Hat Franz von Sales zu Hexenprozessen und Hexenverbrennungen Stellung genommen?
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Wir hätten es natürlich sehr gerne, wenn wir diese Frage eindeutig so beantworten könnten: Ja, Franz von Sales hat als christlicher Humanist klar Stellung bezogen und Hexenprozesse und Hexenverbrennungen verurteilt. Leider ist das aber nicht so einfach und eindeutig.
In seiner Schrift „Verteidigung der Kreuzesfahne“, die er während seiner Zeit als Missionar im Chablais (1594-1598) verfasste, können wir zum Beispiel lesen: „Der Teufel, der ein Geist ist, begnügt sich nicht damit, die Huldigung der Hexenmeister zu empfangen, sondern prägt ihnen ein körperliches Merkmal ein, wie tausend Berichte und Prozesse, die man gegen sie geführt hat, bestätigen. Wer zweifelt daher daran, dass dieser Mensch der Sünde, ein so gelehriger Schüler des Teufels, dasselbe tut und dass er, wie im Altertum viele taten, gekennzeichnete und gebranntmarkte Diener haben will?“ (DASal 11,171) Wir fühlen uns bei diesem Satz sofort an den Hexenhammer und zahlreiche Schilderungen von Hexenprozessen erinnert, wo ein einfaches Muttermal oder eine Narbe schon als Beweis diente, dass jene Frau oder jener Mann mit dem Teufel in Bund steht und daher als Hexe oder Zauberer verbrannt werden muss.
Zur Zeit des heiligen Franz von Sales Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts stand der Aberglaube unter der Bevölkerung noch hoch im Kurs. Davor war zumindest anfangs auch der heilige Franz von Sales nicht gefeit. Als Kind und Jugendlicher litt er unter Alpträumen und hatte Angst vor der Dunkelheit, weil er dachte, dass ihm darin Dämonen und der Teufel auflauern. Seine Krise in Paris und vor allem die Erfahrung, dass Gott ein Gott der Liebe ist, der stärker ist, als alle finsteren Mächte des Bösen zusammen, nahm ihm diese Angst. Später war er über die Stunden der Nacht sogar froh, weil er sich dort in Ruhe und ungestört ganz diesem Gott der Liebe widmen konnte.
Mit Ausnahme der oben schon zitierten Stelle ist von ihm keine weitere Aussage zu Hexenprozessen überliefert. Mit Sicherheit kann man auch annehmen, dass zu seiner Zeit und in seinem Einflussbereich keine Hexen verfolgt oder gar verbrannt wurden. Unverständlich bleibt jedoch, dass er die Verbrennungen, die zu seiner Zeit auf Anordnung von Théodore de Bèze in Genf stattgefunden hatten, mit keinem Wort anprangerte, nicht einmal in seinen drei Gesprächen, die er mit dem Nachfolger von Jean Calvin persönlich führte.
Franz von Sales hat seine Meinung über Hexerei, Aberglaube und Besessenheit, wie so vieles andere auch, im Laufe seines Lebens jedoch geändert. Der junge Franz von Sales, der als Missionar im Chablais den katholischen Glauben gegenüber den Calvinern verteidigte, unterscheidet sich in manchem vom Bischof Franz von Sales, der sowohl in seiner Theologie als auch in seinem Verhalten gegenüber den Mitmenschen, vor allem den Andersdenkenden und Andersglaubenden, ausgeglichener und gereifter wirkt. Eine überlieferte Begebenheit von einer seiner zahlreichen bischöflichen Visitationsreisen in die entlegendsten Bergdörfer, in denen der Aberglaube noch großen Einfluss auf die Menschen ausübte, mag dies etwas erhellen. Eines Tages kam Franz von Sales in ein Dorf, in dem große Aufregung herrschte. Als der Bischof nach dem Grund fragte, führte man ihn zu einer Gruppe von Menschen, die keinen besonders einladenden Eindruck machten. „Herr Bischof,“ sagten die Dorfbewohner, „die sind alle vom Teufel besessen.“ Franz von Sales blieb gelassen und meinte nur, das sei kein Problem. Jesus ist, wie die Bibel sagt, stärker als Legionen von Dämonen. Dann befahl er den Besessenen, mit ihm in die Dorfkirche zu gehen. Dort besprengte er sie ordentlich mit Weihwasser und der Spuk hatte augenblicklich ein Ende.
Franz von Sales war, wie sich an zahlreichen Aussagen belegen lässt, eben der Meinung, dass der Teufel nur dann Macht über den Menschen hat, wenn der Mensch ihm diese Macht geben will. Das heißt: Wer sich an Gott hält, bei dem hat der Teufel keine Chance. In Briefen an Johanna Franziska von Chantal kommt dies sehr gut zum Ausdruck:
„Denn der Teufel umschleicht unseren Geist (1 Petr 5,8), lauernd und Verwirrung stiftend; er schaut, ob er nicht irgendeine Tür offen findet. So ist er bei Ijob, beim hl. Antonius, bei der hl. Katharina von Siena und bei einer Menge guter Seelen vorgegangen, die ich kenne. Was nun? Soll man sich deswegen ärgern? - Lassen Sie ihn nur sich langweilen, meine gute Tochter, und halten Sie alle Zugänge fest verschlossen; am Ende wird er müde werden; wenn aber nicht, dann wird Gott ihn zwingen, die Belagerung aufzugeben. Erinnern Sie sich an das, was ich Ihnen bereits früher gesagt habe (ich glaube es wenigstens): es ist ein gutes Zeichen, wenn der Teufel soviel Lärm und Getöse um den Willen herum macht. Das ist ein Zeichen dafür, dass er nicht drinnen ist.“ (DASal 5,81)
Oder: „Fürchten wir nichts, außer Gott, und ihn mit einer Furcht voll Liebe; halten wir unsere Türen fest verschlossen; achten wir darauf, dass die Mauern unserer Entschlüsse nicht gerammt werden, und leben wir dann in Frieden. Lassen wir den bösen Feind uns umschleichen und um uns seine Kreise ziehen; mag er mit aller Kraft des Bösen toben, er vermag doch nichts. Glauben Sie mir, meine liebe Tochter, quälen Sie sich nicht ab wegen all der Vorstellungen, die der Feind Ihnen eingibt. Man muss nur ein wenig Geduld haben, um sein Lärmen und Poltern an den Ohren unseres Herzens zu erdulden; darüber hinaus kann er uns nichts schaden.“ (DASal 5,148).
In seinen amtlichen Entscheidungen als Bischof wird deutlich, dass das Thema „Hexen“ und „Zauberer“ zur Zeit des heiligen Franz von Sales ein durchaus bedeutsames war.
Franz von Sales hat jedoch erkannt, dass damit auch unter seinen Priestern eine Menge Unfug getrieben wurde, dem Einhalt geboten werden muss. Er erklärte deshalb diese Themen zur „Chefsache“. Niemand dürfe zum Beispiel ohne seine ausdrückliche Genehmigung einen Exerorzismus vornehmen. So dokumentieren es zwei seiner Synodenbeschlüsse.
Der eine stammt aus dem Jahr 1603 und lautet: „Keiner nehme von jetzt an den Exorzismus vor, wenn er nicht besonders und von neuem dazu ermächtigt ist. Und es ist allen Exorzisten allgemein verboten, dem Teufel zu befehlen, dass er die Namen von Zauberern und Hexen zu offenbaren habe, noch irgendeine andere Art von Sünde.“ (DASal 12,61)
Franz von Sales reagiert hier offenbar auf jenen Missbrauch, der bei Hexenprozessen oft Anwendung fand. Den vermeintlichen Hexen und Zauberern wurden unter Folter Namen herausgepresst, denen dann ebenso der Prozess gemacht wurde.
Ähnlich klingt auch der Beschluss auf der Synode von 1605: „Allen Geistlichen ist es verboten, künftig den Exorzismus vorzunehmen, wenn sie nicht von neuem von Uns oder unserem Generalvikar zugelassen und diese Zulassung denen schriftlich gegeben wird, die für geeignet befunden werden, dieses Amt auszuüben. Ihnen verbieten Wir unter Androhung der Exkommunikation, den Exorzismus außerhalb der Kirche vorzunehmen, die Besessenen in ihrem Haus zu behalten, vor allem Frauen und Mädchen, und mit ihnen Reisen und Wallfahrten zu machen; unter der Strafe von 25 Pfund und anderen Maßnahmen.“ (DASal 12,63)
Sehr erhellend in dieser Frage sind noch die Weisungen, die Franz von Sales seinen Beichtvätern erteilt: „Wenn ihr Menschen begegnet, die wegen außergewöhnlicher Sünden wie Hexerei, Einlassen mit dem Teufel, Bestialität, Mord und ähnlicher Ungeheuerlichkeiten äußerst verschreckt und in ihrem Gewissen beunruhigt sind, dann müsst ihr sie mit allen Mitteln aufrichten und trösten. Versichert sie der großen Barmherzigkeit Gottes, die unendlich größer ist, um ihnen zu vergeben, als alle Sünden der Welt, um sie zu verdammen; versprecht ihnen, dass ihr ihnen in allem beistehen werdet, wessen sie von euch zum Heil ihrer Seele bedürfen.“ (DASal 12,77)
Diese Weisung zeigt deutlich, dass Franz von Sales vermeintlich Besessenen auf gar keinen Fall den Prozess machen will, sondern ganz im Gegenteil: Die Beichtväter sind angehalten, gerade diese Menschen „mit allen Mitteln aufzurichten und zu trösten“ und ihnen deutlich zu machen, dass die Barmherzigkeit Gottes größer ist als alle Sünden der Welt.
Am Ende seiner „Weisungen für Beichtväter“ weist er noch einmal ausdrücklich darauf hin, dass Hexerei und Zauberei Sünden sind, die er sich als Bischof vorbehält.
Offensichtlich zeigte ihm seine Erfahrung, dass auf diesem Gebiet nicht alle seine Beichtväter seiner Meinung sind, was ihn dazu veranlasste, dass solche Fälle ihm persönlich mitgeteilt werden, damit er selbst solchen Menschen sagen konnte, dass Gott größer ist als jeder Teufel und dass sich jene Menschen, die auf Gott vertrauen, vor keiner Besessenheit zu fürchten brauchen.
Herbert Winklehner OSFS