Der Optimismus –
Eine Tugend für die Zukunft
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Der heilige Kirchenlehrer Franz von Sales (1567-1622) wird nicht müde, den Adressaten seiner zahlreichen Briefe Mut und Zuversicht zuzusprechen. Er bittet sie inständig, die Hoffnung nicht aufzugeben und der Tugend des Optimismus Raum zu lassen: „Nur Mut, meine Seele, nur Mut, Gott ist mit dir!“ Ebenso fordert er seine Leserinnen und Leser zu einem frohen Leben im Glauben auf: „Leben Sie fröhlich in Gott!“ - „Haben Sie Freude im Herzen!“ Es gibt kaum einen Brief, der nicht mit einer solch ermutigenden Formel endet. Kein Wunder also, dass die unterschiedlichsten Biographen den Optimismus als Markenzeichen von Leben, Lehre und Werk des Genfer Bischofs bezeichnen.
1. Die große Krise
Wie kam Franz von Sales zu dieser positiven Grundhaltung? Erstaunlicherweise war dafür seine dunkelste Erfahrung ausschlaggebend, seine schwere Krise als Student in Paris Ende 1586 und Anfang 1587. Damals hatte in Franz von Sales der Pessimismus die Oberhand. Franz war davon überzeugt, dass sein Leben gescheitert ist. Gott habe ihn verdammt. Nichts und niemand kann ihn mehr vor dieser Katastrophe bewahren.
Diese Lebenskrise war total. Sie traf nicht nur seine Seele, sondern wirkte sich auch auf seinen Körper aus. Er wurde krank. Mühsam schleppte er sich eines Tages in eine Kirche, um dort trotz allem zu beten. Bei diesem Gebet im Angesicht der Gottesmutter Maria fand er jene berühmten Worte, die sein Leben von einer Sekunde auf die andere veränderten:
„Was auch geschehen mag, mein Gott, Du hältst alles in Deiner Hand; alle Deine Wege sind Gerechtigkeit und Wahrheit. Was immer Du beschlossen haben magst im ewigen Geheimnis Deiner Vorherbestimmung: Deine Ratschlüsse sind unerforschliche Abgründe. Du bist ein allzeit gerechter Richter und barmherziger Vater; darum will ich Dich lieben, Herr, wenigstens während dieses Lebens. Ja, Dir soll meine Liebe wenigstens für die Dauer dieser kurzen Erdenzeit geweiht sein, wenn es schon nicht im ewigen Leben geschehen kann!“
Mit diesen Worten ließ sich Franz von Sales in die Hände Gottes fallen. Er entdeckte, dass diese göttlichen Hände nicht verdammen, sondern Geborgenheit schenken. Wer sich in die Hände Gottes fallen lässt, fällt nicht in die Leere und Finsternis, sondern wird wunderbar getragen. Franz von Sales erfuhr jene göttliche Liebe, die froh und glücklich macht, die einem alle Angst nimmt, die optimistisch in die Zukunft blicken lässt, denn bei Gott wird alles gut.
2. Keine Angst
Wer sein Leben auf Gott baut, der braucht keine Angst mehr zu haben, mögen auch Stürme brausen und Wasserfluten auf einem herabstürzen. Denn sein Lebenshaus ist nicht auf Sand gebaut, sondern auf dem Felsen Gottes, den nichts zerstören kann. Wir kennen dieses Gleichnis aus dem Matthäusevangelium, das Jesus am Ende seiner Bergpredigt erzählt: „Wer diese meine Worte hört und danach handelt, ist wie ein kluger Mann, der sein Haus auf Fels baute. Als nun ein Wolkenbruch kam und die Wassermassen heranfluteten, als die Stürme tobten und an dem Haus rüttelten, da stürzte es nicht ein; denn es war auf Fels gebaut.“ (Mt 7,24-25)
Das unerschütterliche Vertrauen auf einen Gott der Liebe und Barmherzigkeit wies Franz von Sales den Weg zu seinem Optimismus, den er sein Leben lang nicht mehr verlor. Genau dieses unerschütterliche Gottvertrauen kann auch uns einen sicheren Weg in unsere Zukunft weisen. Wir sind mit unseren Sorgen und Nöten nicht allein. Da gibt es eben einen Gott, der uns nicht nur erschaffen hat, sondern der weiterhin auf uns schaut und unsere Wege begleitet. Wir sind unserem Gott nicht egal und er möchte, dass wir „das Leben haben und es in Fülle haben“. So sagt es ja Jesus im Johannesevangelium (Joh 10,10). Nach diesem Wort beschreibt sich Jesus als guter Hirte, der seine Schafe kennt und für seine Schafe da ist, und der sogar das Leben für seine Schafe opfert, wenn es notwendig sein sollte (Joh 10,11-21). Trotz aller gegenteiligen Erfahrungen, die wir selbstverständlich im Laufe des Lebens ebenso machen müssen, trotz so mancher Ängste und Sorgen dürfen wir uns ganz und gar in Gott geborgen und von ihm getragen wissen. Wir dürfen davon überzeugt sein, dass Gott das Ziel unserer Zukunft ist.
3. Blauäugig?
Man kann dem heiligen Franz von Sales mit seinem unerschütterlichen Optimismus natürlich auch den Vorwurf der Blauäugigkeit machen. Der Optimismus des Heiligen sei blind für die raue Wirklichkeit. Sein bedingungsloses Vertrauen in das Handeln Gottes verleite dazu, vor den Problemen der Zeit die Augen zu verschließen und die Hände in den Schoß zu legen, weil Gott ohnehin alles gut machen werde.
Damit würde Franz von Sales jedoch ganz falsch verstanden. Solche Vorwürfe werden dem nicht gerecht, was salesianischer Optimismus wirklich bedeutet. Franz von Sales hat ja nach der Überwindung seiner Krise in Paris eben nicht die Hände in den Schoß gelegt. Im Gegenteil, sein Optimismus wurde für ihn geradezu der Motor, um seine persönlichen Probleme und die Probleme seiner Zeit mit Mut und Zuversicht anzupacken und sich von eventuellen Rückschlägen nicht mehr entmutigen zu lassen. Und solche Rückschläge gab es in seinem Leben wahrlich genug.
Die positive Lebens- und Glaubenseinstellung drängte den Heiligen dazu, seinen Mitmenschen unentwegt zuzurufen, dass sie vor den Problemen nicht resignieren sollen. Vielmehr sollen sie ihnen in die Augen schauen und mutig ans Werk gehen, weil doch Gott auf unserer Seite steht. „Eines nur ist notwendig,“ so schreibt er einem besonders verzagten Menschen, „eines nur ist notwendig, dass wir nie den Mut verlieren! Und das ist unser Glück: Wir sind immer Sieger, solange wir nur kämpfen!“ Solche Worte spricht kein blauäugiger, weltfremder Mensch, sondern ein Heiliger, der sich aufgemacht hat, die Zukunft zu bewältigen, im Bewusstsein, dass wir mit Gott auf unserer Seite nur Sieger sein können. Dieser Heilige ruft gerade den Pessimisten unserer Zeit zu: „Wenn Du einmal recht mutlos und verzagt bist, dann denke an den Propheten Jona, er kam sogar aus dem Bauch des Walfisches heraus!“
4. Innerer Friede
Roger Balducelli, ein Experte für salesianische Spiritualität, fasste die Bedeutung der Tugend des Optimismus bei Franz von Sales mit folgenden Worten zusammen: „Der salesianische Optimismus besagt, dass wir von Gott geliebt werden und unter dem Schutz Gottes stehen. Es kann uns daher letztlich nichts geschehen, was wirklich schlecht für uns ist. Das ist ein wichtiger Glaube. Würde ich nämlich diesen Glauben nicht haben, dann würde ich bei jeder schwierigen Situation in Verzweiflung versinken, denn dann hätte ich keine Möglichkeit zur Rettung, dann wäre ich das Opfer eines Schicksals. Nach Franz von Sales gibt es das jedoch nicht. Daher kann ich immer meinen inneren Frieden finden, auch wenn so viele Dinge in meinem Leben schief gehen. Ich glaube, dass das für die Menschen und ihre Arbeit sehr wichtig ist.“
5. Fragen zum Nachdenken
- Bin ich eher ein Optimist oder ein Pessimist?
- Glaube ich daran, dass Gott mein Leben begleitet?
- Welche Probleme soll ich heute anpacken?
Herbert Winklehner OSFS