PREDIGT zum Hochfest Maria Himmelfahrt - LJ A

"Maria" (Lk 1,39-56)

Liebe Schwestern und Brüder,

wenn ich irgendwo unterwegs bin, dann gehe ich gerne in Kirchen und Kapellen, nicht nur, um dort ein wenig die Ruhe zu genießen, sondern auch um zu schauen, ob sich in diesen Gebäuden nicht doch auch irgendwo eine Statue oder ein Bild vom Heiligen Franz von Sales oder einem anderen salesianischen Heiligen eingeschlichen hat … Leider ist das in unseren Breiten ziemlich selten der Fall. Allerdings habe ich noch nie eine Kirche entdeckt, in der nicht Maria in irgendeiner Form dargestellt ist.

Religiöse Kunst ist immer auch Ausdruck der Frömmigkeit der Menschen – und so bedeutet das, dass es zu jeder Zeit in der zweitausendjährigen Kirchengeschichte eine Marienverehrung gegeben hat, die sich in der Vielfalt an Darstellungen in der religiösen Kunst zum Ausdruck brachte. Diese durchgehende, lückenlose und weltweit flächendeckende Verehrung hat kein anderer Heiliger, keine andere Heilige des Christentums geschafft. Egal wie intensiv oder weniger intensiv meine persönliche Marienverehrung auch immer ist, so ist das doch ein sehr beeindruckendes Phänomen. Maria muss also auf eine wesentliche und fundamentale Sehnsucht des Menschen eine Antwort geben, wenn sie so umfassend und dauerhaft verehrt wird. Anders ist dieses Phänomen nicht zu erklären.

Vielleicht ist es ihre Schutzmantelfunktion. Das Gefühl von Geborgenheit in Zeiten von Unruhe und Angst, wonach sich die Menschen sehnen und daher ihre Zuflucht bei der Gottesmutter suchen. Eines der berühmtesten Mariengebete – das so genannte „Memorare“ – also das „Gedenke o mildreichste Jungfrau Maria“ – enthält auch den Satz, den es so von keinem anderen Heiligen gibt: „Es ist noch niemals gehört worden, dass jemand, der bei dir Zuflucht gesucht hat, von dir verlassen worden wäre“. Bei Maria fühlen sich die Menschen also in allen ihren Anliegen und zu allen Zeiten ernst genommen und angenommen.

Das Dogma, das die Grundlage des heutigen Marienfestes bildet, ist zwar noch sehr jung: gerade mal 56 Jahre alt, das Fest Maria Himmelfahrt, oder die leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel wird allerdings schon sehr lange gefeiert, mindestens schon über 1500 Jahre. Und dieses Dogma besagt, dass Maria mit allem, was ihr Menschsein ausmacht, also mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen wurde. Ein bisschen stolz bin ich schon, dass gerade eine Aussage des heiligen Franz von Sales wesentlich dazu beitrug, dass Pius XII. dieses Dogma verkündete. Franz von Sales meinte nämlich, dass der Tod Marias der sanfteste war, den man sich vorstellen kann, weil nichts in ihr ein Hindernis darstellte, das ihren Weg durch Sterben und Tod in das neue Leben behindert hätte. Maria ist dem Menschen daher schon immer auch in der Stunde des Todes eine großartige Fürsprecherin und Begleiterin. Im Gegrüßet seist du Maria beten wir daher auch die Worte „Bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes. Amen.“ Dieses Gebet ist nicht umsonst das am meisten verwendete Gebet in Situationen von Sterben und Tod.

Beim heutigen Fest gibt es auch den Brauch der Segnung von Heilkräutern. Gerade um diese Zeit verbreiten Heilkräuter offenbar ihre besonders heilsame Wirkung – Die Kirche hat diesen Brauch mit Maria verbunden, um auch mit diesem Symbol auf die heilsame Bedeutung Marias für unser Leben hinzuweisen. Alles, was uns der Glaube anbietet, ist für den Menschen da. Es sind Angebote, die uns helfen wollen, gut und sinnvoll durchs Leben zu kommen und irgendwann unser Ziel – die Fülle des Lebens – zu erreichen. Zu allen Zeiten haben die Menschen gemeint, dass Maria eine besonders wertvolle Hilfe dafür ist. Niemand ist gezwungen, diese Hilfe in Anspruch zu nehmen. Auch in der Marienverehrung gilt der salesianische Grundsatz: Alles aus Liebe, nichts aus Zwang. Der heutige Festtag macht uns allerdings darauf aufmerksam, dass es uns gut tut, sich in allen Anliegen Maria anzuvertrauen.

Unsere Marienstatue, die wir hier vorne stehen haben, weist uns ebenso darauf hin: eine Maria, die fest eingewurzelt ist, in den Stamm Davids – also in die Geschichte Gottes mit den Menschen – und die in ihrer zurückhaltenden und bescheidenen Art ihre Hände zum fürbittenden Gebet in allen Anliegen der Menschheit faltet. Diesen Händen, die nach vorne geöffnet sind, um allen deutlich zu machen, dass sie willkommen sind, können wir uns anvertrauen, wissend, dass wir darin nicht verloren gehen, wissend um das, was Maria uns im Magnifikat verkündet: Meine Seele preist die Größe des Herrn und mein Geist jubelt über Gott meinen Retter. Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut. Siehe von nun an preisen mich selig alle Geschlechter. Amen.

Herbert Winklehner OSFS


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