Maria Mazzarello
Maria Mazzarello
Die heilige Maria Dominica Mazzarello ist die Mitbegründerin der Don-Bosco-Schwestern. Sie wurde am 9. Mai 1837 in der kleinen Ortschaft Mornese im italienischen Piemont geboren. Fast 42 Jahre lang wird sie hier – freilich unter verschiedenen Bedingungen und mit unterschiedlichen Aufgaben – leben. Nur die letzten zwei Jahre vor ihrem Tod am 14. Mai 1881 verbringt sie als Generaloberin der Don-Bosco-Schwestern in dem Städtchen Nizza Monferrat in der piemontesischen Provinz Asti. GEDENKTAG: 13. Mai.
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1. Kindheit und Jugend
Marias Geburtsort Mornese ist ein typisches Dorf im piemontesischen Weinland. Neben den Weinbergen gibt es hier Pinienhaine, Getreidefelder und Wälder. Im Sommer ist es recht warm, die Winter hingegen können auch ziemlich rau sein – die Menschen arbeiteten im 19. Jahrhundert hier zumeist als Bauern oder Winzer. Auch Marias Vater Giuseppe bebaute einige Weinberge, die er gepachtet hatte.
Mornese bestand aus mehreren kleinen Ortsteilen. Einer davon trug seit dem 15. Jahrhundert den Namen Mazzarelli – deshalb, weil dort Familien mit diesem Namen wohnten. Hier wurde Maria geboren und dort lebte sie bis zu ihrem zehnten oder elften Lebensjahr. Sie war das älteste von insgesamt zehn Kindern, von denen allerdings drei schon früh verstarben.
Mit zeitweise 14 Personen lebte Maria in einem Haus, die Familie war gross und auch Verwandte wohnten mitunter dort. Die Mazzarellis hatten nicht viel Geld, aber ein offenes Herz für andere. Gelassenheit und Freundlichkeit prägten ihr Haus – und Maria lernte früh, mit anderen in Gemeinschaft zu leben. Dinge zu teilen fiel ihr nicht schwer, ebenso zeigte sie sich in allen Angelegenheiten gesprächsbereit und war damit schon früh fähig zu einem fruchtbaren Dialog.
Darüber hinaus lernte sie als älteste Tochter, die oftmals auf die kleineren Geschwister Acht geben musste, früh, Verantwortung zu übernehmen. Die erzieherischen Qualitäten, die sie sich dabei aneignete, sollten für ihre spätere Arbeit von unschätzbarem Wert sein.
Ebenfalls zeigte Maria schon früh Interesse an religiösen Fragen. Hier war insbesondere der Vater für sie geschätzter Gesprächspartner. Ihm gelang es, bei seiner Tochter ein Gespür dafür zu wecken, dass Gott den Menschen nah ist. Weniger fruchtbar waren hingegen die Einflüsse der Pfarrei. Sie stand dem Jansenismus nahe, einer zu Beginn des 19. Jahrhunderts gerade im französischen und norditalienischen Raum weit verbreiteten religiösen Auffassung, die vor allem ein angstmachendes Gottesbild verbreitete.
Im Jahr 1847 änderte sich jedoch der jansenistische Geist in Mornese. Don Domenico Pestarino, der bei einem Gegner des Jansenismus seine theologischen Studien abgelegt hatte, übernahm die Pfarrei. Er sollte auch entscheidenden Einfluss auf Maria Mazzarello haben.
Don Pestarino wird Marias geistlicher Begleiter. Sie lernt viel von ihm – und genauso entdeckt sie in der Beobachtung der Natur Wesentliches für ihre Spiritualität. Im Jahr 1848 zog die Familie Mazzarello auf einen Einödhof, rund 45 Minuten Fussweg von Mornese entfernt. Auf der Valponasca studiert sie sehr genau die umliegenden Weinberge, macht die Erfahrung, dass der Wein langsam reifen muss, bis er gut ist. Der Mensch sät – aber Gott ist es, der wachsen lässt. Sie entdeckt: Der Mensch zur Verehrung und Anbetung Gottes gerufen. Die Stille auf dem Einödhof hilft ihr, die Gottesbeziehung zu vertiefen.
Im Jahr 1850 geht sie zur Erstkommunion. Bereits vorher hatte sie – was damals nicht unüblich war – das Sakrament der Firmung empfangen. Die Eucharistie wird zu ihrem Lebensinhalt. Täglich besucht sie die heilige Messe und erhält in einer Zeit, der der häufige Kommunionempfang fremd ist, die Erlaubnis, fortwährend den Leib des Herrn zu empfangen.
2. Berufen zur Ordensfrau
Als sie etwa 15 Jahre alt ist, entscheidet sich Maria Mazzarello zu einem jungfräulichen Leben. Ihr Wunsch ist es, vollkommen mit Gott vereint zu sein – eine Frucht ihrer Eucharistischen Frömmigkeit.
Doch will sie ihre Jungfräulichkeit nicht allein leben. Maria Mazzarello schliesst sich einer Gemeinschaft an, den von Don Pestarino gegründeten „Töchtern der Immaculata“. Gegründet wurde die Vereinigung im Jahr 1854, unter dem Eindruck des Dogmas von Marias Freiheit von der Erbsünde, der „Unbefleckten Empfängnis“ – Immaculata. Die marianische Ausrichtung der Gemeinschaft sagt Maria Mazzarello sehr zu. Für sie ist Maria ein Vorbild im Glauben. Doch auch das Apostolat, die Sendung der Vereinigung spricht sie an. Die Töchter helfen notleidenden Familien. Maria fühlt sich zum Helfen berufen – besonders den Frauen, jungen Mädchen und Müttern will sie Stütze sein.
Im Jahr 1860 bricht in Mornese der Typhus aus. Viele erkranken und nicht wenige sterben. Trotz der Gefährlichkeit der Krankheit erklärt Maria sich bereit, ihre erkrankten Verwandten zu pflegen. Tatsächlich steckt sie sich bei ihnen an. Während ihre Verwandtschaft wieder ganz gesund wird, behält Maria, die nur ganz knapp überlebt, bleibende Schäden zurück. Das macht ihr schwer zu schaffen. Sie fragt sich, ob sie sich auch in Zukunft noch den notleidenden Frauen und Mädchen zuwenden kann.
Während sie darüber nachdenkt, baut sich vor ihrem inneren Auge ein Bild auf – eine sehr konkrete Vision: Sie sieht ein Haus mit einem Hof, auf dem junge Mädchen spielen. Sollte Gott wünschen, dass sie ein Kolleg, eine Schule oder eine Lehrstätte gründet?
Im Jahr 1861 beginnt Maria gemeinsam mit ihrer Freundin Petronilla eine Schneiderlehre. Dabei ist nicht das Schneidern ihr erstes Ziel, sondern die Ausbildung junger Mädchen zu Näherinnen. Tatsächlich eröffnet sie 1862 eine Nähschule in einem Privathaus. Dieses wird bald zu klein, Maria zieht mit ihren Schülerinnen in grössere Räumlichkeiten um, die an einen Hof zum Spielen angrenzen. Ein Oratorium entsteht. Die Mädchen aus der Umgebung finden dort Werkstätten, sie haben die Möglichkeit zum Spiel und sie werden im Katechismus unterwiesen. Im Jahr 1863 werden erstmals Waisenkinder aufgenommen.
Maria und ihre Mitschwester Petronilla sind in ihrem Orden einen eigenen Weg gegangen, Und das führt innerhalb der „Töchter der Immaculata“ zu einem Konflikt. Don Pestarino, der Beichtvater von Maria, fordert sie auf, zu einer Bedenkzeit ihre ehemalige Wohnung im Anwesen Valponasca aufzusuchen. Die Familie wohnt dort nicht mehr, sie ist bereits 1859 ausgezogen, als auf dem Hof eingebrochen wurde.
3. Don Bosco und die Gründung der Don Bosco Schwestern
Während ihrer Besinnungszeit erkennt Maria es nun ganz genau: Gott will, dass ich mich in den Dienst der weiblichen Jugend stelle. Sie wird einen neuen Weg gehen.
Rund zwei Jahre vor diesen Ereignissen, 1862, hatte Don Pestarino in Turin den Priester Giovanni Bosco kennen gelernt. Mittlerweile sind die beiden gut befreundet, und am 7. Oktober stellt Pestarino, der zudem seit 1863 den Don-Bosco-Salesianern angehört, seinem Freund und Mitbruder Maria Mazzarello vor. Maria ist begeistert. „Ich spüre, dass Don Bosco ein Heiliger ist“, sagt sie.
Der Turiner Jugendpriester kommt in den folgenden Jahren immer wieder nach Mornese. Auf einem Grundstück, das Don Pestarino gehört, errichten die beiden ein Kolleg, um die Buben aus der Umgebung aufzunehmen. Im Dezember 1867 weiht Don Bosco die Kapelle des Hauses ein.
Schon lange Zeit trägt dieser sich mit dem Gedanken, eine Gemeinschaft für Frauen zu gründen, die sich ähnlich wie die Salesianer in den Dienst der Erziehung stellt, sich jedoch vor allem die weibliche Jugend kümmern soll. Als Don Bosco im Jahr 1871 eine Audienz bei Papst Pius IX. hat, werden die Pläne konkreter. Er entwickelt eine Ordensregel und überlegt sich schon einen Namen für die Gemeinschaft, die er gründen will. „Töchter Mariä Hilfe der Christen“ sollen sich die Schwestern nennen.
Don Pestarino unterstützt ihn bei seiner Arbeit. Er schaut sich bei den „Töchtern der Immaculata“ nach Frauen um, die ihm für die Schwesterngemeinschaft Don Boscos geeignet scheinen. Am 6. Januar 1872 ist es dann so weit. Ein Teil der Immaculata-Schwestern schliesst sich Don Bosco und Don Pestarino an. Maria Mazzarello ist dabei und wird wenige Tage später zur Leiterin der Gemeinschaft gewählt.
Am 5. August 1872 erhalten in Anwesenheit von Don Bosco 15 Frauen das Ordenskleid. Maria Mazzarello und zehn weitere Schwestern legen ihre Gelübde ab. Dieser Tag gilt als das Gründungsdatum der Don-Bosco-Schwestern. Maria wird jetzt offiziell zur Vikarin des neuen Ordens gewählt, geistlicher Direktor ist Don Pestarino.
4. Die Jahre nach der Gründung bis zum Tod
Die junge Vikarin macht sich nun, in den ersten Jahren nach der Gründung, noch mehr mit ihren erzieherischen Aufgaben vertraut. Unter anderem lernt sie neben dem Schreiben das offizielle Italienisch – beherrschte sie doch bis dato nur den Dialekt ihrer Heimat. Das war für die damalige Zeit nicht aussergewöhnlich, da nicht alle Kinder die Gelegenheit hatten, eine Schule zu besuchen, auch Maria Mazzarello nicht.
Im Jahr 1874 stirbt Don Pestarino. Nun wird Maria endgültig zur Oberin gewählt – fast einstimmig, allein sie selbst gibt sich keine Stimme.
Die ersten Jahre der Kongregation sind hart – es herrscht grosse Armut, nicht wenige Schwestern sterben. Maria leitet die Gemeinschaft mit viel Umsicht, sie ist die Gute Mutter des Ordens. So gelingt es ihr, das Fundament der Kongregation zu festigen und darauf aufzubauen. Bereits am 8. Oktober 1874 kann der Orden ein zweites Haus eröffnen, in der piemontesischen Gemeinde Borgo San Martino. Drei Jahre später werden die ersten Schwestern als Missionarinnen nach Argentinien ausgesandt.
1879 erfährt die Kongregation ihre bischöfliche Anerkennung. Auf das Betreiben von Don Bosco wird das Mutterhaus nach Nizza Monferrato verlegt. Maria bleiben jetzt noch zwei Lebensjahre. 1880 wird sie, obgleich bereits kränklich, nochmals zur Generaloberin gewählt. Am 14. Mai 1881 stirbt sie an den Folgen einer Lungenentzündung. Zu dieser Zeit gibt es 200 Don-Bosco-Schwestern in 28 Ordenshäusern.
5. Selig- und Heiligsprechung
Am 20. November 1938 wird Maria Mazzarello von Papst Pius XI. seliggesprochen, die Heiligsprechung erfolgt am 24. Juni 1951 durch Pius XII. Die Don-Bosco-Schwestern haben heute weltweit rund 16 000 Mitglieder in 88 Ländern. Ganz im Sinne ihrer Gründerin steht der Orden auch heute vor allem – jedoch nicht ausschliesslich – im Dienst der Erziehung. In der Schweiz leiten die Schwestern in Veyrier (Kanton Genf) das Institut „La Salésienne“, das aus eine Vor- und einer Primarschule besteht. Hier werden Kinder aller Nationalitäten unterrichtet, unabhängig von sozialen, religiösen, familiären oder kulturellen Bedingungen.
In Deutschland ist der Orden mit 105 Schwestern in zwölf Gemeinschaften vertreten, in Österreich sind 85 Schwestern, in sieben Niederlassungen tätig. Viele tun Dienst in Kindergärten, Kinderhorten, Schulen und Wohnheimen. Einige Ordensfrauen arbeiten auch in der ausserschulischen Kinder- und Jugendarbeit oder der Pfarreiseelsorge.
6. Ihr Geist ist weiter lebendig
Dabei ist überall der Geist der heiligen Maria Mazzarello lebendig. Betrachtet man etwa das Pastoralkonzept der deutschen Provinz, so ist dieses zum einen von einer tiefen Gottesbeziehung wie auch durch eine Aufmerksamkeit gegenüber den Zeichen der Zeit geprägt. Die Schwestern wollen Antwort geben auf Tendenzen wie das schwindende Bewusstsein für den Wert des Lebens und die Erfahrung, nicht erwünscht zu sein, was sich zum Beispiel darin ausdrückt, dass Abtreibungen und Sterbehilfe als normale Dinge gelten. Das Pastoralkonzept setzt sich mit der steigenden Zahl der Ehescheidungen und alleinerziehenden Eltern auseinander und mit den Gefahren, die durch Arbeitslosigkeit und Armut drohen. Dem wollen die Schwestern mit dem Konzept pastoraler Liebe begegnen, einer Liebe ohne Vorbedingungen, die natürlich Konfrontation und konstruktive wie schlüssige Kritik nicht ausschließt. Ihr Handeln deuten die Ordensfrauen christlich als Verkündigung der „Frohen Botschaft“. Don-Bosco-Schwestern wollen dadurch Zeuginnen für Jesus Christus sein. Und bieten so einer säkularisierten Welt ein sinngebendes und frohmachendes Lebenskonzept an.
Raymund Fobes