Hund
Es heißt, der heilige Erzbischof Anselm von Canterbury, auf dessen Abstammung unser Bergland so stolz ist, habe es vorzüglich verstanden, solche gute Gedanken zu erwecken. Ein Hase, der von den Hunden verfolgt wurde, flüchtete unter das Pferd des heiligen Bischofs, das ihm eine Zuflucht in drohender Todesgefahr erschien. Die Hunde umstanden kläffend das Pferd, wagten aber das Asyl nicht zu verletzen, in das ihre Beute sich geflüchtet hatte. Alle lachten über das merkwürdige Schauspiel, während der Heilige unter Tränen sagte: "Ihr lacht, das arme Tier aber lacht nicht. Die Feinde der Seele, die sie auf ihren lrrwegen durch Sünden verfolgt und gepeinigt haben, harren ihrer am Engpass des Todes, um sie wegzuraffen und zu verderben. Voll Schrecken sucht sie überall nach einer Hilfe und einem Asyl, findet sie aber nicht, während die Feinde über sie lachen und spotten." (DASal 1, Seite 88)
Kommentiert: Die Seele bedrängt von Versuchungen sucht Zuflucht
Wohlgemerkt: Mit diesem Üben und Tun meine ich nur das höhere Seelenleben. Achten wir so wenig auf Widerwillen und Widerstreben im niederen Seelenteil, wie Wanderer auf fernes Hundegekläff. (DASal 2, Seite 134)
Kommentiert: Das Aufwallen von Gefühlen ist menschlich.
Die jungen Hunde verlassen bei allem, was ihnen begegnet, die Meute und wechseln ständig die Fährte, während die alten, erfahrenen Hunde nie die Fährte wechseln und immer die Spur verfolgen, auf der sie sind. Darum bleibe jeder, der den heiligsten Willen Gottes in seinem Beruf gefunden hat, in heiliger, liebevoller Weise diesem treu und widme sich den dazu gehörigen Übungen mit der Einsicht und mit dem Eifer, den die Vollkommenheit erfordert. (DASal 4, Seite 109)
Kommentiert: Auf der Spur bleiben
Thema: Wille Gottes, Tröstungen, Leid
Die Liebe aber, die ihren Weg auf den Willen Gottes hin im Leiden geht, wandelt in Sicherheit. Da das Leid in sich selbst nicht liebenswürdig ist, ist es leicht, es nur aus Ehrfurcht vor der Hand zu lieben, die es sendet. Im Frühling, wenn die Kräuter und Blumen so stark ihren Duft ausströmen, dass dieser die Spur des Hirsches oder des Hasen ganz überdeckt, verlaufen sich die Hunde jeden Augenblick und haben kaum mehr eine Witterung. Im Frühling der Tröstungen achtet die Liebe fast nicht mehr auf das Wohlgefallen Gottes, weil die fühlbare Freude an der Tröstung so anziehend für das Herz ist, dass sie von der Aufmerksamkeit, die es dem Willen Gottes schenken sollte, abgelenkt wird. (DASal 4, Seite 125)
Kommentiert: Den Willen Gottes lieben auch im Leid
Die klugen und gut abgerichteten Hunde laufen querfeldein und kehren wieder auf ihrer eigenen Spur zurück, je nach dem Zuruf des Jägers, die jungen Hunde aber, die erst abgerichtet werden müssen, verirren sich leicht und sind unfolgsam. Die großen Heiligen, die ihre Leidenschaften dadurch zu brauchbaren Kräften machten, dass sie sie durch Tugendübungen abtöteten, haben auch ihren Zorn in der Hand, können ihn loslassen und auch wieder zurückziehen, wie es ihnen gut dünkt. Aber wir anderen, die wir ungezügelte Leidenschaften haben, ganz junge oder wenigstens schlecht dressierte, wir können unseren Zorn nur loslassen auf die Gefahr hin, große Unordnung anzurichten, denn ist er einmal ins Feld gezogen, so kann man ihn weder zurückhalten, noch ihn so lenken, wie es erforderlich wäre. (DASal 4, Seite 214)
Kommentiert: Lernen, sich nicht von Gefühlen beherrschen zu lassen
Warum glaubst du, Theotimus, verlieren die Hunde im Frühling öfter als zu anderen Zeiten die Spur und Fährte des Wildes? Die Jäger und Philosophen sagen, es komme daher, weil zu dieser Zeit die Kräuter und Blumen in ihrer vollen Frische sind. Die mannigfaltigen Gerüche, die sie verbreiten, betäuben dermaßen den Geruchssinn der Hunde, dass sie aus den verschiedenen Gerüchen, die der Erde entströmen, den Geruch ihrer Beute weder zu unterscheiden, noch ihm zu folgen vermögen. Seelen, die sich ständig in Wünschen, Entwürfen und Plänen ergehen, verlangen gewiss nie so, wie sie sollten, nach der heiligen, göttlichen Liebe. Sie haben kein richtiges Empfinden für die liebreiche Spur und Fährte ihres göttlichen Vielgeliebten, der mit einer Gazelle und einem jungen Hirsch verglichen wird (HL 2,9). (DASal 4, Seite 299)
Kommentiert: Die Spur Gottes von anderen Spuren unterscheiden
Manchmal ist es auch gut, diese Tüfteleien und Versuchungen zu missachten und ihnen keine Beachtung zu schenken, diesen Hund kläffen und helfen zu lassen und seinen Weg fortzusetzen; denn obwohl er wütend ist, beißt er nur jene, die es wollen. Wenn wir daher den Willen standhaft im Glauben halten, mag er bellen, soviel er will, wir haben nichts zu fürchten. (DASal 12, Seite 217)
Kommentiert: Der Versuchung kein Gehör schenken
Wenn wir vom Geist Gottes an den Ort der Versuchung geführt werden, dann fürchten wir sie nicht, sondern bleiben überzeugt, dass er uns siegreich bleiben lassen wird (1.Kor 10,13). Aber suchen wir sie nicht, fordern wir sie nicht heraus, so heilig und mutig wir auch sein mögen, denn wir sind nicht tapferer als David oder als unser göttlicher Meister selbst, der sie nicht suchen wollte. Unser Feind ist wie ein Kettenhund; wenn wir ihm nicht zu nahe kommen, wird er uns nichts anhaben, obwohl er uns zu schrecken versucht, indem er uns anbellt. (DASal 12, Seite 327)
Kommentiert: Nicht zu sehr auf die eigene Stärke vertrauen
Niemals erstaunt sein über Schwierigkeiten, Widerwillen und Abneigungen. Allen unseren Gefühlen, so stark sie auch sein mögen, nicht mehr Beachtung schenken, als wir es dem Gebell von Hunden tun würden. (DASal 12, Seite 352)
Kommentiert: Gefühle gehören zum Menschsein