch heimlich von irgendjemandem lieblos zu reden. Hüte dich, deinen Mitmenschen fälschlich Verbrechen und Sünden anzudichten, heimlich nachzuspüren, bestehende zu vergrößern, gute Handlungen schlecht auszulegen und das Gute, das du an jemand kennst, in Abrede zu stellen, durch Bosheit zu verdrehen und durch Worte herabzusetzen … Lügen zum Nachteil des Nächsten ist doppelte Sünde.“ (DASal 1,180)
Im Zeitalter der Massenmedien erhalten solche Sätze ein noch größeres Gewicht. Wenn uns bewusst ist, wie schnell heute irgendwelche negativen Äußerungen über andere Personen in Umlauf gebracht werden können, um so mehr müssen wir uns davor in Acht nehmen, Liebloses oder gar Falsches oder Halbwahres über andere in Umlauf zu bringen. Das „Gerede“ und „Getratsche“ gehört seit jeher zu den Lieblingsbeschäftigungen des Menschen. Heute können diese Worte kinderleicht via Handy oder E-Mail über die ganze Welt verschickt werden. Umso verheerender können dann die Konsequenzen sein. Der Tugend des guten Rufes, der andere betrifft, kommt daher im alltäglichen Leben noch viel größere Bedeutung zu, als das Bemühen, um den eigenen guten Ruf zu sorgen.

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4.  FRAGEN ZUM NACHDENKEN

  • Was tue ich, um meinen guten Ruf zu wahren?
  • Gefährde ich durch liebloses Reden den guten Ruf anderer?
  • Wie verhalte ich mich, wenn ich merke, dass andere meinen oder den guten Ruf anderer schädigen?

Herbert Winklehner OSFS


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