PREDIGT zum Fest Kreuzerhöhung - LJ C
"Das Buch der Christen" (Joh 13,31-33a34-35, Offb 21,1-5a)
Liebe Schwestern und Brüder,
das Kreuz ist im Gespräch. Es macht zumindest Quote im Fernsehen und spornt zu teils sehr hitzigen Diskussionen nicht nur innerhalb der Kirche oder unter Christen an. Nur ein paar Beispiele:
- Seit Jahren wird darüber diskutiert, ob es gesetzlich verboten werden soll, Kreuze in den Klassenzimmern aufzuhängen. Die Religionsfreiheit werde verletzt, sagen die einen, man kann einem Nicht-Christen einen solchen Anblick nicht zumuten, sagen die anderen. Eine Kompromisslösung wurde am Obersten Gerichtshof in Karlsruhe gefunden: Das Kreuz muss weg, wenn irgendjemand etwas dagegen hat. Dagegen sträuben sich natürlich die Kirchen vehement. Dieses „Kreuzurteil“ ist nicht akzeptabel.
- Oder: Vor Ostern kam der Film „Die Passion Christi“ von Mel Gibson in die Kinos. Aufgrund seiner realistischen Darstellung der Brutalität der Kreuzigung Jesu schieden sich im Urteil über diesen Film die Geister: Die einen lobten ihn als ersten Spielfilm der letzten Stunden Jesu, die wirklich authentisch ist. Die anderen kritisierten ihn als gewaltverherrlichend, antisemitisch oder historisch falsch. Das Leben Jesu, vor allem seine Kreuzigung, kam aber wieder einmal ins Gespräch. Viele Talkshows, Zeitungsartikel, Radiosendungen zeigten deutlich: das Kreuz interessiert. Es ist nichts Langweiliges. Im Gegenteil: Es ist damals wie heute ein herausforderndes Thema.
- Vor gut einer Woche – zum 1. Mai - wurde in Österreich das größte Pilgerkreuz der Welt in Veitsch in der Steiermark eingeweiht. Es ist 40 Meter hoch und steht am Kreuzungspunkt der beiden längsten Wanderwege Europas. Dieses Kreuz verbindet damit den Pelopones und die Pyrinäen, die Ostsee und die Adria. Es soll ein europäisches Symbol darstellen für die als historisch bezeichnete EU-Erweiterung, die am 1. Mai stattfand – ein Symbol für die Einheit Europas nach den Jahren der Teilung und des Eisernen Vorhanges. Spöttische Reaktionen dazu gab es allerdings auch: „Ein heidnisches Folterwerkzeug als Symbol für das vereinte Europa – Lächerlich, menschenverachtend, ja – ein Aufruf zu einem neuen Kreuzzug der Christen!“
All diese Beispiele zeigen eines: Das Kreuz ist im Gespräch seit 2000 Jahren und es wird immer im Gespräch bleiben. Damals wie heute ist es für die einen ein Ärgernis, für die anderen eine Torheit, für jene die Glauben aber ist es Gottes Kraft und Gottes Heil.
Und das ist genau das Problem jeder Kreuzverehrung: Nur der, der glaubt, wird mit diesem Symbol auch tatsächlich etwas anfangen können. Ich werde jemandem das Kreuz in noch so schönen Worten erklären können, wenn er nicht daran glaubt, dass in diesem Symbol durch Tod und Auferstehung Jesu aus dem brutalen Folterwerkzeug ein Heils- und Segenszeichen geworden ist, er wird es nicht akzeptieren können.
Dass der Glaube die Mitte der Kreuzverehrung ist, wusste auch der Architekt und Künstler, der dieses österreichische Pilgerkreuz in Veitsch geplant hat. Dieses Kreuz ist nämlich begehbar. Man kann also im Inneren über Stufen hinaufsteigen. Und dort, wo sich Längs- und Querbalken überkreuzen, liegt das „Herz“ dieses Kreuzes, wie es der Künstler nennt, nämlich ein kleiner Andachts- und Meditations-Raum zur persönlichen Besinnung. Dort kann ich meinen Glauben daran, dass Jesus Christus uns durch seinen Tod am Kreuz erlöst hat, erneuern. Und genau das wäre der besondere Sinn, den ein Fest wie das heutige hat. Im Aufblicken auf das Kreuz, im Besinnen darauf, was Jesus Christus dort zu unserer Erlösung erlitten hat, meinen Glauben ganz persönlich zu erneuern. Ohne diese persönliche Glaubenserneuerung hat Kreuzverehrung keinen Sinn. Ohne Glaube bleibt das Kreuz nämlich das Schandmal und Folterwerkzeug, das es immer war.
Der hl. Franz von Sales, unser Ordensheiliger, war ein großer Verehrer des Kreuzes und ein Verteidiger der Kreuzverehrung. Er hat sogar ein ganzes Buch darüber geschrieben. In diesem Buch macht er deutlich, dass es bei der Kreuzverehrung nicht darum geht, ein Stück Holz anzubeten und damit Götzendienst zu betreiben, sondern um die Verehrung dessen, was an diesem Kreuz geschehen ist. Es geht um die Verehrung Jesu und seine Erlösungstat. Wer sich mit dieser Einstellung unter das Kreuz stellt, sagt Franz von Sales, dem wird große Gnade zuteil. Blickt oft auf zum Kreuz, rät er seinen Leserinnen und Lesern, der Anblick des Gekreuzigten heilt alle Wunden. Und warum? Weil dort am Kreuz die übergroße Liebe sichtbar wird, die Gott zu uns Menschen hat, weil ich genau dort das Wort Jesu erfüllt sehe: Es gibt keine größere Liebe als die, wenn einer sein Leben gibt für seine Freunde.
An diesem Kreuz wurde Christus verherrlicht, wie er es im heutigen Evangelium angekündigt hat, das Kreuz ist daher zum Baum des Lebens, zu einem Siegenszeichen geworden, das deutlich macht: die Liebe ist stärker als Sünde und Tod. Das letzte Wort auf dieser Welt ist nicht Leid, Angst, Trauer, Finsternis, sondern die Erlösung, ein neuer Himmel und eine neue Erde, das neue Jerusalem ohne Trauer Klage und Mühsal. Denn Christus machte durch sein Kreuzesopfer alles neu. Amen.
Herbert Winklehner OSFS
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