die Tugend, eine gute Entscheidung treffen zu können
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Guter Rat ist teuer. Dieses bekannte Sprichwort zeigt, dass der Rat seit jeher von den Menschen als eine wertvolle Tugend angesehen wurde. Es wundert daher nicht, dass die Tugend des Rates auch unter den sieben Gaben des Heiligen Geistes zu finden ist, die jedem Christen geschenkt sind. Doch was bedeutet diese Tugend genau?
Das Sprichwort vom guten Rat, der teuer ist, wird uns vor allem dann sehr verständlich, wenn wir in einer Situation stecken, in der wir selbst nicht mehr weiter wissen: Was soll ich tun? Soll ich diesen Weg gehen oder einen anderen? Soll ich diese Entscheidung treffen oder nicht? Soll ich Ja sagen oder Nein? In solchen Situationen der Ungewissheit und Unklarheit, wo das eine wie das andere möglich, aber nur eines davon auch richtig oder zielführend ist, da ist eben guter Rat teuer. Es ist wie beim Roulette: Soll ich auf Rot setzen oder auf Schwarz? Beides kann ich tun, aber nur eine Farbe wird gewinnen. Ich möchte natürlich auf die richtige Farbe setzen, also, was soll ich tun? Habe ich in einem solchen Fall einen Ratgeber, der aufgrund seiner Erfahrung, seiner Weisheit und seines Wissens ein Stück weiter in die Zukunft sehen kann als ich, dann ist sein Ratschlag wirklich Goldes Wert.
Der heilige Bischof und Kirchenlehrer Franz von Sales (1567-1622) war ein wertvoller Ratgeber. Anders hätten nicht zahllose Menschen bei ihm Rat gesucht. Franz von Sales schrieb jedenfalls eine Menge Briefe, in denen er Fragen beantwortete und Ratschläge erteilte, vor seinem Beichtstuhl standen die Menschen ebenso Schlange, wie vor seinem bischöflichen Empfangszimmer. Der einfache Bürger holte sich bei ihm genauso Rat wie Könige und Päpste. Offenbar war Franz von Sales jemand, der mit der Tugend des Rates gut umgehen konnte und von dem wir lernen können, wie wir selbst mit dieser Tugend umgehen sollen, damit wir sie gut für uns und die Menschen um uns herum nutzen.
Die erste Eigenschaft, die Franz von Sales als gute Ratgeber besaß, war, dass er die Fragen der Menschen ernst nahm, egal welche Fragen dies waren und von wem sie gestellt wurden. Wenn ihn jemand um Rat fragte, dann nahm er dieses Anliegen ernst.
Seine zweite Eigenschaft war, dass er den Menschen zuhörte. Er wusste genau, dass es sehr wichtig war, nicht gleich auf alles eine Antwort parat zu haben, sondern erst einmal den anderen beschreiben oder erzählen zu lassen, worin genau sein Anliegen besteht. Oft genug geschah es dabei, dass der Fragende allein durch das Erzählen von selbst zu einer Lösung seines Problems kam.
Schließlich war Franz von Sales nicht nur sehr gebildet, sondern auch sehr fromm. Er konnte aus einem reichen Schatz an Wissen schöpfen und er besprach die Anliegen, die an ihn herangetragen wurden nicht nur mit seinen Büchern, sondern vor allem mit Gott im Gebet, gerade dann, wenn er mit Problemen konfrontiert wurde, wofür auch er nicht auf Anhieb einen Rat geben konnte.
Wer also ein guter Ratgeber im Sinne des heiligen Franz von Sales sein möchte, der sollte jeden seiner Mitmenschen ernst nehmen, er sollte bereit sein zuzuhören, und er sollte auch etwas für seine Bildung tun und vor allem ein Mensch sein, der mit Gott im Gebet verbunden ist.
Franz von Sales empfiehlt allen Menschen, die auf dem Weg der Frömmigkeit vorankommen wollen, einen solchen Ratgeber ... er nennt ihn „Seelenführer“, heute sagt man „geistlicher Begleiter“.
„Willst du dich mit Vorbedacht auf den Weg der Frömmigkeit begeben,“ schreibt Franz von Sales in seinem Buch Philothea - Anleitung zum frommen leben, „so suche dir einen vortrefflichen Mann als Führer und Berater. Das ist der dringlichste Rat, den ich dir geben kann … Durch seine Ratschläge und Weisungen leitet er unseren Wandel und schützt uns vor den Nachstellungen und Verführungen des bösen Feindes. Er wird uns ein Born der Weisheit in unseren Schwierigkeiten sein, wenn wir niedergeschlagen oder gefallen sind. Er wird uns Arznei sein, um das Herz in seinen seelischen Nöten aufzurichten und zu trösten. Er wird uns vor dem Übel bewahren und das Wohl unserer Seele fördern. Befällt uns eine Schwäche, so wird er verhindern, dass sie zum Tode führe, und wird uns wieder aufhelfen.“ (Philothea I,4; DASal 1,38-39)
Das Gebet um einen guten geistlichen Begleiter und Ratgeber erhört Gott am liebsten, so die Meinung des heiligen Franz von Sales. Wenn Sie also noch keinen geistlichen Begleiter haben und Sie sich einen wünschen, dann empfiehlt es sich, damit zu beginnen, im Gebet Gott darum zu bitten. „Da ein guter Führer auf dem Weg der Vollkommenheit so wichtig ist“, schreibt Franz von Sales, „bete inständig zu Gott, dass er dir einen nach seinem Herzen schenke. Sei versichert: müsste Gott dir auch einen Engel vom Himmel schicken wie dem jungen Tobias, er wird dir einen guten und treuen Führer geben.“ (Philothea I,4; DASal 1,39)
Möchten Sie allerdings selbst in der Tugend des Rates vorankommen, also selbst ein Mensch werden, der anderen Menschen ein guter Ratgeber ist, dann gilt das gleiche. Die alttestamentliche Geschichte von König Salomo zeigt, dass Gott auch diese Bitte sehr gerne erhört. Salomo bat nicht um Ruhm und Reichtum, sondern darum, für sein Volk, dem er als König vorstand, ein guter Ratgeber zu sein, daher erfüllte Gott seine Bitte: „Weil du gerade diese Bitte ausgesprochen hast und nicht um langes Leben, Reichtum oder um den Tod deiner Feinde, sondern um Einsicht gebeten hast, um auf das Recht zu hören, werde ich deine Bitte erfüllen. Sieh, ich gebe dir ein so weises und verständiges Herz, dass keiner vor dir war und keiner nach dir kommen wird, der dir gleicht.“ (1 Kön 28,11-12)
Der beste Ratgeber ist natürlich Gott selbst. Der Profet Jesaja nennt Gott „Wunderbarer Ratgeber, Starker Gott, Vater in Ewigkeit, Fürst des Friedens.“ (Jes 9,5). Um die Ratschläge Gottes richtig zu deuten, braucht es allerdings die „Unterscheidung der Geister“. Nicht jeder „göttliche Rat“, nicht jede „göttliche Eingebung“ ist auch tatsächlich göttlichen Ursprungs. Die Meister der christlichen Spiritualität, so auch Franz von Sales, wissen, dass manches auch auf „teuflische Einflüsterungen“ zurückgeführt werden kann. Wer sicher gehen will, ob ein Rat von Gott kommt oder nicht, der wird wiederum nicht umhin können, auch diese Frage mit einem geistlichen Begleiter zu besprechen: „Bevor du aber Einsprechungen zustimmst, die wichtige und außergewöhnliche Dinge enthalten, berate dich mit deinem Seelenführer, um nicht getäuscht zu werden“ (Philothea II,18; DASal 1,96), rät der heilige Franz von Sales.
Herbert Winklehner OSFS